O-Ton Angela Merkel: "Wir haben einen dringenden Bedarf einer Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Auch aus Brüssel kommen jetzt kritische Fragen. Und deshalb rufe ich nur noch einmal die Länder auf, dass wir nach der Bundestagswahl das Erneuerbare-Energien-Gesetz novellieren müssen, gerade im Blick auf die Kosten von Energie."
Jule Reimer: So kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende im ARD-Sommerinterview die jüngsten Meldungen, das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verstoße möglicherweise gegen europäisches Wettbewerbsrecht und die EU-Kommission bereite ein Verfahren gegen Deutschland vor. Vor dieser Sendung fragte ich dies Christian Tietje, Professor für Europarecht an der Uni Halle: Verstößt das EEG gegen Europarecht?
Christian Tietje: Ja, es gibt tatsächlich gute Anhaltspunkte dafür, dass ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union vorliegt. Konkret geht es um einen Verstoß gegen das sogenannte Beihilfenverbot. Da die maßgebliche Regelung, um die es hier geht, die Ausgleichsregelung für stromintensive Industrien, selektiv einzelne Industrien wirtschaftlich bevorteilt, bestehen wie gesagt gute Gründe dafür, ein entsprechendes Prüfungsverfahren einzuleiten.
Reimer: Aber das gilt jetzt nicht für das EEG als solches?
Tietje: Das EEG als solches – und insofern hat manche Marktteilnehmer die Entscheidung der Kommission überrascht – ist konform mit dem Recht der Europäischen Union. Die Vorgängerregelung, das Stromeinspeisungsgesetz, wurde vom Europäischen Gerichtshof bereits 2001 überprüft und für konform mit dem Beihilfenrecht der Europäischen Union erklärt.
Reimer: Warum ist es keine Subvention, sagen Sie es kurz?
Tietje: Es ging konkret darum, dass die Preisverpflichtung dazu führt, dass im Ergebnis der Staat kein Geld gibt, sondern das Geld ja nur umverteilt wird zwischen privaten, nämlich dem Kunden beziehungsweise dem Verbraucher und dem Energieunternehmen. Eine Beihilfe setzt immer eine staatliche Zahlung voraus. Dieses System hat sich auch nicht geändert im EEG.
Reimer: Jetzt argumentieren energieintensive Unternehmen, sie stehen im internationalen Wettbewerb, zum Beispiel mit den USA, mit Indien, mit China, mit Schwellenländern, wo Energie billiger ist. Sind da Ausnahmen nicht gerechtfertigt?
Tietje: Das Problem der möglichen Wettbewerbsverzerrung liegt auf der Hand. Die gesamte sogenannte Energiewende führt zu Herausforderungen in der wirtschaftlichen Gleichbehandlung auch weltweit. Das wird man sicherlich so sagen können. Allerdings sind hier immer die Grundsätze eines fairen Wettbewerbs zu beachten, wo die Kommission dieses Spannungsverhältnis, was sich auftut, lösen will. Hier wird man sicherlich die von der Kommission angekündigten Leitlinien zu nationalen Fördersystemen für erneuerbare Energien kundtun. Diese sollen in diesen Tagen, wahrscheinlich noch diese Woche veröffentlicht werden.
Reimer: Halten Sie es denn für wahrscheinlich, dass die befreiten Unternehmen das Geld, was sie durch die Begünstigung sparen, wieder zurückzahlen müssen?
Tietje: Die unionsrechtliche Problematik eines Verstoßes gegen das Beihilfenverbot ist seit mindestens einem Jahr, letztlich schon länger bekannt. Es haben bereits deutsche Gerichte den Europäischen Gerichtshof angesprochen und um eine Stellungnahme zu dieser Problematik gebeten, die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Die Kommission selbst hat vor mindestens einem Jahr bereits angekündigt, dass sie ein Überprüfungsverfahren einleiten wird. Spätestens seit diesem Zeitpunkt werden sich Unternehmen nicht mehr auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen können und müssen dementsprechend mindestens ein Jahr, wenn nicht sogar länger tatsächlich zurückzahlen.
Reimer: Es ist ja die Rede davon, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz sowieso grundsätzlich reformiert werden muss. Wie muss es aussehen, damit es vor Brüssel Bestand hat?
Tietje: Der entscheidende Punkt ist gegenwärtig die selektive Anwendung der Ausgleichsregelung für stromintensive Industrien, also das Herausnehmen einzelner Industrien aus dem Gesamtregelungsmechanismus. Das begründet letztlich die europarechtliche Problematik. Nochmals: Eine allgemeine Preisverpflichtung und ein Umverteilungsmechanismus ist unionsrechtskonform, so jedenfalls der Europäische Gerichtshof 2001 in der Rechtssache Preußen Elektra. Insofern muss man sich Gedanken machen, wie man, ohne selektiv vorzugehen, die wirtschaftliche Belastung insgesamt der Verbraucher und der Industrien niedrig hält.
