Archiv

Endlich mal erklärt
Ist die Kultur noch unabhängig vom Sponsoring?

Niemand im Kulturbetrieb tut etwas ohne Eigeninteresse: Sponsoren wollen sich als Wohltäter der Menschheit profilieren, nebenbei den Namen ihrer Firma und deren Produkte ins Spiel bringen. Sponsoring ist Werbung. Wie abhängig macht sich die Kultur damit von Sponsoren?

Von Christian Gampert |
Aus einem Museum fließt Öl, darin Menschen und Exponate.
Gehört Sponsoring von Unternehmen aus fragwürdigen Branchen ins Museum? (Culture Unstained / Art Not Oil)
Zunächst wirkt das Problem eher einfach: Die Kunst braucht Sponsoren, um Geld aufzutreiben, das sonst fehlt. Interessanter wird es, wenn man die Frage umkehrt: Wozu brauchen eigentlich Sponsoren die Kunst? Und drittens: Sollte man hier nicht auch die Existenzfrage stellen? Braucht man überhaupt Sponsoren? Ist es nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, den Kulturbetrieb zu finanzieren - und damit unabhängig zu machen von allen kommerziellen Einflüssen?
Vor dreißig, vierzig Jahren war es undenkbar, dass ein Theater oder ein Museum in Abhängigkeit von Wirtschaftsunternehmen geraten könnte. Heute sind bestimmte Ausstellungen ohne die Finanzhilfen von Banken, Großkonzernen oder einzelnen Mäzenen nicht mehr möglich. Das heißt aber auch, dass diese stets im Hintergrund bleibenden grauen Eminenzen das Programm mitbestimmen - denn die Wirtschaft sucht sich sehr genau aus, was sie fördert und was nicht. Und oft genug ist es das Bewährte und Etablierte, das da zum Zug kommt. Die Subkultur wird eher selten bedacht. Sie bekommt das, was an Brosamen vom großen Tisch der staatlichen Subventionen abfällt.
Sponsoring wirkt seriös und spart Steuern
Sponsoring spart außerdem Steuern. Es ist weitaus günstiger, als Sponsor aufzutreten als eine Werbeanzeige zu bezahlen. Es wirkt seriöser und weltmännischer. Und es bringt die Firma in einen Zusammenhang mit Kultur, der real meist gar nicht besteht. Ein Autohersteller, eine Bank oder ein Maklerbüro sind an Profit interessiert und nicht an Subversion, auch wenn man sich Werke des Abstrakten Expressionismus in die Konferenzsäle hängt. Die Bedürfnisse der Künstler sind denen ihrer Sponsoren oft diametral entgegengesetzt. Trotzdem gaukelt das Sponsoring uns vor, dass wir in Zeiten allumfassender Toleranz leben. Es ist leicht für die Sponsoren, umstürzlerische Ideen, Tabubrüche und neue Ästhetiken zu unterstützen, weil Kunst und Theater politisch völlig folgenlos sind. Im besten Fall werden gesellschaftliche Verständigungs-Prozesse angestoßen. Die aber das Geschäftsgebaren der Sponsoren meist nicht beeinflussen.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt Postdramatik? Dystopie? Keine Ahnung. Jede Kulturszene pflegt ihre Fachausdrücke, weil sie griffig sind. Wir erklären endlich mal die Begriffe der Spezialsprachen und antworten auf Fragen, die man sich vielleicht nicht zu stellen traut. Denn Arroganz war gestern.
Die Haupt-Sponsoren der Vergangenheit waren die Kirche, Kaiser und Könige, der Adel. Zum Ruhm der heiligen Mater Ecclesia wurde gemalt und gebildhauert; für ihr eigenes Seelenheil ließen fromme Fürsten als Stifter ganze Gebäude ausstatten (und kamen ganz unten im Bild oft als Randfiguren vor, was der heutigen Werbung ziemlich ähnlich sieht). Als Mäzene förderten sie die Karriere ihrer Lieblingskünstler – und konnten sich von deren Ruhm ideell eine Scheibe abschneiden.
