Es gibt inzwischen sogar ein ganzes Museum mit Kunst ohne Werk: Das "No Show Museum", das vom Schweizer Künstler und Kurator Andreas Heusser begründet wurde, versammelt auf seiner Webseite rund 500 Werke von 150 Künstlerinnen und Künstlern, in denen es um das Nichts geht. Und dieses Nichts erweist sich als erstaunlich vielfältig: Unter der Rubrik "Die Kunst der Absenz" kann man zum Beispiel vorwiegend leere Räume sehen.
Der Franzose Yves Klein ist ein prominenter Vorreiter dieser Kunstform mit seiner "immateriellen Kunst". Ein anderes Beispiel wäre die walisische Künstlerin Bethan Huws, die in der Londoner Hayward Gallery vor einigen Jahren einige Schauspieler engagierte, die so taten, als wären sie Ausstellungsbesucher, weshalb die echten Ausstellungsbesucher gar nicht ahnten, dass da überhaupt so etwas wie Kunst im Raum war.
Tatsächlich ist die Geschichte der verschwindenden Kunst auch thematisch sehr breit angelegt: Kunstwerke, die sich selbst zerstören, wie einige der Maschinen des Schweizers Jean Tinguely. Kunst der absoluten Reduktion, wie das Stück 4'33" von John Cage, das nur aus den Umgebungs- und Publikumsgeräuschen des Aufführungssaales besteht. Oder Kunst, die sich vollständig dematerialisiert, so wie einige Arbeiten von Yoko Ono aus den 1960er Jahren, die sich nur in der Vorstellung abspielen. Das Nichts in der Gegenwartskunst sei zu einer ebenso eigenständigen ästhetischen Kategorie wie das Schöne, das Hässliche oder das Absurde geworden, heißt es in einem Statement des No Show Museums - und für eine bestimmte Zeit, ab den späten 1950er bis in die 1980er Jahre hinein, könnte das tatsächlich stimmen.
Sind Ideen oder Gedanken Kunstwerke?
Oft ist darüber gestritten worden, ob sich das "Schöne" und das "Nichts" nicht ausschließen, ob nicht so ein leerer Raum am Ende doch ein Kunstwerk ist. Denn es entspringt ja am Ende doch einer künstlerischen Idee.
Sind also Ideen oder Gedanken schon Kunstwerke? Kommt immer auf die Perspektive an - Materialisten unterscheiden sich in der Bewertung sicherlich von Idealisten. Aber was man sicher sagen kann, ist: Viele dieser leeren Räume und abwesenden oder sich selbst zerstörenden Objekte fanden oder finden sich tatsächlich in Museen und Galerien. Sie geben vor, das Werk zum Verschwinden zu bringen und finden sich dann doch im konventionellen Ausstellungsformat wieder, weil sie woanders gar nicht auffallen würden in ihrer Unauffälligkeit. Das ist eigentlich ein zirkulärer Gedanke.
Letztlich ging es wohl den betreffenden Künstler*innen nie darum, Kunst als solche abzuschaffen, denn dann hätten sie wahrscheinlich einfach aufgehört, welche zu machen. Und insofern bleibt am Ende vielleicht auch ein zu "nichts" reduziertes, unsichtbares Werk ein Werk. Aber es sendet dennoch eine grundsätzlich andere Botschaft als das klassische Tafelbild an der Wand, nämlich, dass Kunst unabhängig ist von ihrer materiellen Erscheinung. Darüber kann man streiten, und darüber wird auch nach wie vor gestritten.
Lebenslanger Lohn für's Nichtstun
Einer der Hauptvorwürfe der Kritiker an dieser Nicht-Kunst ist, dass sie sich inzwischen selbst ständig wiederholt und die Geste des Weglassens und Unsichtbarmachens schon eine eigene Tradition bildet. Demzufolge widerspricht sich diese Art von Kunst selbst. Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt: Die Gefahr besteht, dass diese Art von Kunst buchstäblich zu einer leeren Geste wird.
Doch es gibt auch Positionen, die sie auf die heutige Gegenwart bezogen noch einmal originell weiterdenken. Vor zwei Jahren gab es in Schweden eine Ausschreibung für Kunst am Bau, und damals gewann ein Beitrag unter dem Titel "Eternal Employment": Diese Arbeit bestand aus nichts anderem als einem lebenslangen Lohn für tägliches Nichtstun - fast wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Der- oder diejenige, die diese Anstellung erhielt, musste nur täglich zum Nichtstun persönlich erscheinen. So kann man Kunst, die als Kunst nicht wahrnehmbar ist, doch in der Mitte gesellschaftlicher Diskurse platzieren.