Reimer: Die EU-Kommission hat recht mit ihrer Kritik an den zahlreichen Befreiungen von Unternehmen von der EEG-Abgabe. Das sagt der Europarechtler Christian Tietje von der Uni Halle und das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jule Reimer: So kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende im ARD-Sommerinterview die jüngsten Meldungen, das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verstoße möglicherweise gegen europäisches Wettbewerbsrecht und die EU-Kommission bereite ein Verfahren gegen Deutschland vor. Vor dieser Sendung fragte ich dies Christian Tietje, Professor für Europarecht an der Uni Halle: Verstößt das EEG gegen Europarecht?
Christian Tietje: Ja, es gibt tatsächlich gute Anhaltspunkte dafür, dass ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union vorliegt. Konkret geht es um einen Verstoß gegen das sogenannte Beihilfenverbot. Da die maßgebliche Regelung, um die es hier geht, die Ausgleichsregelung für stromintensive Industrien, selektiv einzelne Industrien wirtschaftlich bevorteilt, bestehen wie gesagt gute Gründe dafür, ein entsprechendes Prüfungsverfahren einzuleiten.
Reimer: Aber das gilt jetzt nicht für das EEG als solches?
Tietje: Das EEG als solches – und insofern hat manche Marktteilnehmer die Entscheidung der Kommission überrascht – ist konform mit dem Recht der Europäischen Union. Die Vorgängerregelung, das Stromeinspeisungsgesetz, wurde vom Europäischen Gerichtshof bereits 2001 überprüft und für konform mit dem Beihilfenrecht der Europäischen Union erklärt.
Reimer: Warum ist es keine Subvention, sagen Sie es kurz?
Tietje: Es ging konkret darum, dass die Preisverpflichtung dazu führt, dass im Ergebnis der Staat kein Geld gibt, sondern das Geld ja nur umverteilt wird zwischen privaten, nämlich dem Kunden beziehungsweise dem Verbraucher und dem Energieunternehmen. Eine Beihilfe setzt immer eine staatliche Zahlung voraus. Dieses System hat sich auch nicht geändert im EEG.
Reimer: Jetzt argumentieren energieintensive Unternehmen, sie stehen im internationalen Wettbewerb, zum Beispiel mit den USA, mit Indien, mit China, mit Schwellenländern, wo Energie billiger ist. Sind da Ausnahmen nicht gerechtfertigt?
Tietje: Das Problem der möglichen Wettbewerbsverzerrung liegt auf der Hand. Die gesamte sogenannte Energiewende führt zu Herausforderungen in der wirtschaftlichen Gleichbehandlung auch weltweit. Das wird man sicherlich so sagen können. Allerdings sind hier immer die Grundsätze eines fairen Wettbewerbs zu beachten, wo die Kommission dieses Spannungsverhältnis, was sich auftut, lösen will. Hier wird man sicherlich die von der Kommission angekündigten Leitlinien zu nationalen Fördersystemen für erneuerbare Energien kundtun. Diese sollen in diesen Tagen, wahrscheinlich noch diese Woche veröffentlicht werden.
Reimer: Halten Sie es denn für wahrscheinlich, dass die befreiten Unternehmen das Geld, was sie durch die Begünstigung sparen, wieder zurückzahlen müssen?
Tietje: Die unionsrechtliche Problematik eines Verstoßes gegen das Beihilfenverbot ist seit mindestens einem Jahr, letztlich schon länger bekannt. Es haben bereits deutsche Gerichte den Europäischen Gerichtshof angesprochen und um eine Stellungnahme zu dieser Problematik gebeten, die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Die Kommission selbst hat vor mindestens einem Jahr bereits angekündigt, dass sie ein Überprüfungsverfahren einleiten wird. Spätestens seit diesem Zeitpunkt werden sich Unternehmen nicht mehr auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen können und müssen dementsprechend mindestens ein Jahr, wenn nicht sogar länger tatsächlich zurückzahlen.
Reimer: Es ist ja die Rede davon, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz sowieso grundsätzlich reformiert werden muss. Wie muss es aussehen, damit es vor Brüssel Bestand hat?
Tietje: Der entscheidende Punkt ist gegenwärtig die selektive Anwendung der Ausgleichsregelung für stromintensive Industrien, also das Herausnehmen einzelner Industrien aus dem Gesamtregelungsmechanismus. Das begründet letztlich die europarechtliche Problematik. Nochmals: Eine allgemeine Preisverpflichtung und ein Umverteilungsmechanismus ist unionsrechtskonform, so jedenfalls der Europäische Gerichtshof 2001 in der Rechtssache Preußen Elektra. Insofern muss man sich Gedanken machen, wie man, ohne selektiv vorzugehen, die wirtschaftliche Belastung insgesamt der Verbraucher und der Industrien niedrig hält.
Reimer: Die EU-Kommission hat recht mit ihrer Kritik an den zahlreichen Befreiungen von Unternehmen von der EEG-Abgabe. Das sagt der Europarechtler Christian Tietje von der Uni Halle und das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.