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Endlich mal erklärt
Stadt-, Staats- und Landestheater - was ist der Unterschied?

Die deutsche Theaterlandschaft, mit ihren Subventionen wahrscheinlich die finanziell bestausgestattete der Welt, hat organisatorisch die seltsamsten Gebilde hervorgebracht: Stadt-, Staats- und Landestheater. Wie sinnvoll sind die Unterschiede? Sollte man sie nicht einebnen, aushebeln, abschaffen?

Von Christian Gampert |
Außenansicht des Opernhauses Stuttgart, eines der drei Häuser des Staatstheaters
Das Staatstheater Stuttgart vereint drei Sparten unter seinen Dächern und wird unter anderem vom Land Baden-Württemberg finanziert (dpa/ Wolfram Kastl)
Im subventionierten deutschen Theatersystem gibt es mehrere Arten von Bühnen, die sich in ihrer Aufgabenstellung und auch in ihrer Finanzierung erheblich unterscheiden. Ein Staatstheater ist heute die große, repräsentative und bestfinanzierte Bühne eines ganzen Bundeslandes mit Bildungsanspruch und Ambitionen auf Avantgardismus. Wobei die Geschichte dieser Häuser meist auf königliche Hoftheater zurückgeht, die nach dem Sturz der Monarchie 1918 oder noch später, nach 1945 oder sogar erst nach der Wiedervereinigung zu Staatstheatern wurden. Aufgrund der alten Landesgrenzen gibt es nun ein Badisches, ein Württembergisches, ein Saarländisches oder auch ein Sächsisches Staatstheater.
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Das Stadttheater hingegen soll für ein konkretes Gemeinwesen spielen, es dient der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung einer Stadtgesellschaft. Am schönsten zu beobachten derzeit in Frankfurt, wo man nicht nur die Aufführungen, sondern auch den anstehenden Um- oder Neubau des städtischen Schauspiels leidenschaftlich diskutiert. Ein Landestheater dagegen muss eine ganze Region mit Gastspielen versorgen und hat somit die schwierigste Aufgabe, aber die geringsten Subventionen.
Zuschüsse und Knochenarbeit
Im Prinzip spielen natürlich alle nur Theater, und alle sind auch mischfinanziert. Das Stuttgarter Staatstheater beispielsweise vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart, weil es dort ansässig ist. Aber auch ein Stadttheater bekommt normalerweise Zuschüsse vom Land. Die Landesbühnen leisten mit ihren weit auseinanderliegenden Gastspielen eine unfassbare Knochenarbeit, werden finanziell von Stadt und Land aber eher stiefmütterlich behandelt. Deshalb können sie ihre Künstler leider eher schlecht bezahlen und sind die klassischen ersten Stationen für Schauspielanfänger.
Zwischen Tradition und Avantgarde
Doch egal ob Staats- oder Landesbühne: Jedes Theater versucht, sich ein unverwechselbares Profil zuzulegen, eine Art Corporate Design. Das ist an der Berliner Schaubühne natürlich einfacher herzustellen als an irgendeinem Stadttheater, das auf die Bedürfnisse der Abonnenten Rücksicht nehmen muss. Und viele große Bühnen leben natürlich auch von ihrer Tradition.
Es gibt Stadttheater mit permanentem Avantgarde-Anspruch und an den Staatstheatern immer die Mischkalkulation aus Tradition und Moderne. Es gibt das gesellschaftskritische Gesamtkunstwerk, zum Beispiel die Wiener Burg, die Martin Kusej gerade zu einem internationalen Theater umbaut. Und es gibt Theater, die sich spezialisieren, zum Beispiel das Gorki in Berlin mit seinem postmigrantischen Theater.
Und es gibt den permanenten Zwang für alle Theater, sich voneinander zu unterscheiden – durch unterschiedliche Spielweisen und Ideologien. Gerade in Berlin hat das noch viel mit der deutschen Teilung und Wiedervereinigung zu tun. Das Schillertheater war im Westteil der Stadt in den 1960er und 70er Jahren die Renommierbühne für klassische Stoffe, im Ostteil dominierten in der DDR das "Deutsche Theater" und das "Berliner Ensemble".
Identifikation und Ästhetik
Ab den 1990er Jahren wurde dann die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz theatralisch zur letzten Bastion ostdeutschen Selbstbewusstseins, und sie wurde angeleitet von Frank Castorf, zum Zentrum einer neuen postdramatischen Ästhetik. Eine solche – auch politische - Identifikation mit einem Theater von Zuschauern und Belegschaft hat es wahrscheinlich noch nie gegeben.
Hier sieht man dann das Alternativmodell zu Stadt- und Landestheatern: Die "Volksbühne" ist ein Produkt der Arbeiterbewegung und steht in einer ganz anderen Tradition. Sie wurde mit sogenannten Arbeitergroschen erbaut und von Leuten wie Erwin Piscator und Benno Besson geprägt. Noch die Tatsache, dass die Abberufung von Frank Castorf von der Belegschaft nie akzeptiert wurde und nach diversen Zwischenspielen 2021 René Pollesch das Theater übernimmt, also einer von Castorfs Lieblingsschülern, zeigt die gewachsene Identität dieser Bühne. Natürlich wird auch die Volksbühne öffentlich subventioniert. Aber ein Staatstheater ist sie sicher nicht.