"We are here on the roof of the building"
Das Gebäude, in dem Ashok Joshi arbeitet, ist nur drei Stockwerke hoch, aber der wohlgenährte Unternehmer ist trotzdem aus der Puste, als er auf dem Flachdach ankommt.
"Hier haben wir die Solarpaneele. Anfangs hatten wir eines, das zwei Computer für zwei Stunden versorgen konnte, wenn der Strom ausfällt. Im Laufe der Zeit haben wir aufgestockt: Jetzt haben wir drei Module, die effizienter arbeiten und elf Rechner betreiben. Stromerzeugung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit."
Solartechnik gehört eigentlich nicht zum Fachgebiet von Ashok Joshi. Seine Firma Zynopsys entwickelt Apps für Kunden in den USA, Dubai und Ostafrika. Eine von vielen IT-Schmieden der südindischen Metropole Bangalore, in der die ganze Welt neue Computeranwendungen programmieren lässt .
"Im Sommer sind wir normalerweise jeden Tag für zwei bis vier Stunden ohne Strom. Das ist viel Zeit, in der man nicht arbeiten kann und die Kunden können wirklich wild werden. Wer pünktlich liefern will, braucht hier eine eigene, zusätzliche Stromversorgung. Solarpaneele sind für mich die ideale Lösung."
Sonnenenergie soll Energieprobleme lindern
Der allgegenwärtige Verkehr ist auf dem Dach des Bürogebäudes nur gedämpft zu hören. Er wird von einer Baustelle übertönt, gleich nebenan entsteht ein neues Hochhaus. Bangalore entwickelt sich rasant, so wie ganz Indien. Der Energiehunger ist gewaltig und wächst ständig. Bislang produziert Indien zwei Drittel seines Stroms mit Kohle – und Kohle wird immer teurer. Es gibt auch ein paar Atomkraftwerke, aber die decken nur zwei Prozent des Strombedarfs. Deutlich wichtiger sind die Wasserkraftwerke: Im Himalaya produzieren eine ganze Reihe davon während der Schneeschmelze und der Monsunzeit große Mengen Strom. Übers Jahr gesehen liefern sie 17 Prozent des indischen Verbrauchs. Doch wenn in den heißen Sommermonaten das Wasser knapp wird, lässt ihre Leistung nach und wenn dann gleichzeitig überall die Klimaanlagen laufen, wird der Strom knapp. Die Sonne soll Indien dabei helfen, seine Energieprobleme in den Griff zu bekommen.
"Die Anschaffungskosten der Solaranlage subventioniert der Staat zu fast 50 Prozent. Und wenn man nachweisen kann, dass man mehr als die Hälfte seines Stroms mit erneuerbaren Energien erzeugt, bekommt man einen Nachlass auf seine normale Stromrechnung. Die Regierung tut einiges in punkto Subventionen."
Mit seinen fünf Quadratmetern Photovoltaik ist Ashok Joshi ein winziger Teil eines ehrgeizigen Programms: Indien will bis 2022 "Solar Super Power" werden, eine "Solare Supermacht". Die Gesamtleistung aller Solarkraftwerke soll sich bis dahin verzehnfachen und 22 Gigawatt betragen. Ihr Beitrag zum prognostizierten Stromverbrauch Indiens betrüge dann sieben Prozent – heute ist es nur gut ein Prozent. Der Solarstrom soll zu gleichen Teilen mit Photovoltaik und solarthermischen Anlagen gewonnen werden.
22 Gigawatt installierte Leistung bis 2022 - das klingt ambitioniert, macht Indien aber noch lange nicht zur "solaren Supermacht". China will bis 2015 35 Gigawatt erreichen, Deutschland hat heute schon Solaranlagen mit insgesamt 36 Gigawatt Spitzenleistung. Doch Indien hat einen entscheidenden Vorteil: Dank 300 Sonnentagen pro Jahr erzeugt eine Solarzelle dort doppelt so viel Strom wie hierzulande. Um das enorme Potenzial auszuschöpfen, müssen aber noch viele Probleme gelöst werden.
