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Energie aus der Tiefe

Technik. - Erdöl wird stetig knapper und teurer, Windmühlen verärgern Steuerzahler und Anwohner und Atomkraft erscheint vielen als unkalkulierbares Risiko. Diese Nachteile vermeidet eine alternative Energiequelle, der sich Wissenschaftler jetzt wieder stärker zuwenden: die Geothermie. Ingenieure und Geologen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule gaben am Montag den Startschuss für eine Tiefenbohrung, die Erdwärme ans Tageslicht fördern soll.

    In bequemer Nähe zum Hauptgebäude der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen geht es derzeit zu wie auf einem texanischen Ölfeld. Denn dort ragt ein Bohrturm 34 Meter in Höhe und wartete bislang auf den Startschuss zu seinem Einsatz. Am Montag schließlich war es dann so weit. "Sie sehen hier, wie das das Schutzrohr wieder um eine Einheit gezogen wird. Das obere Schutzrohr wird jetzt entschraubt und beiseite gelegt. Dann wird die nächste Einheit zementiert und gewartet, bis der Zement erhärtet ist", schildert Stefan Lundershausen, technischer Leiter des Vorhabens. Bis in 2500 Meter Tiefe wollen die Maulwürfe der RWTH in den Grund drillen und einen stabilen Betonkanal anlegen, in dem die eigentliche Leitung - ein Stahlrohr - ruht. "Das muss sein, einerseits damit kein Grundwasser an dieser Bohrung von einem oberen in ein unteres Stockwerk oder umgekehrt vorbeiströmen kann. Außerdem brauchen wir diese Verbindung aus geothermischen Gründen, damit die Sonde überhaupt funktioniert."

    Die "Sonde" bildet den Schlüssel zur Nutzung der Erdwärme. Denn in zweieinhalb Kilometern Tiefe herrschen mit 85 Grad Celsius Temperaturen wie in einer Sauna. Um an diese Energie zu gelangen, wird kaltes Wasser über den 20 Zentimeter durchmessenden Kanal in die Tiefe gepresst, erwärmt sich an der Spitze der Sonde und wird anschließend über das im Kanal liegende, so genannte Steigrohr wieder an die Oberfläche gepumpt. Der gesamte Kreislauf ist hermetisch geschlossen - eine Verunreinigung oder das versehentliche Anzapfen einer der kostbaren Aachener Thermalquellen sei ausgeschlossen, versichert der Ingenieur. "Das System, das wir hier installieren, ist kein Brunnen. Das Wasser bewegt sich nach unten im äußeren Ring dieser Sonde, nimmt Wärme aus dem Gebirge auf und kommt als warmes Wasser wieder raus." Den beachtlichen Aufwand betreiben die Aachener Forscher indes nicht, weil ihnen kalt wäre und damit alleine das neue Studentenzentrum im Winter beheizt und im Sommer klimatisiert werden soll, das über dem Bohrloch entstehen wird. Vielmehr soll das Vorhaben die technische und wirtschaftliche Machbarkeit belegen.

    Mit einer gewonnenen Leistung von 450 Kilowatt könnte das System 200 Einfamilienhäuser mit Wärme versorgen. Gegenüber anderen geothermischen Anlagen besitze die Erdwärmesonde zudem deutliche Vorteile, erklärt Christoph Herzog vom Institut für Markscheidewesen der RWTH Aachen und Leiter des Projektes: "Die tiefe Erdwärmesonde ist wesentlich preisgünstiger als Ansätze, die über zwei Bohrungen entweder Wasser aus der Tiefe entnehmen und wieder injizierten oder mit dem so genannten Hot-Dry-Rock-Verfahren Wasser in das heiße Gestein eingepresst wird. Wir versprechen uns davon, dass es die Geothermie weiterbringen wird." Bislang waren alle Erdwärmekraftwerke daran gescheitert, dass sie nicht rentabel errichtet und betrieben werden konnten. Um zu prüfen, ob und wie dies dennoch möglich ist, fördert die Europäische Union das Vorhaben mit drei Millionen Euro. Profitieren werden davon auch die Kollegen von der geologischen Abteilung, denn sie erhalten so einen exklusiven Einblick in den Aachener Untergrund. Ab 2007, so die Planungen, soll das Studentenzentrum fertig sein und durch die Energie aus der Erde gespeist werden.

    [Quelle: Sascha Ott]