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Energieexperte zu CO2-Steuer
"Verbrauch von fossilen Energieträgern muss teurer werden"

Eine CO2-Steuer wäre ein probates Mittel für die Erreichung von Klimaschutz-Zielen, sagte der Ökonom Marc Oliver Bettzüge im Dlf. Die existierenden Steuern hätten keine sinnvolle Lenkungswirkung. Zur Minderung von Treibhaus-Emissionen sei eine umfassende Steuer- und Entgeltreform notwendig.

Marc Oliver Bettzüge im Gespräch mit Silke Hahne |
Autos stauen sich auf der Berliner Stadtautobahn A100.
Ökonom Bettzüge hält eine CO2-Steuer zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen für sinnvoll (picture alliance / Robert Schlesinger)
Silke Hahne: Ja, nein, vielleicht - die Große Koalition ist mal wieder uneins, dieses Mal in Sachen CO2-Steuer. Die SPD ist dafür, die CSU dagegen, die CDU kann sich nicht entscheiden. Eine CO2-Steuer um der Steuererhöhung willen soll es aber nicht geben, hieß es heute immerhin. Wie aber lässt sich genau das vermeiden, wie kann eine Steuer oder Abgabe tatsächlich lenken, wirken? Darüber konnte ich mit Marc Oliver Bettzüge sprechen, dem Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln. Als erstes habe ich ihn gefragt: KfZ-, Heizöl-, Energie- und Stromsteuer zahlen wir schon. Brauchen wir eine weitere Steuer?
Marc Oliver Bettzüge: Grundsätzlich ist die Bepreisung von CO2, zum Beispiel über eine Steuer, ein probates Mittel für die Erreichung von Klimaschutz-Zielen. Gleichzeitig gibt es heute bereits eine Vielzahl von Steuern und Abgaben, die auf Energieverbrauch einwirken, und insofern ist es aus meiner Sicht sinnvoll, über eine CO2-Steuer im Kontext aller existierenden Steuern zu diskutieren und dann auch entsprechend über eine große Reform der Energiesteuersystematik nachzudenken.
Hahne: Das heißt gleichzeitig: Die Steuern, die wir jetzt haben, die setzen für Verbraucher eben nicht den Anreiz, CO2 zu sparen?
Bettzüge: Die Steuern, die wir jetzt haben, setzen auch Anreize - in Bezug auf den Verbrauch von fossilen und anderen Energieträgern. Allerdings sind diese Steuern nicht eingeführt worden mit dem Fokus darauf, eine sinnvolle Lenkungswirkung mit Bezug auf Klimaschutz herbeizuführen, sondern aus anderen Gründen und mit anderen Motivationslagen, und insofern müsste eine Energiesteuerreform jetzt dazu dienen, hier die Lenkungswirkungen quasi zu schärfen auf dieses eine übergreifende Ziel der Minderung von Treibhausgas-Emissionen.
CO2-Steuer als Anreiz für Verbraucher
Hahne: Lenkungswirkung - würde das dann auch heißen, im Markt betrachtet, dass klimaschädliches Verhalten teurer sein müsste als nicht klimaschädliches Verhalten? Ich nenne mal ein ganz konkretes Beispiel, dass Ökostrom eigentlich günstiger sein müsste als konventionell erzeugter Strom.
Bettzüge: Der Stromsektor ist noch mal eine eigene Kategorie, denn im Stromsektor wird ja über den europäischen Emissionshandel der Einsatz von fossilen Brennstoffen heute schon besteuert - über die Zertifikate und die damit verbundenen Preise. Grundsätzlich ist klar: Klimaschutz wird dazu führen, dass, so oder so, der Verbrauch von fossilen Energieträgern teurer werden muss - entweder, indem sie direkt über Steuern entsprechend verteuert werden, oder indirekt, indem es unmöglich gemacht wird, diesen Verbrauch herbeizuführen, indem man direkt in den Kapitalstock eingreift und den Verbrauchern zum Beispiel vorschreibt, welche Art von Produkt sie zu verwenden haben. Die ökonomische Einschätzung hierzu ist, dass der Weg über die Steuern letztlich für die Verbraucher der günstigere werden würde als der Versuch, mit dirigistischen Methoden hier das Verhalten der Verbraucher zu lenken.