Jedes Mal, wenn sich die Tür zum Zimmer ihres Chefs öffnet, stehen die fünf Angestellten in seinem Vorzimmer stramm und salutieren. A.K. Jha ist der technische Direktor von NETRA - Indiens wichtigstem Forschungsunternehmen im Bereich Solarenergie. Ein Treffen mit dem zweiten Mann des staatlichen Betriebes gleicht eher einer Audienz als einem Gespräch. A.K. Jha thront geradezu auf seinem Sofa. Ein Mikrofon ist nicht erlaubt, aber er gestattet Notizen.
Zitat: Ein Solarkraftwerk benötigt etwa 50 Mal mehr Fläche als ein Kohlekraftwerk vergleichbarer Leistung. Indien ist ein dicht bevölkertes Land, in den Gegenden mit gemäßigtem Klima wird jeder Quadratmeter für die Landwirtschaft gebraucht. In den Wüsten haben wir zwar Platz, aber dort wird es im Sommer extrem heiß - und Hitze vermindert den Wirkungsgrad der Solarzellen.
Deshalb baut NETRA gerade ein Forschungszentrum, das auf Seen mit schwimmenden Photovoltaikkraftwerken experimentieren soll. Wie groß kann so eine Anlage werden? Wie werden die Module am besten verbunden? Wie müssen die Kabel beschaffen sein, die den Strom an Land bringen? Was passiert bei starkem Wind und Wellengang? Obwohl noch viele Fragen offen sind, ist A.K. Jha überzeugt: Schwimmende Solaranlagen sind die Lösung für eine ganze Reihe von Problemen.
Zitat: Solche Anlagen würden den Landverbrauch erheblich senken und gleichzeitig auch noch die Verdunstung des Wassers reduzieren. Außerdem muss im Sommer kein Wasser für die Kühlung heran geschafft werden– das ist bei den thermischen Solarkraftwerken in der Wüste ein großes Problem.
Deutschland beteiligt sich an Finanzierung und Forschung
Die Deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau, die KfW, hat NETRA für das neue Institut einen Zuschuss von fünf Millionen Euro gegeben. Außerdem wird das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg die Forschung begleiten. Und das ist bei weitem nicht das einzige deutsche Engagement wenn es um Solarenergie in Indien geht.
Auf dem Weg zur "solaren Supermacht" spielt der Bau von Solarkraftwerken eine Schlüsselrolle – und der wird in Indien massiv vorangetrieben. Binnen drei Jahren wurde die Solarstromproduktion verzehnfacht. Anfang 2014 ging im Bundesstaat Maharashtra gut 300 Kilometer von Mumbai entfernt das riesige Solarkraftwerk "Sakri" ans Netz. Die deutsche KfW hat den Bau der 125 Megawatt-Anlage mit einem Kredit über 250 Millionen Euro mitfinanziert.
In Rajasthan entsteht derzeit das größte Solarkraftwerk der Welt. Auf einer Fläche von 77 Quadratkilometern – das entspricht etwa der Größe Manhattans – sollen Solarzellen mit einer Gesamtleistung von vier Gigawatt installiert werden. Auch dieses Projekt unterstützt die KfW. Doch all diese Solarparks, egal wie groß oder klein sie sein mögen, haben ein gemeinsames Problem: Staub.
"Wieviel Strom ein Photovoltaikmodul produziert, hängt davon ab, wieviel Sonnenlicht darauf fällt. Wenn auf seiner Oberfläche Staub liegt, dringt nur ein Teil der Strahlung ein und es liefert weniger Strom als eigentlich möglich. Es ist deshalb sehr wichtig, die Module regelmäßig zu reinigen."
Indradip Mitra ist einer der lokalen Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, kurz GIZ. In Indien gibt es besonders viel Staub. Die Wüstenerde ist sehr staubhaltig, auf dem Land wird nach der Ernte Stroh auf den Feldern verbrannt und der vom Verkehr verursachte Feinstaub in den Großstädten erreicht Rekordwerte.
