Von der Anlegestelle aus türmen sich Spundwände, sie stemmen sich Verteidigungsanlagen gleich gegen die Wellen. Das Hubtor überspannt die Einfahrt zum Hafenbecken - ein Burghof, der unter Wasser steht. Balasus-Lange:
"Wir brauchen hier einfach Platz. Wir sind sehr beengt auf der Insel. Sie sehen das selber: Es ist alles vollgebaut, wir können nur noch in die Höhe bauen. Und auch da ist irgendwann einmal die Höhe erreicht."
Das Ölfeld Mittelplate ist die einzige wirtschaftlich bedeutende Lagerstätte in Deutschland. Seit 1987 wird hier Erdöl gefördert. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie lange die Vorräte noch reichen.
Die Bohrinsel Mittelplate - die letzte Bastion der deutschen Erdölindustrie? In Richtung Osten fällt der Blick auf den Horizont, auf die nahe gelegene Küste Schleswig-Holsteins. Dort in Reih und Glied aufgepflanzt: Eine ganze Armee von Windrädern, die sich bis ans Wasser drängen. Schlank, elegant, anpassungsfähig. Eine Energiequelle, die nie versiegt. Bereit, das Ende einer Ära einzuläuten - der Ära von Gas und Öl.
Aber noch ist es lange nicht so weit.
Im Jahr 2005 lag der Anteil der erneuerbaren Energien gerade einmal bei knapp 7 Prozent. In einer Broschüre des Bundesumweltministeriums heißt es zwar, dass bis 2050 mindestens die Hälfte des deutschen Primärenergieverbrauchs aus regenerativen Quellen stammen soll. Aber das heißt auch: Innerhalb der nächsten vierzig Jahre muss der Großteil der Energie nach wie vor aus fossilen Vorkommen gedeckt werden.
In den kommenden Jahren werden immer mehr konventionelle Kraftwerke vom Netz gehen - einfach weil sie zu alt sind. Der deutsche Kraftwerkspark muss umfassend erneuert werden. Das ist die Chance, die Übergangszeit möglichst schonend zu gestalten. Denn eines ist klar: Die Giganten der Stromerzeugung müssen auf neue Techniken setzen - um den Klimaeffekt möglichst gering zu halten und die politischen Abhängigkeiten.
Auf der Förderinsel Mittelplate haben sich zwei Firmen zusammengeschlossen: RWE Dea und die BASF-Tochter Wintershall bilden zusammen das Mittelplate-Konsortium. Gemeinsam fördern sie Erdöl, das in Schichten aus porösem Sandstein lagert. In einer Tiefe von ungefähr 3-tausend Metern. Die Bohrinsel wurde auf einem massiven Fundament rund sieben Kilometer vor der Küste Dithmarschens errichtet. Damit befindet sie sich genau im Nationalpark "Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer". Nicht allein wegen dieser exponierten Lage mussten sich die Geologen und Ingenieure immer wieder ungewöhnliche Techniken einfallen lassen. Sondern auch, um nicht in kürzester Zeit auf dem Trockenen zu sitzen, was das Erdöl angeht. Jüngstes Beispiel: Die 10-tausend-PS Bohranlage T-150, die zu den größten und modernsten in ganz Europa gehört. Diplom-Ingenieur Ferdinand Pristouschek. Er ist Leiter des Bohrbetriebes Mittelplate:
"Der Bohrturm ist dafür gebaut worden, dass wir Gebiete erreichen, die wir mit der alten Bohranlage nicht erreichen konnten. Weil diese Bohranlage wesentlich stärker ist als es die alte Bohranlage war. Die alte Bohranlage konnte nur in einem Kreis von zwei Kilometern um die Insel hin bohren. Und diese Bohranlage hier in einem Kreis von sechs Kilometern bis acht Kilometer. Und dafür ist sie gebaut worden."
Die Zeiten, in denen man in der Erdölindustrie bloß gerade aus nach unten gebohrt hat, sind vorbei. Von Mittelplate aus reichen neunzehn Förderleitungen in den Untergrund. Wie die Wurzeln eines Baumes strecken sie sich in alle Richtungen. Richtbohren nennen die Fachleute diese Technik. Der Bohrmeisel wird dabei in Kurven durch das Gestein gelenkt, um so viel wie möglich aus einer Lagerstätte herauszuholen - und das nur von einer einzigen Plattform aus, die nicht gerade viel Platz bietet.
"Also die gesamte Fläche ist zirka vierzig Meter breit, 40 Meter lang. Und Sie sehen hier, wo diese Bleche sind, darunter sind die Keller und die Bohrungen."
An diesem Frühsommertag weht ein kräftiger Wind über die Insel. Auf den Stahltreppen, welche die verschiedenen Ebenen der Plattform miteinander verbinden, ist man ihm schutzlos ausgesetzt. - Oberhalb der Bohrkeller lagert das Bohrgestänge, eisernen Baumstämmen gleich: Stabilisatoren, Motoren und MWD-Messgeräte. Ohne sie ist Richtbohren nicht möglich.
Pristouschek:
"Mit denen können Sie die Neigung des Bohrloches messen: Wie stark es geneigt ist und wohin es zeigt. Nach Norden, Süden, Osten oder Westen. Wie ein Kompass. Das funktioniert mit Trägheitsaufnehmern. Das ist absolute Hightech. Und wenn so ein Motor oder MWD im Bohrloch verbleibt, dann ist das ein Schaden von 500.000 Euro zum Beispiel."
Für das Mittelplate-Feld wurde die Kunst des Richtbohrens auf die Spitze getrieben. Denn das Reservoir wird nicht nur von der künstlichen Insel im Wattenmeer aus erschlossen. Auch an Land, in Dieksand, steht eine Bohranlage, Kilometer weit weg vom Öl. Die extrem abgelenkten Bohrungen verlaufen von dort zunächst nach unten, knicken ab, durchstechen einen Salzstock und zapfen dann endlich das Erdöl an. Bis zu neun Kilometer sind sie lang. Mit der neuen Bohranlage sollen solche Strecken auch von Mittelplate aus möglich werden.
Pristouschek:
"Und das ist das Maßgeschneiderte. Es gibt keine Bohranlage, die man von der Stange kauft wie einen BMW. Das wird immer speziell gebaut dafür."
Das Richtbohren könnte überall auf der Welt neue Vorkommen erschließen. Unter anderem solche, die unter Städten liegen oder - wie im Fall von Mittelplate - unter Schutzgebieten. Hier im Wattenmeer wird die fortschrittliche Bohrtechnik die Produktion noch über Jahre hinweg sichern. Für Uwe Balasus-Lange, den stellvertretenden Leiter des Förderbetriebs Holstein bei RWE Dea, sind 20 Jahre ein realistischer Zeitraum.
"Die in der Lagerstätte vorhandenen Volumina sind auf jeden Fall ausreichend, um hier noch den Zeitraum Öl produzieren zu können. Wir werden eine peak production, also den Höhepunkt der Produktion in den nächsten zwei, drei Jahren erreichen. Wir werden dann versuchen, ein Plateau zu halten. Aber das liegt in der Natur der Sache, dass die Förderung dann im Laufe der Jahre abfällt."
Was der Diplom-Ingenieur da beschreibt, ist die typische Ausbeute einer natürlichen Erdölquelle. Man kann sie mit einer Glockenkurve beschreiben: Zu Beginn, wenn die Quelle gerade eben erschlossen worden ist, wird noch wenig Öl gefördert. Es kommen weitere Bohrungen hinzu, die Fördermenge steigt an. Zuerst nur allmählich, dann immer steiler. Aber je mehr Öl aus der Lagerstätte fließt, desto schwächer wird der Druck der Quelle. Immer mehr Wasser wird aus dem Gestein nach oben gepumpt, immer weniger Erdöl. Die Fördermenge erreicht ihr Maximum, den Gipfel des Berges, den Peak. Von dort aus geht es wieder abwärts, in Richtung Tal.
Viele Experten glauben, dass es mit den Gesamtvorräten weltweit auch nicht anders aussieht. Irgendwann werden die Fördermengen zurück gehen. Und dann wird der Rohstoff nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stehen - mit Folgen für die Wirtschaft, so Dr. Johannes Peter Gerling, von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.
"Das bedeutet zumindest, dass für den Augenblick, wenn ich diesen Peak überschreite, dass dann natürlich Angebot und Nachfrage kurzfristig zumindest nicht zusammenpassen. Und das bedeutet, dass dann der Preis noch einmal explodieren wird - in welcher Form, kann keiner genau vorhersagen. Es wird sicherlich zu heftigen Schwankungen oder Auswüchsen zu höheren Preisen kommen. Aber natürlich reagiert der Markt, das heißt die Nachfrage wird einbrechen. Und das bedeutet andersrum, dass der Preis sich wieder beruhigt. Wir werden am Ende aber sicherlich auf einem Niveau landen, das höher ist als der Preis, den wir jetzt vor diesem Ausschlag gehabt haben."
