Sängeragenturen bilden die Schnittstelle. Oder das Nadelöhr, je nach Sichtweise. Wenn eine Sängerin oder ein Sänger eine Rolle an einem Opernhaus ergattern möchte, werden sie in der Regel von einer Agentur vorgeschlagen.
Agenturen treffen eine Vorauswahl
Die Agenturen treffen also eine Vorauswahl und bilden somit die erste Hürde für die Hochschulabsolventen. Manche Agenturen spezialisieren sich auf junge Talente, andere auf Stars mit großen Namen. Letztere haben es am leichtesten, denn ihre Aufgabe besteht vor allem darin, die zahlreichen Angebote für ihre Stars auszusortieren und abzulehnen - bis nur noch die attraktivsten und lukrativsten übrig bleiben. Alle anderen Künstleragenturen müssen Klinken putzen bei den Häusern, zu denen sie gute Verbindungen haben, in denen die Besetzungsbüros dem Sachverstand der betreffenden Agentur vertrauen.
Dann erst wird eine Sängerin zum Vorsingen ins Theater eingeladen. Im Idealfall hat sie dann im Theatersaal die Gelegenheit, eine oder mehrere Arien zu singen. Wenn es gut läuft, wird sie dann zu einer Arbeitsprobe eingeladen oder es beginnen gleich die Vertragsverhandlungen.
Sänger bleiben auf Kosten sitzen
Kosten für die Unterkunft während der Proben, Reisekosten, Provision für die Agentur - das sind Ausgaben, die meist der Künstler alleine tragen muss. Wer über die manchmal sehr hohen Abendgagen in der Oper staunt, sollte also die Kosten für den Sänger immer einrechnen - dann ist die Summe meistens nicht mehr sehr beeindruckend. Berufsanfänger können von den Gagen einer Anna Netrebko oder eines Jonas Kaufmann ohnehin nur träumen.
Glück hat hingegen, wer in einer bestimmten Rolle schon so etabliert ist, dass ein Dirigent oder eine Regisseurin aus künstlerischen Gründen auf diese Sängerin oder jenen Sänger für die Produktion besteht. Dann kann man sich die Vorsingprozedur sparen und die Verhandlungsposition ist für den Gast gleich viel besser.
Agenturen von Pleite bedroht
Das Zusammenspiel zwischen Theatern und Agenturen ist zurzeit massiv gefährdet, denn die Provision wird erst im Fall der Aufführung fällig. Da es seit März so gut wie keine Aufführungen gegeben hat, haben die Agenturen keine Einnahmen, obwohl ihre Arbeit teilweise bereits vor Jahren zum Vertragsabschluss geführt hat. Einige Agenturen stehen dadurch kurz vor der Pleite, vor allem große Agenturen haben ein mehr oder weniger großes Liquiditätsproblem. Das könnte zur Folge haben, dass zukünftig die Anzahl der Bewerbungen pro Agentur noch steigt.
Die letzte Entscheidungsgewalt über ein Engagement bleibt aber bei den Verantwortlichen der Opernhäuser. Und da gilt, was die Mezzosopranistin Marylin Horne schon vor Jahren sagte: "Es ist egal, wie gut deine Cornflakes sind, wenn sie zum Frühstück Reisflocken haben wollen."