Pro Tag, den die Solarmodule nicht gereinigt werden, produzieren sie ein Prozent weniger Strom. Eigentlich kein Problem, Staub lässt sich schließlich entfernen. Doch diese Aufgabe gerät in den in abgelegenen Wüstenregionen liegenden Solarkraftwerken oft in Vergessenheit – insbesondere, wenn die oft schlecht ausgebildeten Mitarbeiter gar nicht wissen, wozu die Putzerei gut sein soll und sie keiner kontrolliert. Indradip Mitra hat in den Solarparks deshalb Workshops durchgeführt, in denen das Personal lernte, wie so ein Solarmodul überhaupt funktioniert. Und er sammelt in 119 Solarkraftwerken Daten darüber, wie viel Strom pro Quadratmeter Solarzellen sie produzieren.
"Die Ergebnisse schicken wir den einzelnen Kraftwerken, damit sie wissen, wo sie im Vergleich zu den anderen stehen. Sie sehen, wie gut sie sind, und ob sie sich verbessern können. Das ist eine Art Wettbewerb, der die Mitarbeiter motivieren soll, besser zu arbeiten. Solarparks mit guten Resultaten werden Preise bekommen."
Indradip Mitras Daten belegen: Manche Solarkraftwerke ernten doppelt so viel Strom je Quadratmeter Modulfläche wie andere Anlagen. Solarstrom effektiver zu produzieren reicht aber nicht – er muss auch zu den Verbrauchern in den Metropolregionen transportiert werden. Neben Bau neuer Solarkraftwerken zählt deshalb auch der Ausbau der Stromtrassen zu den Kernmaßnahmen der indischen Solarmission.
Ein Lastkontrollzentrum für den Subkontinent
"We are going to the control center of the national load dispatch centre."
Das nationale Kontrollzentrum des Stromnetzes befindet sich in der Hauptstadt Neu Delhi. Rakesh Kumar Bansal öffnet die Tür zu einem Raum, der vollgestopft ist mit Computern und Telefonen. Fünf junge Männer sitzen an Pulten vor einem drei Mal sechs Meter großen Bildschirm, auf dem endlose Zahlenkolonnen blinken.
"Die Ingenieure hier arbeiten rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Wir sind für die Stromversorgung des ganzen Landes zuständig. Das ist eine große Verantwortung."
Rakesh Kumar Bansal ist der Leiter des Verteilungszentrums.
"Can we see the map first?"
"On this we are seeing all India summary of our country."
Die Karte, die auf dem riesigen Monitor erscheint, erscheint, ähnelt einer Straßenkarte. Doch die bunten Linien, die sich dort, wo die großen Städte sind, bündeln, sind keine Autobahnen, sondern Hochspannungsleitungen, die über Hunderte von Kilometern die großen Kraftwerke mit den Metropolen verbinden.
"Wir sehen hier in Echtzeit, wieviel Strom gerade erzeugt wird und mit welcher Spannung und Frequenz er durch die Leitungen fließt."
Eine der Linien blinkt hektisch. Es ist die erste Warnstufe, die anzeigt, dass ein Grenzwert überschritten wurde und entweder zu viel oder zu wenig Spannung auf dieser Leitung ist.
"Wenn noch ein weiterer Grenzwert überschritten wird, ändert sich auch die Farbe dieser Linie und dann werden Maßnahmen ergriffen. Meine Leute rufen dann das regionale Verteilerzentrum an und teilen mit, dass entweder mehr oder weniger Energie eingespeist werden soll, um das Netz zu stabilisieren."
Vor allem bei den erneuerbaren Energien gibt es oft große Schwankungen. Frischt die Brise über einem Windpark auf oder zieht eine Wolke über einen Solarpark, wird plötzlich viel mehr oder weniger Strom ins Netz eingespeist. In Deutschland schalten sich dann innerhalb von Sekunden automatisch Regelkraftwerke ein, die diese Schwankungen ausgleichen. In Indien wird noch zum Telefon gegriffen.