Und steigende Preise für den Rohstoff sorgen auch wieder für neuen Nachschub. Denn dann lohnen sich beispielsweise Abbau- und Transporttechniken, die heutzutage noch nicht wirtschaftlich sind. Neue Quellen können erschlossen werden, die im Moment noch nicht lukrativ erscheinen.
Das ist auch ein Grund dafür, warum die von der Industrie gerne zitierte Erdölkonstante tatsächlich konstant ist. Sie besagt, dass die Reichweite von Öl mehr oder weniger vierzig Jahre beträgt - und das nun schon seit Jahrzehnten. In diese Berechnung gehen nämlich immer nur die sicher bekannten Reserven ein, die sich wirtschaftlich ausbeuten lassen. Und wenn sich die Techniken für Suche, Erschließung und Förderung weiter entwickeln, dann gibt es hier immer wieder Nachschub. Aber auch der Aufwand und die Kosten für die Industrie steigen. Und die werden bei dieser Rechnung natürlich nicht beachtet.
"Es führt ja zu der missverständlichen Situation, dass die Leute, die dann hören ‚42 Jahre' beispielsweise ist die Reichweite sozusagen oder ist die Reichweite im Augenblick, dann glauben ja einerseits die Leute: für 42 Jahre müssen wir uns keine Sorgen machen - ist falsch. Und auf der anderen Seite glauben dann andere Leute: Nach 42 Jahren haben wir überhaupt kein Öl mehr zur Verfügung. Beides ist falsch in der Form, weil eben diese Betrachtung ‚42 Jahre' im Prinzip aussagt, dass sowohl die Reserven sich nicht verändern als auch dass der Verbrauch sich nicht verändert. Und natürlich sind beide Größen gewissen Fluktuationen in Richtung nach oben oder nach unten unterworfen."
Um die so genannten "statischen Reichweiten" zu berechnen, geht man nämlich nicht nur von den momentan bekannten Reserven aus. Man tut auch so, als würde der Verbrauch sich nicht ändern. Mit Zahlen, die nur für heute gelten, wirft man einen Blick Jahrzehnte weit in die Zukunft. Dabei sind die statischen Reichweiten nur eine Momentaufnahme in einem dynamischen Prozess.
Wie lange uns aber tatsächlich noch billiges Öl noch zur Verfügung steht, darüber gehen die Meinungen der Fachleute auseinander. Die BGR, die die weltweite Rohstoffsituation für die deutsche Regierung beobachtet, geht davon aus, dass der Förderpeak in zehn bis fünfzehn Jahren überschritten sein wird. Die Industrie sieht das etwas rosiger und glaubt, dass noch einige Jahrzehnte lang Erdöl uneingeschränkt zu Verfügung steht. Und dann gibt es da noch die kritischen Experten, wie zum Beispiel den englischen Erdölgeologen Colin Campbell. Er behauptet, dass wir uns im Moment schon kurz vor dem Maximum des Peaks befinden.
Zurück auf der Bohrinsel im deutschen Wattenmeer, auf der neuen Förderanlage. Der Rig floor, die Arbeitsbühne, ist jener Ort, von wo das Bohrgestänge abgesenkt wird. Die T-150 arbeitet mit einem Top Drive Antrieb. Der Antrieb sitzt oben auf dem Bohrturm und dreht von dort das Gestänge mit dem Meisel. Der Metallfußboden des Drehtisches zittert unter den Füßen. Es ist, als stünde man auf dem Körper eines riesenhaften, urzeitlichen Tieres. Ferdinand Pristouschek:
"Das ist einer der größten Bohrtürme Europas überhaupt, wenn Sie an die Fläche denken. Wie ich zum ersten mal hier herauf gegangen bin, obwohl ich dabei war, das zu planen: Ich hab' einige Minuten gebraucht, um den Mund wieder zu zu bekommen. Das ist irre, das ist riesig groß die Fläche."
Über der Arbeitsbühne schwebt eine riesige Metallklaue. Sie sieht aus wie das Fangwerkzeug jenes Urzeitwesens, an das man sich hier erinnert fühlt.
"Das ist der Iron Ruffneck [Roughneck]. So heißt diese Maschine. Das ist der eiserne Bohrarbeiter. Das ist eine Verschraubmaschine, mit der man Bohrgestänge aneinander schrauben kann - Sie sehen die Rollen oben und unten und auch die Greifbacken - das Bohrgestänge auseinander schrauben kann und auch wieder verschrauben kann. Früher haben das die Leute mit Zangen gemacht, händisch. Und jetzt macht's die Maschine. Deshalb heißt das Iron Ruffneck."
Seitlich von der Bühne, in einer geschlossenen Fahrerkabine, sitzt der Schichtführer Gernot Fiedler und schaut auf die Instrumententafel vor sich.
"Wir fahren jetzt hoch. Wir haben Probleme mit einer Spülpumpe. Und da können wir nicht weiterbohren. Da muss ich den Bohrstrang jetzt so lange bewegen, damit wir nicht fest werden im Bohrloch. Und darum fahr ich jetzt rauf und runter, muss natürlich meine Hakenlast im Auge behalten. Nicht dass ich den Strang irgendwie festsiebe."
Ist die Bohrung erst einmal nach unten gebracht, kann das Öl fließen. Lässt der Druck der Quelle nach, muss man von oben nachhelfen.
"Und dann wird Wasser aus der Lagerstätte oder auch verbunden mit Süßwasser, mit Brunnenwasser, in die Lagerstätte wieder hineingepresst, um den Lagerstättendruck hochzuhalten beziehungsweise auch Öl, was so durch diesen primären Entölungsprozess noch nicht zum Bohrloch gelangt ist, praktisch dahin zu drücken."
Dr. Curt-Albert Schwietzer. Er ist Abteilungsleiter Lagerstättenentwicklung Öl bei der RWE Dea AG. Aber es gibt noch mehr Tricks, um das Öl in den Poren leichter strömen zu lassen. So kann man beispielsweise das Reservoir mit heißem Wasserdampf fluten. Oder mit Tensiden, die das Öl verdünnen. Bestimmte Verdickungsmittel auf Polymerbasis hingegen halten das Wasser im Gestein zurück.
"In den Achtziger Jahren wurde das schon einmal untersucht. Unsere Firma hat ja schon große Erfahrungen in diesem so genannten Polymerfluten im Feld Hankensbüttel und auf Hohne gehabt. Und wir wollten auch schon ursprünglich das übernehmen auch auf Feld Mittelplate, da gab es lange Versuchsreihen. Aber zu dem Zeitpunkt, das war Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre, ist der Ölpreis wieder zusammengebrochen, so dass sich diese Verfahren nicht gerechnet haben. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass die wieder eines Tages aufleben werden."
Extrem weit abgelenkte Bohrungen, Heißdampf- oder Polymerfluten. Der Experte für Energierohstoffe der BGR, Johannes Peter Gerling, ist skeptisch, ob sich damit die Verfügbarkeit von Öl deutlich verlängern lässt.
"Diese Verfahren sind ja längst im Markt und werden ja da, wo es nötig ist, von vielen Firmen schon eingesetzt. Also das wird uns helfen, punktuell an einzelnen Lagerstätten sicherlich die Ausbeuten zu erhöhen. Aber es wird nicht dazu führen, dass die Gesamtweltbilanz dadurch maßgeblich verändert wird."
Ähnlich umstritten ist die Bedeutung, die nichtkonventionelle Quellen von Öl und Gas haben. Nichtkonventionelle Quellen für Erdöl sind beispielsweise Schwerstöle in Venezuela und Ölsande in Kanada, also Sand und Tonmineralien, die mit Bitumen vermengt sind. Bitumen ist ein festes Gemisch von Kohlenwasserstoffen, das normalerweise für den Straßenbau verwendet wird. Es ist schwer zu verarbeiten, und der Abbau kann Umweltprobleme mit sich bringen. Entsprechend teuer ist natürlich der Abbau. Die riesigen Mengen an Ölsanden und Schwerstölen entsprechen zwar in etwa den Vorkommen des konventionellen Erdöls.
"Aber es wird nicht dazu führen nach unserer Einschätzung der Situation, dass aus diesen Quellen sozusagen der Peak Oil jetzt um deutliche Längen nach hinten verschoben wird. Oder dass die Fördermenge sozusagen auch noch massiv erhöht werden könnte weltweit. Wir erwarten, dass diese Mengen, einfach weil sie langsamer in den Markt kommen als konventionelles Öl, dass diese Mengen nur dazu geeignet sind, den abfallenden Ast der Förderkurve zu lindern und damit für uns den Übergang in die Phase nach dem Peak Oil -, um diesen Übergang sozusagen etwas milder zu gestalten."
Anders als das Öl wird Erdgas wohl noch etwas länger zur Verfügung stehen. Aber nicht nur deshalb ist in den letzten Jahren ein Trend hin zum Energieträger Gas zu verzeichnen. Im Vergleich zu Kohle und Öl verbrennt das Methangas wesentlich sauberer. Es entstehen weniger Ruß und Stickoxide. Außerdem setzt Erdgas, gemessen an der Energieausbeute, die es liefert, weniger Kohlendioxid frei.
