Eine gerade einmal 40-jährige Schauspielerin und Regisseurin erhielt jüngst von der Zentralen Arbeitsvermittlung die Mitteilung, sie sei "in ihrem Alter nicht mehr vermittelbar". Das passte zur Erinnerung an ein dramatisches Interview mit der Schauspielerin Dagmar Manzel, die das Deutsche Theater in Berlin verließ, weil es dort für sie "nichts mehr zu spielen" gebe.
Tatsächlich sind die so genannten besten Jahre im Theater oft die schlechtesten - besonders für Frauen, weil vor allem die Klassiker nur sehr junge oder sehr alte Rollen zu bieten haben. Natürlich gibt es auch "Mütter", aber die meisten Theaterkünstlerinnen im mütterlichen Alter rutschen ins Abseits, in den weiten Bereich der Nebenrollen.
Zu wenig Rollen für Frauen über 40
Bis weit ins vorige Jahrhundert hinein wurden Ensembles nach Rollenfächern sortiert, die auf Regeln und Gesetzen der italienischen Commedia dell'Arte des 17. Jahrhunderts basierten. Das Theater kannte "Helden", "jugendliche Liebhaber" und "Charakterspieler" - "Intriganten", "Bonvivants" oder "Naturburschen".
Als Frauen waren die "komische Alte", "Mutter" und die "Charakter-Darstellerin" gefragt - die "Salondame", die "Sentimentale" oder die "Naive". Aber schon in dieser Struktur und erst recht mit Blick auf das klassische Repertoire war das mittlere Alter immer unterrepräsentiert. Ohnehin war das Repertoire fatal männer-, aber eben obendrein auch jugend-lastig. Schlechte Chancen also für die Schauspielerin über 40.
Generell zeigt das Repertoire nicht den Altersquerschnitt unserer Gesellschaft. Und die spielplangestaltenden Dramaturgien folgen eher dem Repertoire als der gesellschaftlichen Realität. Kaum jemals bietet ein Stück mehr als eine "alte" Rolle. Und meistens ist das dann ein Mann.
Tanztheater setzte auch auf ältere Kräfte
Natürlich wissen das alle. Und mit einigem schlechten Gewissen haben die städtischen und staatlichen Bühnen seit langer Zeit schon spezielle Gruppen, sogar richtige Laien-Ensembles für ganz Junge und sehr Alte installiert. Speziell die noch recht neuen "Bürgerbühnen" bilden tatsächlich die Gesellschaft ab und gehören an vielen Häusern zum festen Spielbetrieb.
Erstaunlicherweise gab es gerade bei den Erneuerern des Tanztheaters - bei Pina Bausch etwa und vor allem bei Johann Kresnik - immer stark entwickeltes Bewusstsein für das Alter in der Kunst. In diesen Ensembles waren und blieben ältere Kräfte - im Gegensatz zum konventionellen Ballett - immer präsent.
Generell aber gilt: Das Theater sieht Alter und Altern nur nebenbei vor. Die großen Ausnahmen sind natürlich Shakespeares "Lear" oder die Claire Zachanassian im "Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt. Aber für eine ganze, in jeder Hinsicht gereifte Generation ist das nie genug - nicht für Männer und schon gar nicht für Frauen.
Zwar schließen derzeit so viele junge Schauspielerinnen und Schauspieler wie nie zuvor das Studium ab, und alle wollen spielen. Doch nicht jeder oder jede kann jedes Alter darstellen. Auch deshalb sind die ganz Alten eine nicht hoch genug zu schätzende Ressource im Schauspiel. Und wenn mal einer hochbetagt stirbt - wie gerade Peter Maertens in Hamburg - fehlt sofort eine "Stütze der Gesellschaft" im Ensemble. Das funktioniert eben nicht ohne die in Jahrzehnten gewachsenen Persönlichkeiten.
Was also tun? Ansätze zur Problemlösung gibt es: Frauen – auch ältere – können Männer-Rollen übernehmen. Zeitgenössische Autorinnen und Autoren schreiben Texte, die kein Alter mehr festschreiben. Dann spielen junge Hüpferinnen und Hüpfer problemlos neben den Altmeisterinnen und Altmeistern.