Die Architektur der Zweiten Nachkriegsmoderne, entstanden zwischen 1960 und 1980, scheint besonders ungeliebt zu sein. Sie gilt als Frucht des öden "Bauwirtschaftsfunktionalismus", wie es der Architekturhistoriker Heinrich Klotz formulierte. Niemals wurde in der menschlichen Geschichte so viel gebaut wie in diesen Jahrzehnten.
Abrisswut seit 1990
In den Ländern der einstigen DDR fielen seit 1990 selbst architektonische Preziosen wie das "Ahornblatt" an der Leipziger Straße in Berlin, dann zehntausende Wohnungen in Plattenbau-Vierteln, kürzlich die Fachhochschule am Potsdamer Alten Markt.
In Hamburg ist derzeit das einstige Postamt 60 in Gefahr, in Berlin der zwischen 1970 und 1981 nach Plänen von Gerd und Magdalena Hänska errichtete "Mäusebunker", das zentrale Tierversuchslaboratorium der Freien Universität. Wohnsiedlungen sind zwar inzwischen ziemlich sicher, die Wohnungskrise schützt sie.
Öffentliche Gebäude sind gefährdet
Kaufhäuser und Bürobauten der Nachkriegszeit hingegen, vor allem aber öffentliche Bauten, sogar Museen, Stadtbibliotheken, Universitätsgebäude oder Schulen sind akut gefährdet. Sie müssen nach einem halben Jahrhundert Dauernutzung saniert werden; oft wurde viel zu wenig in die Instandhaltung investiert.
Jetzt erscheint der Abriss als billige Schnelllösung. Dabei zeigt sich längst auch in diesen Fällen: Der Geschmackswandel hat die 1970er- und 1980er-Jahre erreicht. Poppig gekurvte Architekturen sind wieder in, der Beton-Brutalismus findet neue Freunde. Und vor allem wird immer deutlicher: Stehenlassen und weiterbauen ist meist billiger und fast immer besser für die Umwelt - nicht zuletzt für das Klima, weil einmal verbautes Material weiter benutzt werden kann.