Trotzdem schauen sich die Experten auch beim Gas schon heutzutage nach nichtkonventionellen Quellen um. Das ist beispielsweise das Methaneis auf dem Grund des Ozeans. Oder "Tight Gas" in dichten Speichergesteinen. Oder Flözgas, so genanntes CBM-Gas.
"CBM steht für coal bed methane. Das ist ein Gas, was in der Kohlelagerstätte vorhanden ist, und zwar in Kohlelagerstätten, die noch nicht vom bergmännischen Abbau betroffen sind."
Prof. Axel Preuße vom Institut für Markscheidewesen der RWTH Aachen. Zusammen mit dem Geologischen Institut untersucht er Kohleflöze im nördlichen Münsterland auf ihr Potential als Erdgasquelle. Das Methan hat sich zusammen mit der Steinkohle aus fossilen Pflanzen gebildet. In einem Jahrmillionen lang dauernden Prozess. Weil das Gas das Gestein nicht ohne weiteres durchdringen kann, ist es seitdem in der Kohle hängen geblieben. Jetzt soll es durch Bohrungen erschlossen werden. Eine Machbarkeitsstudie soll zunächst klären, ob sich eine Förderung lohnt.
"Wir brauchen zunächst mal jede Menge Kohle, also mächtige Kohleflöze mit entsprechend hohen Gasgehalten. Und im optimalen Fall noch unter der Voraussetzung, dass die hohe Durchlässigkeiten, so genannte Permeabilitäten aufweisen."
Meist dringt so wenig Gas aus der Kohle zum Bohrloch, dass das Gestein zusätzlich aufgebrochen werden muss. Hydraulische Rissbildung heißt das, oder englisch: hydraulic fracturing. Dabei wird ein Bohrloch auf der Höhe eines Kohleflözes mit perforierten Rohren ausgekleidet. Mit hohem Druck, 300 bis 400 bar, werden dann Spalten ins Gestein getrieben.
"Dann wird in die Verrohrung eine mit Sanden beladene Flüssigkeit eingelassen. In der Regel Wasser. Dieses Wasser wird dann bei diesen hohen Drücken in die Spalten eingelassen, nimmt den Sand mit, die Sande halten die Spalte offen, die etwa einige Millimeter bis Zentimeter stark sind normalerweise nur. Und dann wird, wenn man das Wasser wieder absaugt, werden die Spalten durch den Sand offen gehalten."
Bereits Mitte der Neunziger Jahre hatte ein internationales Konsortium versucht, das Flözgas zu erschließen und zu fördern. Das Projekt wurde aber eingestellt. Unter anderem, weil die Technik damals noch nicht reif war für die Tiefen, in denen die Kohle lagert. Eintausend Meter dick ist das Deckgebirge, das über den Flözen lagert. Von dort aus finden sich Lagerstätten noch einmal 3-tausend Meter tiefer. Und wieder zeigt sich, dass neue Techniken den Energiepreisen auf dem Fuß folgen. Prof. Peter Kukla vom Geologischen Institut der RWTH Aachen:
"Ja, wie Sie wissen, sind die Rahmenbedingungen heute anders als noch vor fünf plus Jahren. Wir haben einen Öl- und Gaspreis, der extrem gestiegen ist. Von - in einer Zeit, in der die Vorstudien, die es zu diesem ähnlichen Projekt gegeben hat - ein Ölpreis von zehn Dollar pro Barrel, heute siebzig Dollar pro Barrel. Und können davon ausgehen, dass bei dieser Art von Preisen die Konstellation für produziertes Gas in vernünftigen Mengen - auch das wäre ein Versuch, noch herauszufinden - im Münsterland gut sind."
Wie groß diese "vernünftigen Mengen" sein werden, darüber kann Peter Kukla aber bislang nur spekulieren.
"Auch jetzt können wir zum augenblicklichen Stand der Studie nicht abschätzen, wie weit eine CBM-Gasförderung in Prozentsatz beisteuern könnte zu dem, was wir in Deutschland produzieren. Aber ich könnte mir schon vorstellen: Selbst wenn Sie ein, zwei, drei Prozent an zusätzlichen Importen aus dem Ausland einsparen könnten, ist das als heimische Ressource natürlich interessant."
Aber auch weltweit gewinnt das Flözgas immer mehr an Bedeutung. Nach den USA besitzt Australien die kommerziell am besten entwickelte CBM-Industrie. Und auch China mit seinen riesigen Kohlevorkommen zeigt immer mehr Interesse am Flözgas.
Auf Mittelplate hat mittlerweile der Regen eingesetzt. Das Wasser tropft von den Rohrleitungen, von den Metalltreppen und den Geländern. Im Winter kann so ein Regen vor der Küste schon sehr unangenehm sein. Uwe Balasus-Lange:
"(Aber das ist hier schon ein sehr hartes - ,) das ist sehr kalt, eisig kalt, so dass die Männer auch zwischendurch die Möglichkeit haben, sich im dog house, so heißt das, also Hundehütte, auch Schweinebox genannt, sich aufzuwärmen, mal ne Zigarette zu rauchen, heißen Kaffee zu trinken, Tee zu trinken. Dazu laufen sie dann die Anlage runter und gehen unter dem Modul durch am Rand vom living quarter. Da können sie sich dann aufwärmen."
Je härter das Klima, desto aufwändiger ist natürlich auch das Arbeiten unter solchen Bedingungen.
Balasus-Lange:
"Also Sie sehen ja: Oben der Rig Floor, die Arbeitsbühne, ist zumindest windgeschützt, weil man sie rundum schließen kann. Regen, Schnee, Eis ist immer ein Problem. Ab einer gewissen Windstärke darf auch die Bohranlage nicht mehr betrieben werden. Das ist auch eine Auflage der Bergbehörde unter anderem."
An raues und unwirtliches Wetter wird sich die Öl- und Gasindustrie in Zukunft gewöhnen müssen. Denn die meisten Vorkommen, die sich leicht erschließen lassen, sind bereits entdeckt. Experten prognostizieren allerdings, dass größere Ressourcen der Kohlenwasserstoffe noch in den arktischen Regionen lagern.
Neue oder bessere Techniken und ein steigender Rohstoffpreis lassen die Förderung auch in nördlichen Breiten rentabel erscheinen.
Für den Transport von Erdgas aus entlegenen Gebieten erlebt gerade eine altbekannte Technik ihre Rückkehr: Die Verflüssigung von Methangas, kurz: LNG. Vor der Küste von Nordnorwegen, in der Barentssee, entsteht gerade die nördlichste LNG-Anlage der Welt. Die erste größere in Europa. Der Statoil-Konzern will Ende 2007 mit der kommerziellen Produktion beginnen. Stefan Metz von der Linde AG aus Wiesbaden, die das Kernstück der Anlage konzipiert hat.
"Ja, im Prinzip handelt es sich dabei um - einfach ausgedrückt - um den größten Kühlschrank der Welt. Das heißt, das Prinzip ist das gleiche, dass also ein Kühlmittelkreislauf zirkuliert. Und dann wird das noch gasförmige Erdgas eben in mehreren Durchläufen durch diesen Kühlprozess hindurchgeschleust, bis es eben diese Temperatur von minus 162 Grad erreicht, wo Erdgas flüssig wird, und erst dann verflüssigt es sich."
Das flüssige Methan aus dem LNG-Prozess nimmt nur noch ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens ein. Und kann dann mit Spezialschiffen in die ganze Welt transportiert werden - vollkommen unabhängig von Pipeline-Netzen. Ab einem Transportweg von 3-tausend Kilometern ist das LNG-Verfahren ohnehin wirtschaftlicher. Aber so nahe am Polarkreis eine Anlage zu errichten, das war schon eine besondere Herausforderung.
"Sie haben extreme Temperaturen, einen sehr starken Wind. Das heißt: Schon alleine die Montage, die körperliche Arbeit an und für sich gestaltet sich sehr anstrengend dort. Und Sie haben extrem weite Transportwege für alle Arten von Baumaterial und Nachschub sozusagen. Denn Hammerfest erreicht man am besten per Schiff. Und Sie können sich vorstellen, dass das mit sehr viel Aufwand verbunden ist."
Daher entschloss man sich für ein ungewöhnliches Baukonzept: Die Prozessanlagen wurden auf einer schwimmenden Plattform errichtet, auf einer so genannten "Barge". Und zwar nicht vor der norwegischen Küste, sondern in einer Werft im Süden Spaniens. Die Plattform ist so groß wie ein Fußballfeld; sie trägt ein mehrstöckiges Stahlgerüst mit Pumpen, Gasturbinen, Wärmetauschern und Kompressoren. Dieses Monstrum wurde dann über den Seeweg nach Norwegen geschleppt, dort auf ein Betonfundament abgesenkt und in die LNG-Anlage eingebaut.
"Die Befestigung an Bord war natürlich ein größerer Akt für sich. Und man war also schon auf gutes Wetter angewiesen. Man hätte also bei hoher See dann also den rettenden Hafen anlaufen müssen, weil das wie gesagt schon ein Schwertransport hoch drei war, was da vor sich gegangen ist."
