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Endlich mal erklärt
Wo ist das Männerunterhemdenkino geblieben?

Das Männerunterhemd ist eine proletarische Insignie. Im Kino gerne getragen von Actionhelden wie Sylvester Stallone oder Bruce Willis. Doch die Zeiten dieses knappen Kleidungsstücks sind zumindest auf der Leinwand offenbar vorbei. Der heutige Actionheld trägt lieber ein Designerhemd.

Von Katja Nicodemus |
Der US-amerikanische Schauspieler Sylvester Stallone als knallharter Kämpfer in "Rambo III".
Das knapp sitzende Unterhemd trug Sylvester Stallone sogar im Dschungel. (picture alliance/dpa)
Die beiden prominentesten Kino-Darsteller, die auf der Leinwand Männerunterhemden getragen haben – "und das auf sehr emblematische Weise" – waren Sylvestern Stallone und Bruce Willis.
Stallone in "Rambo" aus dem Jahr 1982 und Bruce Willis in "Stirb langsam". Zwei Einzelkämpfer in Action-Missionen, und beide Male spielt das Unterhemd eine maßgebliche Rolle: Stallone trägt es in "Rambo" sogar im Dschungel "wie den Panzer der Außenseiter oder des Outlaws": "Das Unterhemd krampft sich da unter seinen grotesk trainierten Brustmuskeln". Bei Willis, so Nicodemus, ist das Unterhemd "eher ein Accessoire geworden". Im Verlauf des Films wird es dann immer schmutziger, bis es sogar zerfetzt wird. "Wirklich ein Fetzchen von einem Unterhemd". An dieser Stelle sei dann auch die Ironisierung eingetreten: "Es geht hier wirklich um die Herausstellung übertrainierter Körper, um wandelnde Fantasmen des Physischen".
Muskulös, dafür dialogisch-knapper Minimalpragmatismus
Arnold Schwarzenegger habe in Filmen wie "Conan der Barbar" oder in "Predator" Anfang der 1980er Jahre einen beachtlichen Brustumfang von 1,45 Meter. Dafür seien die Sprüche der muskulösen Helden in dieser Zeit umso knapper, sagt Nicodemus. Es herrsche ein "dialogischer Minimalpragmatismus". Schwarzenegger und Stallone waren die Superstars dieses Kinos, aber es gab auch sogenannte B-Helden wie der Belgier Jean-Claude Van Damme oder der Schwede Dolph Lundgren, die sich jeweils "sehr ernst genommen" hätten.
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Für diesen Heldentypus habe es Anfang der 1980er Jahre "eine Art Vakuum" gegeben, also zwischen den "selbstreflexiven 70ern" mit ihren ganz anderen Männerfiguren, die nicht physisch waren und den Filmen, in denen dann die Computer-Effekte einsetzten. In den ironisierenden 1990er Jahren habe die "rührend-ernste Körperlichkeit" dann "nicht mehr funktioniert": "Da war eben kein Platz mehr für diesen schönen machistischen skulpturalen Männerquatsch".
Körperkino als historisches Phänomen
Später tauchte das Männerunterhemd dann an Frauenkörpern wieder auf, Angelina Jolie etwa trägt ein schwarzes Exemplar in "Laura Croft". Und im letzten "Terminator-Film "Dark Fate" sieht man Grace, ein weiblicher "Halb-Roboter", im weißen Unterhemd, das im Laufe des Films dann immer schmutziger wird.
Dieses "Körperkino", so Nicodemus, sei als historisches Phänomen zu betrachten und sei mit dem Aufkommen der digitalen Effekte in den Hintergrund getreten: "Man brauchte einfach nicht mehr die schwere Physis dieser Männerkörper". Heutige Action-Stars wie Jean-Claude Van Johnson würden "wie digitale Designs in Szene gesetzt", noch dazu im Designerhemd. "Da wird nicht mehr das Unterhemd getragen und schon gar nicht reingeschwitzt."