Subversive Künstlerbotschaften werden mit Kapital gebügelt
Heutige Sponsoren gehen meist subtiler vor. Sie überlegen sich, welche Kunst zu ihrer Firma passen könnte. Ein Rüstungskonzern wird eher als Autobauer auftreten, um sein Image zu polieren; Uhrenhersteller, Waschmittelkonzerne oder Pharma-Unternehmen entdecken, dass ihr Produkt im Grunde ausschließlich der Wohlfahrt der Menschheit dient und somit sehr gut, ja fast zwingend mit der Ausdrucksform des Modern Dance, der Installationskunst oder der zeitgenössischen E-Musik konform geht. Wenn ein Chemiekonzern sich ganz auf die Förderung der klassischen Musik konzentriert, dann hat er natürlich auch im Sinn, dass die Damen und Herren Entscheidungsträger anderer Unternehmen sich regelmäßig bei klassischen Konzerten einfinden und man dort Anbahnungsgespräche führen kann. "Genießen Sie Munchs Schrei" als Werbeslogan einer Geldanlagefirma, die ihre Kunden auf ein sicheres Investment aufmerksam machen möchte, pervertiert zwar die ursprünglichen Absichten des Künstlers, aber man gemeindet ihn und sein Werk behutsam ein in den globalen Konsens des Finanzwesens. Das stört niemanden. Kuratoren und Museumsdirektoren halten es für völlig selbstverständlich, sich Geld von außerstaatlichen Stellen zu besorgen. Dass dabei oft merkwürdige Deals ablaufen, ist Teil der Geschäftsbeziehung. Luftfahrt-Unternehmen sponsern etwa den Transport von Kunstwerken, und selbstverständlich erhält der Museumsdirektor Freiflüge weltweit – er muss ja die vielen potentiellen Leihgeber besuchen.
So arbeitet man Hand in Hand, und bestimmte Veranstaltungen sind nur möglich durch das "gesellschaftliche Engagement" philanthropischer Unternehmen, die steuersparend Geld in Kultur investieren. Manchmal geht der Schuss allerdings nach hinten los: eine Schweizer Großbank stand wegen der Hortung geraubter jüdischer Vermögen und ihrer Unterstützung umweltschädlicher Projekte jahrelang in der Kritik. Da die Bank einer der Hauptsponsoren des Züricher Kunsthauses war, stand auch das Kunsthaus nicht so gut da.
Nur das Beste für die Kultur?
Sollten Kultur-Institutionen von Sponsoren unabhängig sein? Natürlich sollten sie das. Seit langem ist das aber nicht mehr der Fall. Wir alle, der Staat, eigentlich verantwortlich für die finanzielle Ausstattung der Kultur, nimmt und nehmen das stillschweigend hin, weil es sich so eingebürgert hat, weil es angeblich die öffentliche Hand entlastet und die Einflüsse der Sponsoren subtil bleiben.
Das stimmt aber nur halb: Wenn ich einen Tennisspieler oder Fußballklub sponsere, um meine Schuhe oder Trikots durch Hochleistungssportler bekannt zu machen, dann besteht ein direkter Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt – und das Sportsponsoring ist die bei weitem finanzintensivste Branche. Wenn ich Oper, Theater oder Kunst fördere, gibt es keinen Konnex zu Waschmitteln, Uhren oder Bankgeschäften. Er wird nur behauptet. Das Ganze funktioniert nach dem Prinzip der Kontiguität: so wie man in der Werbung Frauenbeine neben Autoreifen stellt, um letztere attraktiver zu machen.
Sponsoren behaupten stets, nur das Beste für die Kultur zu wollen. Dem wollen wir nicht widersprechen. Ob die hehren Absichten eingelöst werden sollte man am Einzelfall überprüfen. Und man sollte genau hinschauen: Wer fördert was - und warum?