Die LNG-Technik kann dabei helfen, neue Erdgasquellen zu erschließen. Und sie kann bisherige geopolitische Abhängigkeiten verringern, wie die Europas von Russland etwa. Denn wenn ein Staat seinen Bedarf mit Hilfe der Gastanker über den Seeweg decken kann, muss er nicht mehr am Tropf - sprich: an der Gaspipeline - eines anderen Landes hängen.
Allerdings: Dass irgendwann einmal der Brennstoff zur Neige geht, kann auch die LNG-Technik nicht verhindern. Umso wichtiger wird es, Öl und Gas möglichst effektiv in Strom umzuwandeln. Kraftwerke, die mit Gasturbinen arbeiten, können besonders schnell angefahren werden. Sie dienen oft dazu, Spitzen im Stromverbrauch abzufangen. Denn im Vergleich zur reinen Kohle sind die Kohlenwasserstoffe relativ teuer. Erst wenn die Gasturbine noch mit einer Dampfturbine kombiniert wird, lohnt es sich, sie im Grundlastbereich arbeiten zu lassen.
Berlin Moabit, Huttenstraße. An der Ecke Berlichingenstraße steht eine fast hundert Jahre alte Fabrikhalle, die der Architekt und Industrie-Designer Peter Behrens entworfen hat. Eine Mischung aus antikem Tempel und Bahnhofshalle: eine Fassade aus Stahl und Glas, von zwei Seitenpylonen eingerahmt, die wie aus monumentalen Steinquadern zusammengesetzt erscheinen. "Maschinendom" oder "eiserne Kirche" ist das Gebäude nach seinem Bau im Jahr 1909 genannt worden. Heutzutage wirkt es wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit.
In diesem alten Gebäude und in weiteren Hallen produziert Siemens Power Generation hochmoderne Gasturbinen, die in Kraftwerken überall auf der Welt Strom erzeugen.
Eine Gasturbine besteht aus einem Verdichter, einer Brennkammer und der eigentlichen Turbine.
Der Verdichter saugt Luft an, komprimiert sie und drückt sie mit ungefähr 15 bar in die Brennkammer. Dort wird der Brennstoff mit der Luft zusammen entzündet. Obwohl man von einer Gasturbine spricht, kann man sie nicht nur mit Erdgas befeuern. Sondern zum Beispiel auch mit Kerosin oder anderen Erdölprodukten. Die zirka 1500 Grad heißen Abgase strömen dann durch die Turbine und treiben sie an. Ein Generator setzt die Bewegung schließlich in Strom um. Ziel der Entwickler ist es, diesen Prozess möglichst effektiv zu gestalten.
"Also, man hat immer einen gewissen Wärmeinhalt, einen gewissen Energieinhalt, in jedem Brennstoff. Und je nachdem, wie gut ich diesen Brennstoff umsetzten kann in elektrische Leistung, bestimmt mir das den elektrischen Wirkungsgrad."
Der Diplom-Ingenieur Daniel Hofmann von Siemens. Für Gasturbinen liegt die obere Grenze des Wirkungsgrade bei 39 Prozent. Mittlerweile ist man bei einem Effizienz-Plateau angelangt. Jeder halbe Prozentpunkt, den man noch herauskitzelt, bedeutet einen Riesenfortschritt. Ein Weg dafür ist es, die Spalte zwischen stehenden und rotierenden Teile besser abzudichten.
Hofmann:
"Und da gibt's dann sehr, sehr interessante Erfindungen, wie zum Beispiel, dass man den ganzen Rotor verschiebt, um die Spalte kleiner zu machen. Das ist dann allerdings ein bisschen von der Vorstellung her: Man verschiebt ein etwa hundert Tonnen schweres Teil, was sich 3-tausendmal in der Minute dreht, dann um vier Millimeter - oder um 4,2 Millimeter, um genau zu sein - um die Spalten in dieser Turbine noch mal kleiner zu machen und noch mal einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen."
Solch ein Rotor, das bewegliche Innenleben einer Gasturbine, dreht gerade im Berliner Werk auf einem Teststand seine Runden. Mehrere Meter lang, mit unzähligen Blättern des Kompressors und der Turbine gespickt. Die sitzen noch lose in den Radscheiben, denn unter der Hitze der Verbrennung werden sie sich ausdehnen. Manche von ihnen bestehen wie die Auskleidung der Brennkammer aus einer speziellen Hochleistungskeramik, extra für die hohen Temperaturen und Temperaturdifferenzen entwickelt. Denn 1500 Grad, das ist fast die Schmelztemperatur von Eisen.
"Wir hatten auch schon Kontakt zu den Herstellern von den Keramiken für Space Shuttle, weil mich ganz viele Leute angerufen haben, ob man da nicht einfach so was nehmen könnte. Und da hab ich mit den Leuten das gesprochen. Die haben gesagt: Nee, nee, euer Einsatzbereich ist viel zu weit weg von dem, was wir heute können. Wir arbeiten bei nahezu null Atmosphäre, wir haben da so ein paar Luftmoleküle, die so da dran reiben, das wird zwar sakrisch heiß, also 3-tausend Grad Celsius in etwa beim Space Shuttle. Aber das muss ich für eine Landung aushalten. Und ihr kommt an und sagt, ihr wollt da jeden Tag so ne Turbine hochfahren und abends wieder abschalten, und das wollt ihr über mehrere Jahre machen. Und dann noch ganz, ganz viele Stunden betreiben. So was können wir einfach nicht."
Je höher die Verbrennungstemperatur, desto größer kann der potentielle Wirkungsgrad sein. In den vergangen Jahren hat sich allerdings eine Kraftwerksarchitektur durchgesetzt, welche die rund 40 Prozent einer reinen Gasturbine noch mal steigern kann: Kombinierte Gas- und Dampf-Kraftwerke. Dabei wird mit den immer noch 600 Grad heißen Abgasen der Gasturbine Wasser verdampft. Den Dampf wandelt eine zweite Turbine, eine Dampfturbine, dann auch wieder in Strom um.
"Man kann noch mal rund so dreißig Prozent die Gesamtleistung des Kraftwerks erhöhen, wenn man einen so genannten GuD-Prozess schaltet. Was man dort erreicht an Wirkungsgraden, ist manchmal deutlich höher als bei einer reinen Gasturbinenanlage. Man kommt dort auf Wirkungsgrade von fast sechzig Prozent. Und das neueste Produkt, das wir gerade entwickeln, wird Wirkungsgrade von über sechzig Prozent für ein GuD-Kraftwerk haben."
Zurück auf der Förderinsel Mittelplate. Auf dem Weg vom Bohrturm zu den Mannschaftsquartieren kommt man an einem blau gestrichenen Gebäudekomplex vorbei. Ein gleichförmiges Surren übertönt hier den allgegenwärtigen Wind. Hier, an der Quelle des Öls, treffen wir wieder auf jene riesigen Energiewandler, wie sie in Berlin gebaut werden. Hinter den Metallwänden verbirgt sich das Kraftwerk der Insel, so der Leiter des Bohrbetriebes, Ferdinand Pristouschek.
"Wir haben zwei Gasturbinen, und Sie sehen oben einen großen, schwarzen Schornstein. Einen runden und einen, der nach vorne rausgeht. Da wird die Luft angesaugt. Wir verbrennen das Erdölgas, das wir mitfördern, in einer 1,5 Megawatt Gasturbine und einer 3,5 Megawatt Gasturbine. Die beiden Gasturbinen setzen das Gas in elektrische Energie um und erzeugen den Strom, den wir auf der Insel hauptsächlich für den Antrieb der Bohranlage, aber auch für die ganze Prozesstechnik und das Living Quarter benötigen. Und natürlich für den Kran, der ja auch elektrisch angetrieben wird."
Besonders viel Gas ist es nicht, das mitgefördert wird. Aus einem Kubikmeter Öl lassen sich gerade mal vierzehn Kubikmeter Methan abtrennen. Aber immerhin genug, um die Insel mit Strom zu versorgen. Und im Gegensatz zur Windkraft hat das Gas einen Vorteil: Es steht rund um die Uhr zur Verfügung.
Ein Problem aber bleibt: Was soll mit dem Kohlendioxid geschehen, das bei der Verbrennung entsteht? Ideen gibt es reichlich, nur ob sie auf Dauer funktionieren, ist fraglich. Auf manchen Förderplattformen wird das Klimagas wieder in die Bohrlöcher eingepresst, um den Druck der Ölquelle zu erhöhen. Oder in Kohleflöze, um das Methan zu verdrängen. Kohlendioxid könnte unterirdisch in Sedimentschichten gespeichert werden, deren Poren mit Salzwasser gefüllt ist. Oder mineralisch als Carbonat ausgefällt und oberirdisch gelagert werden. Alle diese Maßnahmen werden aber kaum ausreichen, die bedrohlich steigenden CO2-Konzentrationen auf unserem Planeten in den Griff zu bekommen.