Hahne: Weil der Verbraucher dann immer noch die Wahl hätte, günstigere Produkte zu wählen, oder wie kommt das dann zustande?
Bettzüge: Ganz genau! Über die Steuer, die auf der obersten Ebene ansetzt, wird den Verbrauchern sehr viel Freiheit gelassen darin, wie sie ihr Verhalten und wie sie ihren Kapitalstock anpassen. Und in dem Moment, wo der Staat versucht, den Verbrauchern diese Entscheidungen abzunehmen, kommt es in der Regel zu Fehlsteuerungen.
Hahne: Wie ist denn in dem Kontext dann der Vorschlag oder die Forderung zu sehen, eine mögliche CO2-Abgabe oder Verteuerung für den Verbraucher von klimaschädlichem Verhalten dann wieder finanziell auszugleichen?
Bettzüge: Das kommt natürlich auf die konkrete Ausgestaltung dieser Rückgabe von Steuereinnahmen an den Verbraucher an. Je nachdem wie das gestaltet wird, kann das die Lenkungswirkung konterkarieren oder auch nicht. Man sieht aus den Erfahrungen, die andere Länder mit der Einführung von derartigen Steuern gemacht haben, dass dieses, was die Recycling der Einnahmen angeht, ein sehr wichtiger Aspekt ist, um auch Akzeptanz zu schaffen für diese Art von Verteuerung fossiler Energieträger.
Umfassende Steuerreform nach schwedischem Vorbild
Hahne: Gibt es denn Länder, wo tatsächlich ein sinnvolles System eingeführt wurde, das dazu geführt hat, dass der CO2-Ausstoß der Verbraucher gesunken ist?
Bettzüge: Ein häufig zitiertes Beispiel ist die CO2-Abgabe in Schweden, die ja schon seit etlichen Jahren dort etabliert ist und einige Erfolge erzielt hat und sozial auch akzeptiert ist, so wie man es der schwedischen Diskussion entnehmen kann. An dem Beispiel sieht man sehr deutlich ein paar Erfolgsfaktoren für ein solch steuerbasiertes Modell des Klimaschutzes. Die Steuer wird langsam eingeführt, wird aber mit einem erkennbaren Hochlauf verbunden. Anders als in Deutschland, wo die Energiesteuern seit 15 Jahren nicht mehr gestiegen sind, real gesunken sind, nominal konstant geblieben sind, werden dort praktisch angekündigte Erhöhungen dieser Steuersätze eingeführt, so dass über Zeit die Marktteilnehmer sich anpassen können, aber eben auch wissen, dass sie sich anpassen müssen. Gleichzeitig haben die Schweden bei der Einführung dieser Steuer eine größere Steuerreform vorgenommen und viele andere verzerrende Steuern abgeschafft und damit auch Akzeptanz für diese Reform geschaffen, und ich glaube, diese beiden Aspekte sind auch für die deutsche Debatte von größter Bedeutung.
Hahne: Das bedeutet dann aber gleichzeitig, dass der gesellschaftliche Konsens so breit sein muss, dass so eine Reform dann auch nicht von der nächsten Regierungskoalition wieder über den Haufen geworfen wird.
Bettzüge: Das wäre natürlich von größtem Vorteil, denn gerade diese Bildung von Erwartungen darüber, wie sich Steuersysteme über die nächsten Jahre entwickeln werden, ist natürlich von großer Bedeutung, wenn man Investitionen in den Kapitalstock sinnvoll beeinflussen will.
Komplexität von Klimaschutzbemühungen
Hahne: Und sehen Sie, dass wir in Deutschland zu so einem Konsens kommen könnten?
Bettzüge: Ich halte das nicht für ausgeschlossen. Ich glaube, dass es dafür natürlich hilfreich wäre, aus plakativen Gegenüberstellungen herauszukommen und tatsächlich zu erkennen, mit welcher Komplexität Klimaschutzbemühungen verbunden sind und dass es dafür tatsächlich notwendig ist, ein dickes Brett im Rahmen einer umfassenden Steuer- und Entgeltreform zu bohren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.