"Das ist ein Prozess, der ein paar Minuten in Anspruch nimmt und in der Zwischenzeit kann es dann schon mal passieren, wenn irgendwo große Verbraucher rein gehen in das Netz, die Last im Netz also schnell steigt, dass das nicht abgedeckt wird. Und dann gibt es einen Kollaps, dann fällt ein Teil des Netzes aus."
Jens Burgtorf von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ist der Leiter des Deutsch-Indischen-Energieprogramms. Die GIZ unterstützt den Ausbau der erneuerbaren Energien in Indien sowohl mit technischem Know how als auch finanziell. Die Herausforderungen sind gewaltig, denn der Energieverbrauch wächst rasant. Von 2001 bis 2011 hat er sich von 415 auf 835 Terawattstunden pro Jahr verdoppelt. Freie Kapazitäten, die Schwankungen im Netz ausgleichen könnten, sind knapp.
"Das ist hier anders als in Deutschland, wo wir im Moment zu manchen Zeiten ein Überangebot an konventionellem Strom im Netz haben. Wenn dann eine dicke Wolke über das Solarpaneel zieht, wird das durch die Kraftwerke ausgeglichen. Diese Kapazitäten fehlen uns hier aber, weil eigentlich jede Kilowattstunde, die im Netz unterwegs ist, auch irgendwo einen Verbraucher hat. Das heißt, sie ist schon verplant und es gibt diese Reserven nicht."
Daran wird sich so bald nichts ändern, denn der Energiebedarf wächst schneller, als neue Kapazitäten geschaffen werden können. 2008 wurden den Kraftwerken an heißen Sommertagen, wenn alle Klimaanlagen liefen, 2000 Megawatt Leistung abgefordert. Heute sind es 5600 Megawatt. Damit die Netze seltener kollabieren, braucht es präzise Prognosen der künftigen Stromproduktion.
Jens Burgtorf: "Ein Kohlekraftwerk, was steht, was kalt ist, braucht Stunden, wenn nicht Tage, bis es Leistung erreicht. Das geht nicht so schnell und deshalb muss man das vorher wissen. Wir brauchen Vorhersagen mit einem 24-Stunden-Bericht mit einer hohen Präzision, aber wir brauchen das auch für die nächsten zwei Stunden. Weil wir dann eben schon Maßnahmen ergreifen können und sagen, OK, da sind große Wolken im Anzug und da ist eine Abschattung zu erwarten auf Solaranlagen, da muss Kraftwerksleistung bereit gestellt werden."
Prognosen müssen verbessert werden
Wettervorhersagen sind in Indien bislang sehr ungenau. Auch auf die Frage, wo genau gute Standorte für neue Solarkraftwerke sind, gab es bislang immer nur sehr vage Antworten, die sich allein auf Satellitendaten stützten. Das ändert sich gerade.
Am Rande der südindischen Stadt Chennai steht mitten in einem Sumpfgebiet eine sechs Meter hohe Messanlage, die in der aufkommenden Brise leicht zittert. Sie ähnelt einer Antenne und ist mit zwei Sensoren zur Messungen der solaren Bestrahlungsstärke ausgerüstet – sogenannten Pyranometern. Eines liegt im Schatten, das andere in der Sonne.
"So können wir diffuse Strahlung, Globalstrahlung und direkte Sonneneinstrahlung gleichzeitig messen. Zusätzlich registrieren wir noch meteorologische Daten wie Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Regenfälle. Die Energie für die Messgeräte liefern zwei Solarpaneele."