Vor diesem Hintergrund wird weltweit wieder über ein anderes Urgestein der Energiewirtschaft debattiert: Die Kernkraft.
Aber das ist ein anderes Thema.
"Wir brauchen hier einfach Platz. Wir sind sehr beengt auf der Insel. Sie sehen das selber: Es ist alles vollgebaut, wir können nur noch in die Höhe bauen. Und auch da ist irgendwann einmal die Höhe erreicht."
Das Ölfeld Mittelplate ist die einzige wirtschaftlich bedeutende Lagerstätte in Deutschland. Seit 1987 wird hier Erdöl gefördert. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie lange die Vorräte noch reichen.
Die Bohrinsel Mittelplate - die letzte Bastion der deutschen Erdölindustrie? In Richtung Osten fällt der Blick auf den Horizont, auf die nahe gelegene Küste Schleswig-Holsteins. Dort in Reih und Glied aufgepflanzt: Eine ganze Armee von Windrädern, die sich bis ans Wasser drängen. Schlank, elegant, anpassungsfähig. Eine Energiequelle, die nie versiegt. Bereit, das Ende einer Ära einzuläuten - der Ära von Gas und Öl.
Aber noch ist es lange nicht so weit.
Im Jahr 2005 lag der Anteil der erneuerbaren Energien gerade einmal bei knapp 7 Prozent. In einer Broschüre des Bundesumweltministeriums heißt es zwar, dass bis 2050 mindestens die Hälfte des deutschen Primärenergieverbrauchs aus regenerativen Quellen stammen soll. Aber das heißt auch: Innerhalb der nächsten vierzig Jahre muss der Großteil der Energie nach wie vor aus fossilen Vorkommen gedeckt werden.
In den kommenden Jahren werden immer mehr konventionelle Kraftwerke vom Netz gehen - einfach weil sie zu alt sind. Der deutsche Kraftwerkspark muss umfassend erneuert werden. Das ist die Chance, die Übergangszeit möglichst schonend zu gestalten. Denn eines ist klar: Die Giganten der Stromerzeugung müssen auf neue Techniken setzen - um den Klimaeffekt möglichst gering zu halten und die politischen Abhängigkeiten.
Auf der Förderinsel Mittelplate haben sich zwei Firmen zusammengeschlossen: RWE Dea und die BASF-Tochter Wintershall bilden zusammen das Mittelplate-Konsortium. Gemeinsam fördern sie Erdöl, das in Schichten aus porösem Sandstein lagert. In einer Tiefe von ungefähr 3-tausend Metern. Die Bohrinsel wurde auf einem massiven Fundament rund sieben Kilometer vor der Küste Dithmarschens errichtet. Damit befindet sie sich genau im Nationalpark "Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer". Nicht allein wegen dieser exponierten Lage mussten sich die Geologen und Ingenieure immer wieder ungewöhnliche Techniken einfallen lassen. Sondern auch, um nicht in kürzester Zeit auf dem Trockenen zu sitzen, was das Erdöl angeht. Jüngstes Beispiel: Die 10-tausend-PS Bohranlage T-150, die zu den größten und modernsten in ganz Europa gehört. Diplom-Ingenieur Ferdinand Pristouschek. Er ist Leiter des Bohrbetriebes Mittelplate:
"Der Bohrturm ist dafür gebaut worden, dass wir Gebiete erreichen, die wir mit der alten Bohranlage nicht erreichen konnten. Weil diese Bohranlage wesentlich stärker ist als es die alte Bohranlage war. Die alte Bohranlage konnte nur in einem Kreis von zwei Kilometern um die Insel hin bohren. Und diese Bohranlage hier in einem Kreis von sechs Kilometern bis acht Kilometer. Und dafür ist sie gebaut worden."
Die Zeiten, in denen man in der Erdölindustrie bloß gerade aus nach unten gebohrt hat, sind vorbei. Von Mittelplate aus reichen neunzehn Förderleitungen in den Untergrund. Wie die Wurzeln eines Baumes strecken sie sich in alle Richtungen. Richtbohren nennen die Fachleute diese Technik. Der Bohrmeisel wird dabei in Kurven durch das Gestein gelenkt, um so viel wie möglich aus einer Lagerstätte herauszuholen - und das nur von einer einzigen Plattform aus, die nicht gerade viel Platz bietet.
"Also die gesamte Fläche ist zirka vierzig Meter breit, 40 Meter lang. Und Sie sehen hier, wo diese Bleche sind, darunter sind die Keller und die Bohrungen."
An diesem Frühsommertag weht ein kräftiger Wind über die Insel. Auf den Stahltreppen, welche die verschiedenen Ebenen der Plattform miteinander verbinden, ist man ihm schutzlos ausgesetzt. - Oberhalb der Bohrkeller lagert das Bohrgestänge, eisernen Baumstämmen gleich: Stabilisatoren, Motoren und MWD-Messgeräte. Ohne sie ist Richtbohren nicht möglich.
Pristouschek:
"Mit denen können Sie die Neigung des Bohrloches messen: Wie stark es geneigt ist und wohin es zeigt. Nach Norden, Süden, Osten oder Westen. Wie ein Kompass. Das funktioniert mit Trägheitsaufnehmern. Das ist absolute Hightech. Und wenn so ein Motor oder MWD im Bohrloch verbleibt, dann ist das ein Schaden von 500.000 Euro zum Beispiel."
Für das Mittelplate-Feld wurde die Kunst des Richtbohrens auf die Spitze getrieben. Denn das Reservoir wird nicht nur von der künstlichen Insel im Wattenmeer aus erschlossen. Auch an Land, in Dieksand, steht eine Bohranlage, Kilometer weit weg vom Öl. Die extrem abgelenkten Bohrungen verlaufen von dort zunächst nach unten, knicken ab, durchstechen einen Salzstock und zapfen dann endlich das Erdöl an. Bis zu neun Kilometer sind sie lang. Mit der neuen Bohranlage sollen solche Strecken auch von Mittelplate aus möglich werden.
Pristouschek:
"Und das ist das Maßgeschneiderte. Es gibt keine Bohranlage, die man von der Stange kauft wie einen BMW. Das wird immer speziell gebaut dafür."
Das Richtbohren könnte überall auf der Welt neue Vorkommen erschließen. Unter anderem solche, die unter Städten liegen oder - wie im Fall von Mittelplate - unter Schutzgebieten. Hier im Wattenmeer wird die fortschrittliche Bohrtechnik die Produktion noch über Jahre hinweg sichern. Für Uwe Balasus-Lange, den stellvertretenden Leiter des Förderbetriebs Holstein bei RWE Dea, sind 20 Jahre ein realistischer Zeitraum.
"Die in der Lagerstätte vorhandenen Volumina sind auf jeden Fall ausreichend, um hier noch den Zeitraum Öl produzieren zu können. Wir werden eine peak production, also den Höhepunkt der Produktion in den nächsten zwei, drei Jahren erreichen. Wir werden dann versuchen, ein Plateau zu halten. Aber das liegt in der Natur der Sache, dass die Förderung dann im Laufe der Jahre abfällt."
Was der Diplom-Ingenieur da beschreibt, ist die typische Ausbeute einer natürlichen Erdölquelle. Man kann sie mit einer Glockenkurve beschreiben: Zu Beginn, wenn die Quelle gerade eben erschlossen worden ist, wird noch wenig Öl gefördert. Es kommen weitere Bohrungen hinzu, die Fördermenge steigt an. Zuerst nur allmählich, dann immer steiler. Aber je mehr Öl aus der Lagerstätte fließt, desto schwächer wird der Druck der Quelle. Immer mehr Wasser wird aus dem Gestein nach oben gepumpt, immer weniger Erdöl. Die Fördermenge erreicht ihr Maximum, den Gipfel des Berges, den Peak. Von dort aus geht es wieder abwärts, in Richtung Tal.
Viele Experten glauben, dass es mit den Gesamtvorräten weltweit auch nicht anders aussieht. Irgendwann werden die Fördermengen zurück gehen. Und dann wird der Rohstoff nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stehen - mit Folgen für die Wirtschaft, so Dr. Johannes Peter Gerling, von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.
"Das bedeutet zumindest, dass für den Augenblick, wenn ich diesen Peak überschreite, dass dann natürlich Angebot und Nachfrage kurzfristig zumindest nicht zusammenpassen. Und das bedeutet, dass dann der Preis noch einmal explodieren wird - in welcher Form, kann keiner genau vorhersagen. Es wird sicherlich zu heftigen Schwankungen oder Auswüchsen zu höheren Preisen kommen. Aber natürlich reagiert der Markt, das heißt die Nachfrage wird einbrechen. Und das bedeutet andersrum, dass der Preis sich wieder beruhigt. Wir werden am Ende aber sicherlich auf einem Niveau landen, das höher ist als der Preis, den wir jetzt vor diesem Ausschlag gehabt haben."
Und steigende Preise für den Rohstoff sorgen auch wieder für neuen Nachschub. Denn dann lohnen sich beispielsweise Abbau- und Transporttechniken, die heutzutage noch nicht wirtschaftlich sind. Neue Quellen können erschlossen werden, die im Moment noch nicht lukrativ erscheinen.
