Werner Sichermann produziert seit Anfang dieses Jahres Solarstrom. Das ist in Deutschland nun nichts Besonderes mehr. Eines unterscheidet den Mann aus Mittelfranken aber von anderen Betreibern: Die Photovoltaikanlage gehört ihm nicht. Er hat sie lediglich gemietet. Geliebäugelt hatte Werner Sichermann schon lange mit einem kleinen Kraftwerk. Aber er investierte nicht.
"Wenn ich von mir aus aktiv werden muss, dann muss ich mich am Markt umsehen, wo sind geeignete Firmen, muss Angebote einholen und brauche dazu ein bisschen Sachverstand, und den hab ich nicht. Insofern war das für mich gerade richtig, dass dieses Angebot kam."
Das Angebot zum Mieten kam von seinem Stromversorger, der N-Ergie AG aus Nürnberg. Das Unternehmen errichtet seit mehreren Monaten Photovoltaikanlagen auf den Häusern seiner Kunden, damit sich diese selbst versorgen können. Denn der Strom vom Dach ist günstiger als jener, den N-Ergie liefert. Das Unternehmen trägt somit dazu bei, dass sein Stromabsatz sinkt. Das mag absurd klingen. Aber es ist die Antwort auf den wachsenden Trend zur Selbstversorgung, erklärt Vertriebsmanager Konstantin Schöne.
"Wenn es nicht die N-Ergie anbietet, dann bietet es vielleicht eine Solarworld an oder ein anderer Energieversorger oder der Installateur um die Ecke. Deswegen ist die Überlegung, die wir uns gemacht haben - auch wenn wir uns natürlich bewusst kannibalisieren durch so ein Produkt - wir werden da aktiv mitspielen, weil in Zukunft werden immer mehr Leute sich selbst versorgen."
Wartung und Reparaturen inklusive
Werner Sichermann hat bislang ein Drittel des Verbrauchs seiner Familie durch eigenen Strom gedeckt. Den Rest hat er ins Netz gespeist und eine feste Vergütung erhalten. An N-Ergie zahlt er im Gegenzug 40 Euro Miete im Monat. Enthalten sind eine regelmäßige Wartung der Anlage und sämtliche Reparaturen. Der Nutzen überwiegt derzeit geringfügig die Kosten. Steigen die Strompreise in Deutschland, erhöht sich natürlich der Mehrwert für die Familie. Aber auch so ist Werner Sichermann zufrieden. Er trägt zur Energiewende bei, aber sein wirtschaftliches Risiko ist gering. Der ausführende Installateur Günter Franke erreicht wiederum Klienten, zu denen er gewöhnlich keinen Kontakt bekäme.
"Die Kunden sind deutlich qualitätsbewusster und die achten deutlich mehr auf Sicherheit. Wir hatten auch schon Kunden, die hatten so eine gewisse Angst davor, was sie sich da kaufen und dann haben sie eben bei N-Ergie das Vertrauen, dass sich N-Ergie die Installationspartner auch richtig aussucht."
N-Ergie verfolgt mit den Photovoltaikanlagen drei unmittelbare Ziele: Geld zu verdienen, sich als innovatives Unternehmen zu präsentieren und Kunden langfristig zu binden. Schließlich läuft der Mietvertrag über mindestens zehn Jahre. Darüber hinaus handelt es sich um einen Baustein einer neuen Strategie, erklärt Konstantin Schöne: Der Energieversorger will sich zum Energiedienstleister entwickeln.
"Einerseits hat jedes klassische Energieversorgungsunternehmen mit Kundenverlusten zu kämpfen. Dann verbraucht perspektivisch jeder Haushalt ohnehin weniger, weil die Elektrogeräte weniger Strom verbrauchen. Jedes Energieversorgungsunternehmen, was perspektivisch noch ein Wörtchen mitreden möchte, muss sich zwangsweise die Frage stellen: Was kann ich denn in zehn, in 20 Jahren den Kunden noch anbieten? Das ist aus unserer Sicht, eben mehr anzubieten als eine klassische Lieferung von Gas, Wasser, Strom, Fernwärme."
Auf ihrem Weg begleitet viele Energieversorger die Firma Greenergetic aus Köln. Sie hat standardisierte Prozesse für Mietmodelle entwickelt und an rund 40 Unternehmen in Lizenz vergeben. Neben N-Ergie in Nürnberg sind darunter die Stawag in Aachen, die Lechwerke in Augsburg und die MVV in Mannheim. Kein Energieversorger könne sich in den nächsten Jahren der Entwicklung entziehen, glaubt Vertriebsleiter Christian Hodgson.
"Denn der Kunde hat großes Interesse, Teil dieser Energiewende zu werden. Und der Kunde, der von mir als Energieversorger umgehend beraten wurde und von mir eine funktionierende Solaranlage bekommen hat, die dauerhaft günstigen Strom produziert - dann komme ich auch wieder und frage in zwei Jahren andere Dienstleistungen nach."
Andere Dienstleistungen können zum Beispiel Stromspeicher oder eine Heizungsanlage sein. Es gibt erste Energieversorger, die auch hier Lösungen anbieten.