Dr. Gomathinayagam ist ein fröhlicher, rundlicher Mann, der als erstes anbietet, seinen komplizierten Namen auf Dr. Goma zu verkürzen. Er ist der Direktor von C-WET, dem "Centre für Wind Energy Technology", wo seit 1998 rund um das Thema Windenergie geforscht wird. Seit Neuestem ist C-WET auch Teil der "Nationalen Solarmission". Insgesamt 119 Solar-Messstationen, verteilt übers ganze Land, betreiben Dr. Gomas Leute. Eine Klimaanlage kühlt den Computerraum, in dem ihre Daten zusammen laufen. Dr. Goma ruft die Station draußen auf dem Außengelände auf. Die Ausschläge der Windböen, die gerade die Interviewaufnahmen verzerrt haben, sind deutlich zu erkennen.
"Acht Meter pro Sekunde, ein ordentlicher Wind. Hier sehen Sie die direkte Solarstrahlung. Heute früh um acht Uhr betrug sie 400 Watt pro Quadratmeter und stieg dann bis ein Uhr mittags auf 800 Watt an. Das wäre ein guter Platz für ein Solarkraftwerk, aber dafür gibt es in dieser urbanen Gegend nicht genug Platz."
Jede der 119 Solar-Messstationen registriert kontinuierlich 8 Werte. Durch Kombination mit Satellitendaten errechnen Dr. Gomas Leute daraus eine detaillierte Solarkarte Indiens, die die besten Standorte für künftige Sonnenkraftwerke verrät. 2015 soll die Karte fertig sein. Es ist das weltweit umfassendste Projekt dieser Art. Und ganz nebenbei liefern die Messstationen auch noch wertvolle Daten für präzisere Wettervorhersagen, die der Netzstabilität zugute kommen.
"All in one solution."
Auf Indiens Weg ins Solarzeitalter wird viel geforscht und experimentiert. Meistens geht es dabei darum, bereits existierende Techniken an die Bedürfnisse des Subkontinentes anzupassen. Aber nicht nur. Im Bundesstaat Rajasthan entwickelt man derzeit eine neue Technologie, die Solarexperten aus aller Welt genau beobachten.
Und zwar nicht in einer Universität oder einem Forschungsinstitut, sondern in einem Ashram.
"Wir stehen hier im Inneren einer Schüssel mit einer Fläche von 60 Quadratmetern und die Arbeiter kleben die Spiegel an den Rahmen. Sie werden so angebracht, dass sie das Sonnenlicht auf einen winzigen Punkt konzentrieren."
Technologie aus dem Ashram
Der ganz in weiß gekleidete Jayasimha Rathod ist der Chefingenieur bei "India One". Zufrieden beobachtet er, wie die Arbeiter die aus Stahlrohren zusammen geschweißte Schüssel Nr. 482 fertig stellen. 770 sollen es einmal werden. Ein riesiges Feld voller haushoher Reflektoren, die von der Form her Satellitenschüsseln gleichen und sich automatisch nach der Sonne ausrichten.
"Sie sind sehr präzise gefertigt und können das Sonnenlicht 300-fach konzentrieren. So erhalten wir im Brennpunkt eine Temperatur von 1200 bis 1400 Grad Celsius."
Die Spiegelschüsseln bündeln die Energie der Sonne jeweils auf einem Stahlzylinder, der vor ihnen steht. Er hat ein Loch in der Mitte, ist dreieinhalb Tonnen schwer und eine vollkommen neue Erfindung: Simpel, aber effizient.
"Das konzentrierte Sonnenlicht fällt in das Loch und heizt den Stahl auf 500 Grad Celsius auf. Der Stahl speichert die Energie in Form von Hitze. Diese Hitze wird bei Bedarf extrahiert. Rund um den Stahlkern verläuft ein Rohr. Wenn wir dort Wasser hindurch strömen lassen, wird es von der Hitze in Dampf verwandelt."
Der 450 Grad heiße Wasserdampf aus den stählernen Hitzeabsorbern strömt durch Rohre zu einer Turbine mit einem Megawatt Spitzenleistung. Das Besondere daran: Sie kann rund um die Uhr Strom erzeugen, denn die Stahlzylinder können die tagsüber gespeicherte Hitze bis zu 16 Stunden bunkern.