Das ist auch ein Grund dafür, warum die von der Industrie gerne zitierte Erdölkonstante tatsächlich konstant ist. Sie besagt, dass die Reichweite von Öl mehr oder weniger vierzig Jahre beträgt - und das nun schon seit Jahrzehnten. In diese Berechnung gehen nämlich immer nur die sicher bekannten Reserven ein, die sich wirtschaftlich ausbeuten lassen. Und wenn sich die Techniken für Suche, Erschließung und Förderung weiter entwickeln, dann gibt es hier immer wieder Nachschub. Aber auch der Aufwand und die Kosten für die Industrie steigen. Und die werden bei dieser Rechnung natürlich nicht beachtet.
"Es führt ja zu der missverständlichen Situation, dass die Leute, die dann hören ‚42 Jahre' beispielsweise ist die Reichweite sozusagen oder ist die Reichweite im Augenblick, dann glauben ja einerseits die Leute: für 42 Jahre müssen wir uns keine Sorgen machen - ist falsch. Und auf der anderen Seite glauben dann andere Leute: Nach 42 Jahren haben wir überhaupt kein Öl mehr zur Verfügung. Beides ist falsch in der Form, weil eben diese Betrachtung ‚42 Jahre' im Prinzip aussagt, dass sowohl die Reserven sich nicht verändern als auch dass der Verbrauch sich nicht verändert. Und natürlich sind beide Größen gewissen Fluktuationen in Richtung nach oben oder nach unten unterworfen."
Um die so genannten "statischen Reichweiten" zu berechnen, geht man nämlich nicht nur von den momentan bekannten Reserven aus. Man tut auch so, als würde der Verbrauch sich nicht ändern. Mit Zahlen, die nur für heute gelten, wirft man einen Blick Jahrzehnte weit in die Zukunft. Dabei sind die statischen Reichweiten nur eine Momentaufnahme in einem dynamischen Prozess.
Wie lange uns aber tatsächlich noch billiges Öl noch zur Verfügung steht, darüber gehen die Meinungen der Fachleute auseinander. Die BGR, die die weltweite Rohstoffsituation für die deutsche Regierung beobachtet, geht davon aus, dass der Förderpeak in zehn bis fünfzehn Jahren überschritten sein wird. Die Industrie sieht das etwas rosiger und glaubt, dass noch einige Jahrzehnte lang Erdöl uneingeschränkt zu Verfügung steht. Und dann gibt es da noch die kritischen Experten, wie zum Beispiel den englischen Erdölgeologen Colin Campbell. Er behauptet, dass wir uns im Moment schon kurz vor dem Maximum des Peaks befinden.
Zurück auf der Bohrinsel im deutschen Wattenmeer, auf der neuen Förderanlage. Der Rig floor, die Arbeitsbühne, ist jener Ort, von wo das Bohrgestänge abgesenkt wird. Die T-150 arbeitet mit einem Top Drive Antrieb. Der Antrieb sitzt oben auf dem Bohrturm und dreht von dort das Gestänge mit dem Meisel. Der Metallfußboden des Drehtisches zittert unter den Füßen. Es ist, als stünde man auf dem Körper eines riesenhaften, urzeitlichen Tieres. Ferdinand Pristouschek:
"Das ist einer der größten Bohrtürme Europas überhaupt, wenn Sie an die Fläche denken. Wie ich zum ersten mal hier herauf gegangen bin, obwohl ich dabei war, das zu planen: Ich hab' einige Minuten gebraucht, um den Mund wieder zu zu bekommen. Das ist irre, das ist riesig groß die Fläche."
Über der Arbeitsbühne schwebt eine riesige Metallklaue. Sie sieht aus wie das Fangwerkzeug jenes Urzeitwesens, an das man sich hier erinnert fühlt.
"Das ist der Iron Ruffneck [Roughneck]. So heißt diese Maschine. Das ist der eiserne Bohrarbeiter. Das ist eine Verschraubmaschine, mit der man Bohrgestänge aneinander schrauben kann - Sie sehen die Rollen oben und unten und auch die Greifbacken - das Bohrgestänge auseinander schrauben kann und auch wieder verschrauben kann. Früher haben das die Leute mit Zangen gemacht, händisch. Und jetzt macht's die Maschine. Deshalb heißt das Iron Ruffneck."
Seitlich von der Bühne, in einer geschlossenen Fahrerkabine, sitzt der Schichtführer Gernot Fiedler und schaut auf die Instrumententafel vor sich.
"Wir fahren jetzt hoch. Wir haben Probleme mit einer Spülpumpe. Und da können wir nicht weiterbohren. Da muss ich den Bohrstrang jetzt so lange bewegen, damit wir nicht fest werden im Bohrloch. Und darum fahr ich jetzt rauf und runter, muss natürlich meine Hakenlast im Auge behalten. Nicht dass ich den Strang irgendwie festsiebe."
Ist die Bohrung erst einmal nach unten gebracht, kann das Öl fließen. Lässt der Druck der Quelle nach, muss man von oben nachhelfen.
"Und dann wird Wasser aus der Lagerstätte oder auch verbunden mit Süßwasser, mit Brunnenwasser, in die Lagerstätte wieder hineingepresst, um den Lagerstättendruck hochzuhalten beziehungsweise auch Öl, was so durch diesen primären Entölungsprozess noch nicht zum Bohrloch gelangt ist, praktisch dahin zu drücken."
Dr. Curt-Albert Schwietzer. Er ist Abteilungsleiter Lagerstättenentwicklung Öl bei der RWE Dea AG. Aber es gibt noch mehr Tricks, um das Öl in den Poren leichter strömen zu lassen. So kann man beispielsweise das Reservoir mit heißem Wasserdampf fluten. Oder mit Tensiden, die das Öl verdünnen. Bestimmte Verdickungsmittel auf Polymerbasis hingegen halten das Wasser im Gestein zurück.
"In den Achtziger Jahren wurde das schon einmal untersucht. Unsere Firma hat ja schon große Erfahrungen in diesem so genannten Polymerfluten im Feld Hankensbüttel und auf Hohne gehabt. Und wir wollten auch schon ursprünglich das übernehmen auch auf Feld Mittelplate, da gab es lange Versuchsreihen. Aber zu dem Zeitpunkt, das war Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre, ist der Ölpreis wieder zusammengebrochen, so dass sich diese Verfahren nicht gerechnet haben. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass die wieder eines Tages aufleben werden."
Extrem weit abgelenkte Bohrungen, Heißdampf- oder Polymerfluten. Der Experte für Energierohstoffe der BGR, Johannes Peter Gerling, ist skeptisch, ob sich damit die Verfügbarkeit von Öl deutlich verlängern lässt.
"Diese Verfahren sind ja längst im Markt und werden ja da, wo es nötig ist, von vielen Firmen schon eingesetzt. Also das wird uns helfen, punktuell an einzelnen Lagerstätten sicherlich die Ausbeuten zu erhöhen. Aber es wird nicht dazu führen, dass die Gesamtweltbilanz dadurch maßgeblich verändert wird."
Ähnlich umstritten ist die Bedeutung, die nichtkonventionelle Quellen von Öl und Gas haben. Nichtkonventionelle Quellen für Erdöl sind beispielsweise Schwerstöle in Venezuela und Ölsande in Kanada, also Sand und Tonmineralien, die mit Bitumen vermengt sind. Bitumen ist ein festes Gemisch von Kohlenwasserstoffen, das normalerweise für den Straßenbau verwendet wird. Es ist schwer zu verarbeiten, und der Abbau kann Umweltprobleme mit sich bringen. Entsprechend teuer ist natürlich der Abbau. Die riesigen Mengen an Ölsanden und Schwerstölen entsprechen zwar in etwa den Vorkommen des konventionellen Erdöls.
"Aber es wird nicht dazu führen nach unserer Einschätzung der Situation, dass aus diesen Quellen sozusagen der Peak Oil jetzt um deutliche Längen nach hinten verschoben wird. Oder dass die Fördermenge sozusagen auch noch massiv erhöht werden könnte weltweit. Wir erwarten, dass diese Mengen, einfach weil sie langsamer in den Markt kommen als konventionelles Öl, dass diese Mengen nur dazu geeignet sind, den abfallenden Ast der Förderkurve zu lindern und damit für uns den Übergang in die Phase nach dem Peak Oil -, um diesen Übergang sozusagen etwas milder zu gestalten."
Anders als das Öl wird Erdgas wohl noch etwas länger zur Verfügung stehen. Aber nicht nur deshalb ist in den letzten Jahren ein Trend hin zum Energieträger Gas zu verzeichnen. Im Vergleich zu Kohle und Öl verbrennt das Methangas wesentlich sauberer. Es entstehen weniger Ruß und Stickoxide. Außerdem setzt Erdgas, gemessen an der Energieausbeute, die es liefert, weniger Kohlendioxid frei.
