Archiv

Endlich mal erklärt
Muss die Orgel in der Kirche stehen?

Wer an Orgel denkt, denkt an Kirche, und weniger daran, dass Orgeln zum Beispiel auch in Konzertsälen stehen. Noch weniger ist im Bewusstsein, dass das größte aller Musikinstrumente ursprünglich ein weltliches Instrument war, erfunden vor über 2000 Jahren.

Von Elisabeth Richter |
Vor einem rosettenförmigen Kirchenfenster aus blauem, rotem und lilafarbenem Glas stehen viele metallene Orgelpfeifen, eingebundem von reich verziertem Holz.
Die Grand Orgue de Notre Dame de Paris (picture-alliance/Godong)
Wie kam die Orgel in die Kirche? Das geschah schleichend, ab Mitte des 8. Jahrhunderts. Aber der Weg dorthin dauerte über 1000 Jahre. Den "Orgel-Urknall" löste ein Tüftler namens Ktesibios im 3. Jahrhundert vor Christus aus. Als er für seinen Vater, einen Friseur in Alexandria, einen höhenverstellbaren Spiegel baute, konstruierte er dazu eine wasserbetriebene Druckpumpe. Und weil Ktesibios das Erfinden Spaß machte, nutzte er die Druckpumpe auch dazu, um Luft in der Größe nach geordnete Flöten, sprich Pfeifen, zu befördern. "Hydraulos", Wasser-Blasinstrument, nannte er seine Erfindung, die auch als "organon hydraulikon" gehandelt wurde.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt Postdramatik? Dystopie? Keine Ahnung. Jede Kulturszene pflegt ihre Fachausdrücke, weil sie griffig sind und zutreffend. Wir erklären die Begriffe und antworten auf Fragen, die man sich vielleicht nicht zu stellen traut. Denn Arroganz war gestern.
Schnell verbreitete sich diese "Wasser-Orgel". Die Griechen veranstalteten Wettbewerbe, die Römer untermalten mit den Klängen Gladiatorenkämpfe oder andere Veranstaltungen. Erst im 8. Jahrhundert kam die Orgel dann als diplomatisches Gastgeschenk nach Zentraleuropa. Allmählich zog sie in die Kirche ein. Erst im 17. Jahrhundert begann man mit der Orgel den Gemeindegesang zu begleiten.
Orgel als Spiegel der Technik in der Kunst
Als faszinierende Maschine war die "Königin der Instrumente", wie Wolfgang Amadeus Mozart die Orgel nannte, in den verschiedenen Zeiten auch ein Spiegel der technischen Kunst und ihrer Möglichkeiten. Immer größer und prachtvoller wurden mit den Jahrhunderten die Instrumente. Nebenher existierten aber immer kleinere, auch portable Exemplare.
Ein großer Orgelbauer der Vergangenheit war zum Beispiel Arp Schnitger, der seine Werkstatt in Hamburg-Neuenfelde hatte und der seine Instrumente europaweit verkaufte. Aber auch die Brüder Andreas und Gottfried Silbermann, Friedrich Ladegast oder der Franzose Aristide Cavaillé-Coll bauten exzellente Instrumente.
Organist im Glitzeranzug mit mobiler Orgel
Nach wie vor übt die Orgel auf viele Menschen eine große Faszination aus. Manche Organisten suchen nach Wirkungsmöglichkeiten außerhalb der Kirche, um ihre künstlerisch-solistischen Ambitionen auszuleben, zum Beispiel der Amerikaner Cameron Carpenter, der im Glitzeranzug auftritt und mit eigener Orgel herumreist.
Auch im Orgelbau ist heute Kreativität mehr denn je gefragt. Da werden – besonders für Konzertsäle – futuristische Designs entworfen und neue klangliche Möglichkeiten ausprobiert.