"Es gibt viele verschiedene Speichersysteme für Solarenergie. Chemische Speicher wie Batterien bunkern Elektrizität, thermische Speicher aus geschmolzenem Salz bunkern Hitze in riesigen Tanks. Das Wärmeträgeröl dieser Salzspeicher muss nach ein paar Jahren ausgetauscht werden, das ist nicht sehr umweltfreundlich. Dasselbe gilt für die Chemikalien in Batterien. Wir verwenden hier massiven Stahl – der kann nach 25 Jahren Betriebsdauer einfach eigeschmolzen werden. Das ist viel umweltfreundlicher als andere Speichertechnologien."
Mitten im Interview bricht Jayasimha Rathod plötzlich ab und bittet, das Mikrofon auszuschalten.
"Lasst uns zwei Minuten schweigen, es ist Zeit für die Verkehrskontrolle unserer Gedanken."
Jede Stunde ertönt auf dem Gelände von Brahma Kumaris meditativer Gesang aus Lautsprechern. Dann lassen alle ihre Arbeit ruhen und gehen für einen Moment in sich. Man mag die vielen Meditationen der weiß gewandeten, streng vegetarisch lebenden Brüdern und Schwestern merkwürdig finden. Doch unter Energieexperten gilt Brahma Kumaris als Pionier in der Solartechnik. Die Ingenieure hier haben vor 20 Jahren die erste solare Großküche entwickelt – eine Technik, die inzwischen in ganz Indien verwendet wird. Das Projekt "Solar One" wird unter anderem vom Bundesumweltministerium finanziert und von der GIZ und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme begleitet. In der Werkstatt von "India One" schweißen und hämmern Arbeiter an den Stahlgerüsten für die Spiegelschüsseln.
Rathod: "Unser Ziel war es, Kosten zu reduzieren und unabhängig zu sein. Deshalb arbeiten wir hauptsächlich mit Materialien, die wir hier bekommen. Die Schüsseln bauen wir vor Ort, so schaffen wir Arbeitsplätze. Wenn man alles selber produziert, nichts importieren und transportieren muss, dann verringert das die Kosten erheblich."
Nur die Spiegel müssen bislang im Ausland gekauft werden. Anfang 2015 soll "Solar One" anfangen, Strom zu erzeugen. Wenn die Technologie in der Erprobungsphase hält, was sich Ingenieure und Geldgeber davon versprechen, könnten diese Spiegelschüsseln bald 2000 indische Haushalte dezentral mit Strom versorgen – und künftig nicht nur auf dem Subkontinent, sondern auch anderswo zum Einsatz kommen.
Mini-Netze für ländliche Gemeinden
Dezentralität ist ein entscheidendes Stichwort. Indien ist riesig und ob es je gelingt, Stromkabel bis in die entlegensten Dörfer zu verlegen, ist fraglich. Ein Solarkraftwerk wie "Solar One" lohnt sich wegen der teuren Turbine nicht für eine Siedlung mit ein paar hundert Hütten. Für die Abertausenden indischen Dörfer arbeiten Ingenieure an einer anderen Lösung. Ihre Basis sind Minigrids: Kleine, unabhängige Stromnetze, die mehrere Solarmodule und Verbraucher miteinander verbinden.
"Ein sehr einfaches System versorgt tagsüber Computer oder Fernseher mit Strom und lädt nebenbei einige Batterien auf – solange die Sonne halt scheint. Nachts können die Batterien dann ein paar Lampen oder so mit Strom versorgen."
Rahul Sharma ist Energieexperte bei TERI, einer Ideenschmiede, die Lösungen für das ländliche Indien entwickelt. Wenn man bereit ist, mehr Geld in die Hand zu nehmen und Computertechnik einzubauen, können solche Ministromnetze noch mehr.
