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Endlich mal erklärt
Wie viel vergessenes Handwerk steckt im Theater?

Was tut ein Gewandmeister? Wofür ist ein Rüstmeister zuständig? Und was ist ein Kascheur? Das Theater hat in seiner zweieinhalb Jahrtausende alten Geschichte eine Vielzahl an Handwerksberufen hervorgebracht. Manche davon gibt es bis heute.

Von Michael Laages |
Andrea Broederbauer und Jan Sabo bei der Fotoprobe von William Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" am Volkstheater Wien.
Alte Handwerkskünste sorgen auf der Bühne für Illusionen (imago stock&people)
Kaum irgendwann und irgendwo sonst im Theater ist so deutlich zu spüren, dass die Bühnenkünste sich speisen aus zweieinhalbtausend Jahren Geschichte und verschiedensten, auch längst verschollenen Kulturen. Oft beschreiben Künstlerinnen und Künstler heute zentrale Menschheitsfragen bevorzugt in extrem alten, rätselhaften Geschichten: in der Antike von Griechen und Römern, in Sagen wie der "Edda". Und entscheidend sind dann immer auch die Bilder, mit denen die Aufführungen sehr alte und sehr fremde Welten entstehen lassen. Dafür werden Handwerkskünste gebraucht, die es oft nur noch im Theater gibt.
Natürlich gibt es auch Tischler und Schlosser, Maler und Tapezierer im Theater. Aber schon diese Meister allseits vertrauter Handwerksberufe haben im Theater (und erst recht in der Oper!) Aufgaben, die über die normale Berufsbeschreibung weit hinaus gehen.
Denn vieles auf der Bühne und in einem Bühnen-Bild ist Illusion, ist Täuschung und Trick. Vieles sieht natürlich nur aus "wie in echt" – sobald aber zum Beispiel ein Kronleuchter ins Spiel kommt, haben sich Kolleginnen und Kollegen im technischen Bereich an das fast vergessene Handwerk des "Gürtlers" erinnert. Der (oder die) ist zuständig für die dekorative Positionierung der vielen verschiedenen Lichtquellen im Lüster, der ja möglichst prunkvoll wirken soll.
Hier gibt es noch Schneider und Schuhmacher
Was macht die "Gewandmeisterei" am Theater? Schon das Wort verweist auf Geschichte: "Gewand" umfasst alle Formen von Kleidung; und so sind Gewandmeisterin und Gewandmeister vor allem all den Teams vorgesetzt, die Kostüme der unterschiedlichsten Arten kreieren. Viele in diesen Abteilungen haben Schneiderin und Schneider gelernt – während aber der Beruf an sich verloren zu gehen droht und von den großen Firmen hierzulande bis auf ganz wenige Ausnahmen nur die Änderungsschneidereien übrig geblieben sind, wird in den Schneidereien am Theater weiterhin immer noch der letzte und schönste Schrei kreiert: passend zur Rolle, passend zum Stück.
Ähnliches gilt für Schuhmacher – der Fachberuf wird sogar noch auf der offiziellen Berufs- und Ausbil-dungsseite vom Deutschen Bühnenverein geführt. Zwar ist eigentlich der Fundus samt Fundus-Verwaltung auch für Schuhwerk wie für viele wiederverwendbare Kostüme die wichtigste Fundgrube – aber selbst dann muss der Schuh dem speziellen Fuß von Schauspielerin und Schauspieler ja noch angepasst werden. Denn wer spielt schon gut unter Schmerzen?
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Requisiteure für Effekte zuständig
Den "Rüstmeister" aber gibt’s im Gegensatz zum Schneider oder Schuhmacher tatsächlich nur hinter der Bühne. In seiner Werkstatt wurden bei Bedarf auch Rüstungen hergestellt; falls etwa in Kleists "Hermannsschlacht" oder bei Goethes "Götz von Berlichingen" tatsächlich mal Ritter auftreten sollten. Der "Rüstmeister" am Theater ist auch für alle Metallkonstruktionen in Kostümen zuständig, etwa bei Reifröcken.
Viele Theater haben den "Rüstmeister" allerdings ausgemustert, genauso wie manchmal den "Kascheur" – in der Kaschierwerkstatt wurde die Standfestigkeit jeder Art von Bühnenkonstruktion gesichert. Viele strukturbedingt abgeschaffte Einzel-Jobs sind inzwischen bei Requisiteurinnen und Requisiteuren gelandet; sie sind mittlerweile vielleicht die wichtigsten Kräfte im Hause. Sie suchen und sammeln nicht nur Dekorations-Details, sie garantieren auch grandiose Effekte – zum Beispiel mit Nebel, der akkurat in der richtigen Höhe schwebt.
Tatsächlich bilden viele Theater noch Nachwuchskräfte aus. Viele studieren aber auch auf den Abschluss als "Fachkraft im Veranstaltungswesen" – dieser Beruf ist im Theater vielseitig verwendbar. Aber von einigen Bühnen kamen auch schon dringende Hilferufe: Zu wenige junge Leute hätten noch Lust auf die Handwerksarbeiten am Theater. Kollege Computer kann halt wirklich nicht alles. Kreativer als "draußen" ist Handwerk im Theater allemal.
Matrosen heuern am Theater an
Stets waren an Bühnenhäusern schräge Karrieren möglich – wie die vom jungen Elektriker, der keine Lust auf diesen Job hatte, zur See ging, Matrose war und Steuermann wurde - und es nach dem Abheuern am Hamburger Schauspielhaus zum Chef der Beleuchtungsabteilung brachte. Für die sogenannten "Schnürböden", in denen ehedem an Seilen ganze Kulissenteile in die Höhe gezogen werden konnten, waren ehemalige Matrosen sehr beliebt, weil sie sich auskannten mit den Wanten im Schiff.
Generell ist die Bühne auch der richtige Ort für ungelernte, aber interessierte Kräfte – "Bühnenarbeiter" sind zwar "nur" (!) fürs Ziehen und Schieben, Heben und Setzen schwerer Dinge zuständig; oft aber sind sie der verlässlichste, engagierteste Haufen überhaupt im Hause. Im Theater bilden Bühnenarbeiter oft ihre eigene Welt – nicht umsonst waren zu DDR-Zeiten viele unanpassbare Zeitgenossen Bühnenarbeiter, und auch heute sind Querköpfe und Sonderlinge im Theater immer gut aufgehoben.
Das Theater – das wird besonders an den Menschen deutlich, die in all den sonderbaren, fast vergessenen Berufen arbeiten - ist ein ziemlich einzigartiges Soziotop.