Trotzdem schauen sich die Experten auch beim Gas schon heutzutage nach nichtkonventionellen Quellen um. Das ist beispielsweise das Methaneis auf dem Grund des Ozeans. Oder "Tight Gas" in dichten Speichergesteinen. Oder Flözgas, so genanntes CBM-Gas.
"CBM steht für coal bed methane. Das ist ein Gas, was in der Kohlelagerstätte vorhanden ist, und zwar in Kohlelagerstätten, die noch nicht vom bergmännischen Abbau betroffen sind."
Prof. Axel Preuße vom Institut für Markscheidewesen der RWTH Aachen. Zusammen mit dem Geologischen Institut untersucht er Kohleflöze im nördlichen Münsterland auf ihr Potential als Erdgasquelle. Das Methan hat sich zusammen mit der Steinkohle aus fossilen Pflanzen gebildet. In einem Jahrmillionen lang dauernden Prozess. Weil das Gas das Gestein nicht ohne weiteres durchdringen kann, ist es seitdem in der Kohle hängen geblieben. Jetzt soll es durch Bohrungen erschlossen werden. Eine Machbarkeitsstudie soll zunächst klären, ob sich eine Förderung lohnt.
"Wir brauchen zunächst mal jede Menge Kohle, also mächtige Kohleflöze mit entsprechend hohen Gasgehalten. Und im optimalen Fall noch unter der Voraussetzung, dass die hohe Durchlässigkeiten, so genannte Permeabilitäten aufweisen."
Meist dringt so wenig Gas aus der Kohle zum Bohrloch, dass das Gestein zusätzlich aufgebrochen werden muss. Hydraulische Rissbildung heißt das, oder englisch: hydraulic fracturing. Dabei wird ein Bohrloch auf der Höhe eines Kohleflözes mit perforierten Rohren ausgekleidet. Mit hohem Druck, 300 bis 400 bar, werden dann Spalten ins Gestein getrieben.
"Dann wird in die Verrohrung eine mit Sanden beladene Flüssigkeit eingelassen. In der Regel Wasser. Dieses Wasser wird dann bei diesen hohen Drücken in die Spalten eingelassen, nimmt den Sand mit, die Sande halten die Spalte offen, die etwa einige Millimeter bis Zentimeter stark sind normalerweise nur. Und dann wird, wenn man das Wasser wieder absaugt, werden die Spalten durch den Sand offen gehalten."
Bereits Mitte der Neunziger Jahre hatte ein internationales Konsortium versucht, das Flözgas zu erschließen und zu fördern. Das Projekt wurde aber eingestellt. Unter anderem, weil die Technik damals noch nicht reif war für die Tiefen, in denen die Kohle lagert. Eintausend Meter dick ist das Deckgebirge, das über den Flözen lagert. Von dort aus finden sich Lagerstätten noch einmal 3-tausend Meter tiefer. Und wieder zeigt sich, dass neue Techniken den Energiepreisen auf dem Fuß folgen. Prof. Peter Kukla vom Geologischen Institut der RWTH Aachen:
"Ja, wie Sie wissen, sind die Rahmenbedingungen heute anders als noch vor fünf plus Jahren. Wir haben einen Öl- und Gaspreis, der extrem gestiegen ist. Von - in einer Zeit, in der die Vorstudien, die es zu diesem ähnlichen Projekt gegeben hat - ein Ölpreis von zehn Dollar pro Barrel, heute siebzig Dollar pro Barrel. Und können davon ausgehen, dass bei dieser Art von Preisen die Konstellation für produziertes Gas in vernünftigen Mengen - auch das wäre ein Versuch, noch herauszufinden - im Münsterland gut sind."
Wie groß diese "vernünftigen Mengen" sein werden, darüber kann Peter Kukla aber bislang nur spekulieren.
"Auch jetzt können wir zum augenblicklichen Stand der Studie nicht abschätzen, wie weit eine CBM-Gasförderung in Prozentsatz beisteuern könnte zu dem, was wir in Deutschland produzieren. Aber ich könnte mir schon vorstellen: Selbst wenn Sie ein, zwei, drei Prozent an zusätzlichen Importen aus dem Ausland einsparen könnten, ist das als heimische Ressource natürlich interessant."
Aber auch weltweit gewinnt das Flözgas immer mehr an Bedeutung. Nach den USA besitzt Australien die kommerziell am besten entwickelte CBM-Industrie. Und auch China mit seinen riesigen Kohlevorkommen zeigt immer mehr Interesse am Flözgas.
Auf Mittelplate hat mittlerweile der Regen eingesetzt. Das Wasser tropft von den Rohrleitungen, von den Metalltreppen und den Geländern. Im Winter kann so ein Regen vor der Küste schon sehr unangenehm sein. Uwe Balasus-Lange:
"(Aber das ist hier schon ein sehr hartes - ,) das ist sehr kalt, eisig kalt, so dass die Männer auch zwischendurch die Möglichkeit haben, sich im dog house, so heißt das, also Hundehütte, auch Schweinebox genannt, sich aufzuwärmen, mal ne Zigarette zu rauchen, heißen Kaffee zu trinken, Tee zu trinken. Dazu laufen sie dann die Anlage runter und gehen unter dem Modul durch am Rand vom living quarter. Da können sie sich dann aufwärmen."
Je härter das Klima, desto aufwändiger ist natürlich auch das Arbeiten unter solchen Bedingungen.
Balasus-Lange:
"Also Sie sehen ja: Oben der Rig Floor, die Arbeitsbühne, ist zumindest windgeschützt, weil man sie rundum schließen kann. Regen, Schnee, Eis ist immer ein Problem. Ab einer gewissen Windstärke darf auch die Bohranlage nicht mehr betrieben werden. Das ist auch eine Auflage der Bergbehörde unter anderem."
An raues und unwirtliches Wetter wird sich die Öl- und Gasindustrie in Zukunft gewöhnen müssen. Denn die meisten Vorkommen, die sich leicht erschließen lassen, sind bereits entdeckt. Experten prognostizieren allerdings, dass größere Ressourcen der Kohlenwasserstoffe noch in den arktischen Regionen lagern.
Neue oder bessere Techniken und ein steigender Rohstoffpreis lassen die Förderung auch in nördlichen Breiten rentabel erscheinen.
Für den Transport von Erdgas aus entlegenen Gebieten erlebt gerade eine altbekannte Technik ihre Rückkehr: Die Verflüssigung von Methangas, kurz: LNG. Vor der Küste von Nordnorwegen, in der Barentssee, entsteht gerade die nördlichste LNG-Anlage der Welt. Die erste größere in Europa. Der Statoil-Konzern will Ende 2007 mit der kommerziellen Produktion beginnen. Stefan Metz von der Linde AG aus Wiesbaden, die das Kernstück der Anlage konzipiert hat.
"Ja, im Prinzip handelt es sich dabei um - einfach ausgedrückt - um den größten Kühlschrank der Welt. Das heißt, das Prinzip ist das gleiche, dass also ein Kühlmittelkreislauf zirkuliert. Und dann wird das noch gasförmige Erdgas eben in mehreren Durchläufen durch diesen Kühlprozess hindurchgeschleust, bis es eben diese Temperatur von minus 162 Grad erreicht, wo Erdgas flüssig wird, und erst dann verflüssigt es sich."
Das flüssige Methan aus dem LNG-Prozess nimmt nur noch ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens ein. Und kann dann mit Spezialschiffen in die ganze Welt transportiert werden - vollkommen unabhängig von Pipeline-Netzen. Ab einem Transportweg von 3-tausend Kilometern ist das LNG-Verfahren ohnehin wirtschaftlicher. Aber so nahe am Polarkreis eine Anlage zu errichten, das war schon eine besondere Herausforderung.
"Sie haben extreme Temperaturen, einen sehr starken Wind. Das heißt: Schon alleine die Montage, die körperliche Arbeit an und für sich gestaltet sich sehr anstrengend dort. Und Sie haben extrem weite Transportwege für alle Arten von Baumaterial und Nachschub sozusagen. Denn Hammerfest erreicht man am besten per Schiff. Und Sie können sich vorstellen, dass das mit sehr viel Aufwand verbunden ist."
Daher entschloss man sich für ein ungewöhnliches Baukonzept: Die Prozessanlagen wurden auf einer schwimmenden Plattform errichtet, auf einer so genannten "Barge". Und zwar nicht vor der norwegischen Küste, sondern in einer Werft im Süden Spaniens. Die Plattform ist so groß wie ein Fußballfeld; sie trägt ein mehrstöckiges Stahlgerüst mit Pumpen, Gasturbinen, Wärmetauschern und Kompressoren. Dieses Monstrum wurde dann über den Seeweg nach Norwegen geschleppt, dort auf ein Betonfundament abgesenkt und in die LNG-Anlage eingebaut.
"Die Befestigung an Bord war natürlich ein größerer Akt für sich. Und man war also schon auf gutes Wetter angewiesen. Man hätte also bei hoher See dann also den rettenden Hafen anlaufen müssen, weil das wie gesagt schon ein Schwertransport hoch drei war, was da vor sich gegangen ist."