"In Gegenden, wo es oft regnet und die Sonne selten scheint, werden die Batterien schnell entladen. Überwacht man diesen Entladevorgang nicht genau, besteht das Risiko, dass die Batterie tiefentladen wird. Dann bricht das System zusammen und sie muss in der Fabrik wieder zum Leben erweckt werden."
Ein intelligentes Ministromnetz würde sich rechtzeitig von selbst abschalten.
"Man könnte auch eine Situation haben, in der es sowohl Solarenergie als auch Strom aus einem Biogas-Kraftwerk und dem herkömmlichen Elektrizitätsnetz gibt. In so einem Fall möchte man jeweils das nutzen, was gerade verfügbar ist. An der Universität Kassel entwickeln Forscher ein System, das sich seine Energie vom Wind holt, wenn die Sonne nicht scheint und umgekehrt. Ein System, dass sich um sich selber kümmert, allein herausfindet, wie hoch der Bedarf ist und die Stromerzeugung entsprechend anpasst - das ist das, was man haben will."
Alle Experimente, ganz gleich ob in Deutschland oder in abgelegenen indischen Dörfern, zeigen, dass das schon recht gut funktioniert. Die Sache hat aber einen großen Haken.
"Viele der Minigrid-Systeme, die in ländlichen Gegenden installiert wurden, haben Schwierigkeiten mit der Finanzierung. Die Menschen auf dem Land haben einfach nicht das Geld, um die tatsächlich anfallenden Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien zu bezahlen."
Strom ist zu teuer
Trotz der hohen Subventionen der Regierung bleibt Solarstrom bis auf weiteres etwas für die Wohlhabenden – oder für jene, die Spender aus dem Ausland haben.
Mayiladuranathaswami im Südosten Indiens, auf dem Dach eines Wohnheims für Mädchen.
"Photo voltaic and monopolic crystalline silicon cells. We are happy because we have that!"
Ida Kasthuribai ist sichtlich stolz auf ihre Solarzellen. Sie ist Lehrerin für Naturwissenschaften und leitet ein von der deutschen Kindernothilfe finanziertes Heim, das es den Mädchen aus den ärmsten Familien der umliegenden Dörfer ermöglicht, in der Kleinstadt die Schule zu besuchen.
"Manchmal sind wir zwölf Stunden am Tag ohne Strom. Dann können die Kinder abends nicht lernen. Es gab viele Beschwerden von der Schule, weil die Mädchen oft keine Hausaufgaben machten. Ich dachte, Solarenergie könnte uns helfen. Ich habe darum gebetet."
Die Gebete wurden erhört, Spender aus Deutschland finanzierten 2012 die knapp 20.000 Euro teure Anlage. Die Photovoltaik-Module wurden in Indien hergestellt – heimische Produktion ist eine der Voraussetzungen um staatliche Fördermittel zu erhalten. In Kombination mit einer Batterie liefern sie nun rund um die Uhr Energie für 40 Lampen und 25 Ventilatoren.
"Wenn es einen Stromausfall gibt, dann ist die ganze Stadt ohne Licht. Nur wir nicht. Man kann unser Wohnheim dann von weitem erkennen. Die Beschwerden der Lehrer haben aufgehört, die Mädchen haben jetzt gute Noten. Und aus der ganzen Stadt kommen Leute und fragen, ob sie sich die Anlage mal anschauen dürfen."
Die örtliche Krankenstation hat beschlossen, ebenfalls eine Solaranlage anzuschaffen und auch die Schule denkt jetzt darüber nach. Indiens Aufbruch ins Solarzeitalter könnte helfen, viele Probleme in dem Schwellenland zu lösen. Analysen zufolge ließe sich auf dem Subkontinent sogar deutlich mehr Sonnenstrom produzieren, als die ehrgeizigen Pläne bis 2022 vorsehen. Langfristig wären Solaranlagen mit einer Spitzenleistung von insgesamt 100 Gigawatt denkbar, was der Leistung von 100 Kernkraftwerken entspräche. Damit wäre Indien dann wirklich eine "solare Supermacht".