Windkraftanlagen sind über die Jahre immer effizienter geworden. Wenn sie einzeln stehen, wandeln sie Windenergie fast so gut in Strom um, wie es die Gesetze der Physik erlauben. Das Problem ist aber: Die Anlangen kommen nicht immer einzeln vor. Oft stehen sie in Windparks, die aus mehreren Hundert Maschinen bestehen können. Und da sieht die Sache mit der Effizienz schon anders aus.
"In Windparks muss man das Zusammenwirken der einzelnen Anlagen verstehen. Stellen Sie sich vor, eine Anlage erzeugt turbulente Luft. Diese Turbulenzen treffen dann auf die nächsten Anlagen windabwärts und verschlechtern deren Energieproduktion. Also ist es für die Entwicklung von Turbinen wichtig zu verstehen, welche Strömungsverhältnisse sie erzeugen und wie diese Strömungen mit anderen Turbinen interagieren", erklärt Jiarong Hong von der University of Minnesota.
Er ist Ingenieur. Und wenn ein Ingenieur Strömungsverhältnisse verstehen will, ist die Methode der Wahl oft die sogenannte "Particle Image Velocimetry". Dabei sprüht man Partikel – zum Beispiel Öltropfen – in eine Strömung und fotografiert sie in kurzen Abständen. Reibung, Turbulenzen, Wirbel: All das kann man aus dem Bildern ermitteln. Doch es ist vor allem eine Methode fürs Labor und für den kleinen Maßstab. Um eine Windkraftanlage unter echten Bedingungen zu vermessen, müsste man Unmengen an Partikeln in die Luft bringen. Ein fast unmögliches Unterfangen. Zumindest bis jetzt.
"Ich habe überlegt, ob die Natur nicht Partikel für die Messung liefern könnte. Und was einem hier in Minnesota als erstes auffällt, ist das kalte Wetter, der Schnee. Also habe ich einige Beobachtungen gemacht. An einem verschneiten Tag war das, an einer Straßenlaterne. Wenn die Laterne die Schneeflocken anstrahlt, kann man deren Flugbahn gut erkennen. Und da hab ich gedacht: Das könnte wirklich funktionieren."
Also machte sich Jiarong Hong mit seinen Kollegen auf zu einer Forschungs-Windraftanlage seiner Universität: 130 Meter Höhe, 2,5 Megawatt Leistung. Sie warteten auf Schnee, probierten verschiedene Scheinwerfer und Kameras aus, um die Flocken abzulichten. Am 22 Februar 2013 klappte es dann: Ein Schneesturm ging über der Anlage nieder, ein umgebauter Suchscheinwerfer brachte die Flocken zum leuchten und eine hochempfindliche Kamera fotografierte sie, während die Forscher die Neigungswinkel der Rotorblätter variierten. Schon mit bloßem Auge konnte man die typischen Wirbel an den Spitzen der Rotorblätter erkennen. Die genaue Auswertung der Aufnahmen dauerte gut eineinhalb Jahre und lieferte noch viel mehr Erkenntnisse:
"Zunächst einmal haben wir gelernt, dass die Steuerung der Turbine die Strömung dramatisch beeinflusst. Wir konnten zeigen, wie die Neigungswinkel der Rotorblätter die Wirbel verändern und wir konnten genau ermitteln, wie schnell sich die Wirbel drehen. Das ist wichtig, um die Kraft zu berechnen, die auf die Blätter wirkt."
All diese Daten sollen in eine Computersimulation von Windkraftanlagen fließen. Damit ließen sich Windparks effizienter gestalten. Doch bis es so weit ist, muss Jiarong Hong noch mehr messen. Das Equipment und die Fördermittel dafür hat er bereits. Alles, vorauf er jetzt noch wartet, ist das richtige Wetter.