Die LNG-Technik kann dabei helfen, neue Erdgasquellen zu erschließen. Und sie kann bisherige geopolitische Abhängigkeiten verringern, wie die Europas von Russland etwa. Denn wenn ein Staat seinen Bedarf mit Hilfe der Gastanker über den Seeweg decken kann, muss er nicht mehr am Tropf - sprich: an der Gaspipeline - eines anderen Landes hängen.
Allerdings: Dass irgendwann einmal der Brennstoff zur Neige geht, kann auch die LNG-Technik nicht verhindern. Umso wichtiger wird es, Öl und Gas möglichst effektiv in Strom umzuwandeln. Kraftwerke, die mit Gasturbinen arbeiten, können besonders schnell angefahren werden. Sie dienen oft dazu, Spitzen im Stromverbrauch abzufangen. Denn im Vergleich zur reinen Kohle sind die Kohlenwasserstoffe relativ teuer. Erst wenn die Gasturbine noch mit einer Dampfturbine kombiniert wird, lohnt es sich, sie im Grundlastbereich arbeiten zu lassen.
Berlin Moabit, Huttenstraße. An der Ecke Berlichingenstraße steht eine fast hundert Jahre alte Fabrikhalle, die der Architekt und Industrie-Designer Peter Behrens entworfen hat. Eine Mischung aus antikem Tempel und Bahnhofshalle: eine Fassade aus Stahl und Glas, von zwei Seitenpylonen eingerahmt, die wie aus monumentalen Steinquadern zusammengesetzt erscheinen. "Maschinendom" oder "eiserne Kirche" ist das Gebäude nach seinem Bau im Jahr 1909 genannt worden. Heutzutage wirkt es wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit.
In diesem alten Gebäude und in weiteren Hallen produziert Siemens Power Generation hochmoderne Gasturbinen, die in Kraftwerken überall auf der Welt Strom erzeugen.
Eine Gasturbine besteht aus einem Verdichter, einer Brennkammer und der eigentlichen Turbine.
Der Verdichter saugt Luft an, komprimiert sie und drückt sie mit ungefähr 15 bar in die Brennkammer. Dort wird der Brennstoff mit der Luft zusammen entzündet. Obwohl man von einer Gasturbine spricht, kann man sie nicht nur mit Erdgas befeuern. Sondern zum Beispiel auch mit Kerosin oder anderen Erdölprodukten. Die zirka 1500 Grad heißen Abgase strömen dann durch die Turbine und treiben sie an. Ein Generator setzt die Bewegung schließlich in Strom um. Ziel der Entwickler ist es, diesen Prozess möglichst effektiv zu gestalten.
"Also, man hat immer einen gewissen Wärmeinhalt, einen gewissen Energieinhalt, in jedem Brennstoff. Und je nachdem, wie gut ich diesen Brennstoff umsetzten kann in elektrische Leistung, bestimmt mir das den elektrischen Wirkungsgrad."
Der Diplom-Ingenieur Daniel Hofmann von Siemens. Für Gasturbinen liegt die obere Grenze des Wirkungsgrade bei 39 Prozent. Mittlerweile ist man bei einem Effizienz-Plateau angelangt. Jeder halbe Prozentpunkt, den man noch herauskitzelt, bedeutet einen Riesenfortschritt. Ein Weg dafür ist es, die Spalte zwischen stehenden und rotierenden Teile besser abzudichten.
Hofmann:
"Und da gibt's dann sehr, sehr interessante Erfindungen, wie zum Beispiel, dass man den ganzen Rotor verschiebt, um die Spalte kleiner zu machen. Das ist dann allerdings ein bisschen von der Vorstellung her: Man verschiebt ein etwa hundert Tonnen schweres Teil, was sich 3-tausendmal in der Minute dreht, dann um vier Millimeter - oder um 4,2 Millimeter, um genau zu sein - um die Spalten in dieser Turbine noch mal kleiner zu machen und noch mal einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen."
Solch ein Rotor, das bewegliche Innenleben einer Gasturbine, dreht gerade im Berliner Werk auf einem Teststand seine Runden. Mehrere Meter lang, mit unzähligen Blättern des Kompressors und der Turbine gespickt. Die sitzen noch lose in den Radscheiben, denn unter der Hitze der Verbrennung werden sie sich ausdehnen. Manche von ihnen bestehen wie die Auskleidung der Brennkammer aus einer speziellen Hochleistungskeramik, extra für die hohen Temperaturen und Temperaturdifferenzen entwickelt. Denn 1500 Grad, das ist fast die Schmelztemperatur von Eisen.
"Wir hatten auch schon Kontakt zu den Herstellern von den Keramiken für Space Shuttle, weil mich ganz viele Leute angerufen haben, ob man da nicht einfach so was nehmen könnte. Und da hab ich mit den Leuten das gesprochen. Die haben gesagt: Nee, nee, euer Einsatzbereich ist viel zu weit weg von dem, was wir heute können. Wir arbeiten bei nahezu null Atmosphäre, wir haben da so ein paar Luftmoleküle, die so da dran reiben, das wird zwar sakrisch heiß, also 3-tausend Grad Celsius in etwa beim Space Shuttle. Aber das muss ich für eine Landung aushalten. Und ihr kommt an und sagt, ihr wollt da jeden Tag so ne Turbine hochfahren und abends wieder abschalten, und das wollt ihr über mehrere Jahre machen. Und dann noch ganz, ganz viele Stunden betreiben. So was können wir einfach nicht."
Je höher die Verbrennungstemperatur, desto größer kann der potentielle Wirkungsgrad sein. In den vergangen Jahren hat sich allerdings eine Kraftwerksarchitektur durchgesetzt, welche die rund 40 Prozent einer reinen Gasturbine noch mal steigern kann: Kombinierte Gas- und Dampf-Kraftwerke. Dabei wird mit den immer noch 600 Grad heißen Abgasen der Gasturbine Wasser verdampft. Den Dampf wandelt eine zweite Turbine, eine Dampfturbine, dann auch wieder in Strom um.
"Man kann noch mal rund so dreißig Prozent die Gesamtleistung des Kraftwerks erhöhen, wenn man einen so genannten GuD-Prozess schaltet. Was man dort erreicht an Wirkungsgraden, ist manchmal deutlich höher als bei einer reinen Gasturbinenanlage. Man kommt dort auf Wirkungsgrade von fast sechzig Prozent. Und das neueste Produkt, das wir gerade entwickeln, wird Wirkungsgrade von über sechzig Prozent für ein GuD-Kraftwerk haben."
Zurück auf der Förderinsel Mittelplate. Auf dem Weg vom Bohrturm zu den Mannschaftsquartieren kommt man an einem blau gestrichenen Gebäudekomplex vorbei. Ein gleichförmiges Surren übertönt hier den allgegenwärtigen Wind. Hier, an der Quelle des Öls, treffen wir wieder auf jene riesigen Energiewandler, wie sie in Berlin gebaut werden. Hinter den Metallwänden verbirgt sich das Kraftwerk der Insel, so der Leiter des Bohrbetriebes, Ferdinand Pristouschek.
"Wir haben zwei Gasturbinen, und Sie sehen oben einen großen, schwarzen Schornstein. Einen runden und einen, der nach vorne rausgeht. Da wird die Luft angesaugt. Wir verbrennen das Erdölgas, das wir mitfördern, in einer 1,5 Megawatt Gasturbine und einer 3,5 Megawatt Gasturbine. Die beiden Gasturbinen setzen das Gas in elektrische Energie um und erzeugen den Strom, den wir auf der Insel hauptsächlich für den Antrieb der Bohranlage, aber auch für die ganze Prozesstechnik und das Living Quarter benötigen. Und natürlich für den Kran, der ja auch elektrisch angetrieben wird."
Besonders viel Gas ist es nicht, das mitgefördert wird. Aus einem Kubikmeter Öl lassen sich gerade mal vierzehn Kubikmeter Methan abtrennen. Aber immerhin genug, um die Insel mit Strom zu versorgen. Und im Gegensatz zur Windkraft hat das Gas einen Vorteil: Es steht rund um die Uhr zur Verfügung.
Ein Problem aber bleibt: Was soll mit dem Kohlendioxid geschehen, das bei der Verbrennung entsteht? Ideen gibt es reichlich, nur ob sie auf Dauer funktionieren, ist fraglich. Auf manchen Förderplattformen wird das Klimagas wieder in die Bohrlöcher eingepresst, um den Druck der Ölquelle zu erhöhen. Oder in Kohleflöze, um das Methan zu verdrängen. Kohlendioxid könnte unterirdisch in Sedimentschichten gespeichert werden, deren Poren mit Salzwasser gefüllt ist. Oder mineralisch als Carbonat ausgefällt und oberirdisch gelagert werden. Alle diese Maßnahmen werden aber kaum ausreichen, die bedrohlich steigenden CO2-Konzentrationen auf unserem Planeten in den Griff zu bekommen.
Vor diesem Hintergrund wird weltweit wieder über ein anderes Urgestein der Energiewirtschaft debattiert: Die Kernkraft.
Aber das ist ein anderes Thema.