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Endlich mal erklärt
Sind Bauten aus Holz eine Brandgefahr?

Das Bauen mit Beton ist einer der größten Klimakiller, weltweit entstehen beim Abbinden des Zements etwa acht Prozent der CO2-Ausgasungen. Eine Alternative sind Holzhäuser. Aber sind die nicht brandgefährlich?

Von Nikolaus Bernau |
DEU, Deutschland, Heilbronn, 19.06.2019 - Erstmals DGNB Diamant in der Kategroie Wohngebäude vergeben. // Das SKAIO (links) ist mit einer Höhe von 34 Metern das derzeit höchste Holzhaus Deutschlands. Das Gebäude - entworfen vom Berliner Architekturbüro Kaden und Lager - ist Teil der Stadtausstellung im Rahmen der BUGA Bundesgartenschau. Jetzt wurde das nachhaltige Gebäude von der DGNB in der höchsten Klasse DGNB Diamant zertifiziert. ***
Das SKAIO (links) in Heilbronn ist mit einer Höhe von 34 Metern das derzeit höchste Holzhaus Deutschlands (imago images / Arnulf Hettrich)
Eines der übelsten Vorurteile für die Architekturgeschichte der Moderne ist, dass Häuser, die aus Holz gebaut wurden, brandgefährlich seien. Tatsächlich zeigen alle Statistiken etwa von Versicherungskonzernen oder Feuerwehren, dass Häuser, die aus Holz gebaut wurden - egal, ob als Vollholzkonstruktionen, als Fachwerk oder Tafelbauten - proportional genau so oft brennen wie Steinhäuser. In Nordamerika und Skandinavien, wo Holz vor allem den Bau von Einfamilienhäusern selbst in dicht bebauten Vororten dominiert, gilt sogar die Faustregel, dass die Menschen in Holzhäusern vorsichtiger sind, deswegen die Gebäude weniger oft zerstört werden. Außerdem werden Leitungen öfter auf der Wand verlegt, Brandgefahren sind also leichter zu entdecken. Auch das Vorurteil, Brände seien in Holzhäusern gefährlicher, stimmt nicht. Bei großer Hitze bilden Holzbalken und Stützen erst einmal eine Kohleschicht aus, die den eigentlich tragenden Kern schützt. Deswegen wurden auch schon Fassaden von Häusern vorverkohlt, so dass die Brandlast größer sein kann; und große Lagerhallen sind mit Holzkonstruktionsdächern sicherer als solche aus Stahl oder Beton, weil sie länger halten.
Brandgefahr nur dort, wo Dichte herrscht
Das Vorurteil gegen Holzbauten ist ein speziell mittel- und westeuropäisches, im Norden Europas wird bis heute gerne mit Holz gebaut, im Süden Europas spielte der Holzbau seit der Antike kaum eine Rolle. Ein Grund ist die angenommene Feuergefahr, die aber eigentlich die Folge von zu dicht und ohne Rücksicht auf überspringendes Feuer entwickelten Städtebau ist. Deswegen werden im Norden Europas oder in Russland Städte seit dem 18. Jahrundert mit breiten Straßen, Bäumen, Stadtparks und Feuerschutzsystemen gebaut. Sie bewahrten auch das gute Image des Holzbaus. In Mittel- und Westeuropa dagegen verschlechterte sich das soziale Image dramatisch: Die seit dem Mittelalter überwiegend aus Holz gebauten Städte und Ortschaften sowie Bauernhöfe etwa in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien kamen im 18. Jahrhundert unter massiven wirtschaftlichen und sozialen Druck. Mehrere Wirtschaftskrisen seit etwa 1770 verhinderten die Modernisierung und Instandhaltung der Gebäude, zugleich wuchs die Bevölkerung und Materialien wie Ziegelsteine wurden durch die Industriealisierung dramatisch billiger. Bauholz dagegen blieb Mangelware und teuer. Die bereits bestehenden Bauten wurden vernutzt, Neubauten aus Ziegeln errichtet.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt
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Pippi Langstrumpf rehabilitiert das Holzhaus-Image
Spätestens seit den 1840er-Jahren galten Fachwerk- und Holzbauten als Häuser der Armen, als unhygienisch, krumm, schief, unmodern. Aus dem scheinbar billigen Material wurden zunehmend nur noch Notbauten oder Landwirtschaftsgebäude gebaut, dazu Barracken, etwa in Kriegs- und Seuchenzeiten. Ausnahmen waren die an der Kurort- und Ferienhausarchitektur orientierten Wolgaster Holzfertighäuser, die etwa zwischen 1860 und 1910 entstanden. Generell aber hatte Holz in Mittel- und Westeuropa das Image von gefährlich, billig, unhygienisch, Notzeit und Armut – oder Freizeitarchitektur.
Auch die sehr erfolgreichen Versuche der 1920er-Jahre und der Nachkriegszeit, Holz zum Material von Fertigbauten zu machen, änderten am schlechten Image nichts. Dazu kam die Propaganda der Ziegel- und Betonindustrie, dass Holzhäuser brandgefährlich seien. Es brauchte die Ökowelle der 1980er, die Begeisterung für das Pippi-Langstrumpf-Skandinavienimage, die Debatten um den Klimawandel, um den Imagewandel zu bewirken. Erst sie führt dazu, dass die auch auf Druck der deutschen Bauindustrie erlassenen Einschränkungen für den Holzbau zunehmend fallen, inzwischen wieder Mehrfamilien- und sogar Hochhäuser als wirkliche Holzkonstruktionen bis hin zum Bau des Fahrstuhlschachts geplant werden. Denn Holzhäuser sind weder brandgefährdeter noch im Brand gefährlicher als Stein- und Betonbauten - aber sie sind bei weitem energiesparender zu errichten.