Diese Frage wird in so manchen Pausengesprächen heftig diskutiert. Klar, bei Verdis "Troubadour" gibt es tolle Musik - aber die Handlung? Wirr, unglaubwürdig, nicht nachvollziehbar! Oder doch? Liegt es gar an den verrückten Inszenierungen? Und dann die ganzen barocken Schinken! Mit den ewig ähnlichen K(r)ämpfen um Liebe zwischen standesmäßig entfernten Menschen, rachsüchtigen Göttern, endlosen Sterbeszenen. Und auch noch die enervierenden Nebenstränge mit den diversen Nebenfiguren, die die Handlung aufhalten. Die gibt es doch nur, weil Händel oder Scarlatti oder Telemann unbedingt eine Vielzahl von Lieblingssängern beschäftigen wollten! Vorurteile? Zum Teil bestimmt. Aber an der Sache ist etwas dran.
Vieles wirkt konstruiert, dramatisch ungeschickt und weit weg
Vor allem, wenn man von heute auf die alten Stücke und Stoffe schaut. Da fällt schon auf, dass im Gegensatz zum Sprechtheater auf der Opernbühne vieles sehr konstruiert, dramatisch-dramaturgisch ungeschickt und irgendwie arg weit weg wirkt. Ausnahmen gibt es natürlich, von Monteverdis wunderbar geglücktem "Orfeo" über Verdis gut gebauter "Traviata" bis zum Gesamtkunstwerkler Richard Wagner, bei dem alles aus einem Guss sein sollte und oft auch ist. Liest man das Libretto zum "Ring des Nibelungen", fühlt man sich mal wie bei Loriot, mal will man den Rotstift zücken und den Verfasser durch die Deutsch-Prüfung rasseln lassen. Doch in Verbindung mit der Musik ergibt sich etwas kongenial Drittes.
Musik- und Textschreiber selten in Harmonie
Wagner ist da ein Solitär, zumeist schrieben und schreiben die Komponisten ihre Libretti nicht selbst und da sind Konflikte eben programmiert. Ist der Text beispielsweise zu musikalisch, steht er einer 'eigenständigen' Vertonung im Wege. Nur selten gibt es ein wirklich harmonisches Gespann wie Mozart und Da Ponte, Meyerbeer und Eugène Scribe oder auch Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann. Der Mozart-Zeitgenosse und Antipode Antonio Salieri zeigte 1786 am kaiserlichen Hof zu Wien im Schloss Schönbrunn seinen Einakter "Prima la musica e poi le parole!" - witzig und bissig kämpfen hier die Protagonisten um ihre Vorherrschaft.
Der Opernkomponist kann auch Ironie
Was kommt zuerst, die Musik, dann die Worte? Oder andersherum? Oder gleichzeitig? Richard Strauss hat dieses Thema ebenfalls augen- und ohrenzwinkernd in seinem "Capriccio", uraufgeführt 1942, aufgenommen. Die Frage, was beim "Capriccio" wichtiger ist, wer den letzten Ton oder das letzte Wort hat, stellt sich hier übrigens nicht wirklich. Ein Duell hätte Strauss nämlich mit absoluter Sicherheit verloren, er hätte gegen sich und gleich vier wortkomponierende Mitstreiter - darunter Stefan Zweig - kämpfen müssen.