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Energiepolitik
CO2 wird eingespart, "nur eben durch andere Mechanismen"

Die Einigung der Bundesregierung auf ein Klimapaket nach monatelangem Stillstand sei ein gutes Signal für die Energiewende, sagte der SPD-Energieexperte Johann Saathoff im Deutschlandfunk. Auch wenn die ursprünglich geplante Klimababgabe für ältere Kohlekraftwerke vom Tisch sei: Man werde die vorgesehenen CO2-Einsparungen erreichen.

Johann Saathoff im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Braunkohle-Tagebau in NRW: Bei dem Ort Borschemisch kratzen riesige Bagger die Erde auf.
    Braunkohle-Tagebau in NRW: Nahe dem Ort Borschemisch kratzen riesige Bagger die Erde auf. (Alois Berger)
    Jasper Barenberg: Wer für den Ausstoß von großen Mengen an schädlichem CO2 verantwortlich ist, der soll auch seinen Beitrag beim Klimaschutz leisten. Von diesem Grundgedanken war Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ausgegangen, als er eine Klimaabgabe für die Kohlewirtschaft ins Spiel brachte. Nötig ist die auch, weil die Bundesregierung noch nachbessern muss, um die eigenen Versprechen beim Klimaschutz überhaupt einzuhalten.
    Seit gestern Abend allerdings ist das Modell Klimaabgabe endgültig vom Tisch. Die beschlossene Alternative bringt weniger und kostet viel mehr, sagen die Kritiker - Kosten, die nun nicht die Kohleindustrie zu zahlen hat, sondern Stromkunden und Steuerzahler, also wir alle. Am Telefon ist Johann Saathoff, der sich in der SPD-Fraktion im Bundestag intensiv mit Energiepolitik beschäftigt. Schönen guten Tag, Herr Saathoff.
    Johann Saathoff: Guten Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Die SPD einigt sich mit der Union auf ein Paket, das die Bürger viel, viel Geld kostet, und der Wirtschaftsminister stellt sich vor die Presse und sagt, das ist ein historischer Erfolg. Das müssen Sie uns erklären.
    Saathoff: Ich glaube, erst mal ist diese Einigung ein gutes Signal für die Energiewende. Nachdem wir mehrere Wochen, fast Monate so ein bisschen auf der Stelle gestanden haben, ist es gut, dass es jetzt weitergeht und der Ausbau der dringend notwendigen Netze jetzt auch erfolgen kann, und ich glaube, dass konstruktive Vorschläge vorgebracht worden sind, mit denen wir diese Energiewende weitertreiben können.
    Barenberg: Herr Saathoff, wir halten erst mal fest: Es ist schon mal gut, wenn nach einer langen Hängepartie die Bundesregierung selber in die Pötte kommt?
    Saathoff: Das können Sie so nicht sagen. Es war ja auch eine Situation, die mit den Ländern verhandelt werden musste. Wenn Herr Seehofer heute bekannt gibt, dass er froh ist, dass die Leitung erdverkabelt wird, dann war das doch vor Wochen noch so, dass es hieß, die Leitung bräuchte eigentlich überhaupt gar nicht sein, es bräuchte keine physikalische Leitung nach Bayern geben. Von daher kann man durchaus in der Frage der Erdverkabelung von einem Durchbruch reden. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es die SPD-Fraktion war, die in der Diskussion um die Erdverkabelung schon frühzeitig in Anspruch genommen hat, eventuell auf das Primat der Erdverkabelung umzuswitchen.
    "Wichtig ist ja, dass der Klimabeitrag nicht vom Tisch ist"
    Barenberg: Lassen Sie uns über die Klimaabgabe sprechen, die nun nicht kommt, sondern die Alternative: ein Paket verschiedener Maßnahmen. Kann man unterm Strich sagen, es ist weniger effizient, was jetzt geplant ist, aber dafür wesentlich teurer?
    Saathoff: Nein. Ich glaube, so kann man das nicht zusammenfassen. Es war ja klar, dass diese 22 Millionen Tonnen CO2-Einsparung irgendwie erwirtschaftet werden mussten, und es gab lange Zeit keinen Vorschlag, weder aus der Wirtschaft, noch aus anderen Bereichen der Politik dazu, und es musste ein Vorschlag vorgelegt werden. Dieser hat die Klimaabgabe betroffen. Nun sagen Sie in Ihrem Beitrag, die Klimaabgabe ist jetzt vom Tisch. Aber wichtig ist ja, dass der Klimabeitrag nicht vom Tisch ist. Das heißt, unsere 22 Millionen Tonnen CO2 in diesem Sektor werden auch tatsächlich eingespart, nur eben durch andere Mechanismen. In der Diskussion dazu haben wir ja auch klar festgestellt, ich habe selber auch darauf hingewiesen, dass wir diesen Strukturwandel nicht so durchführen wollen, dass es ein Strukturbruch ist, sondern dass wir ihn nachhaltig sozusagen auslaufend gestalten müssen, was die Braunkohlekraftwerke betrifft, und da ist diese Aufnahme der Braunkohlekraftwerke in die Kapazitätsreserve genau der richtige Schritt.
    Barenberg: Der richtige Schritt, sagen Sie, um den Preis, dass es für die Kohleindustrie billiger wird, dass sie ihren Beitrag zum Klimaschutz halbieren kann, wenn man das grob sagen kann, und dafür wir als Steuerzahler ordentlich in die Tasche greifen müssen.
    Saathoff: Na ja. Aus der erneuerbaren Energie heraus gibt es ja auch enorm viele Wertschöpfungspotenziale gerade in den ländlichen Räumen. Das wird in dieser Diskussion oft ein bisschen auch hinten vor gelassen. Auf der anderen Seite muss man auch sagen: Durch das Maßnahmenpaket bekommen die Bürger natürlich auch eine ganze Menge, denn wir wollen enorm viel im Gebäudebereich noch zusätzlich einsparen und auch bei den Kommunen. Als ehemaliger Bürgermeister kann ich das sagen. Die Kommunen sind dringend darauf angewiesen, dass sie auf der einen Seite Unterstützung in der Planung bekommen, aber auch in der Umsetzung. Wenn Heizungen optimiert werden, Heizungspumpen, Solarthermie, Straßenbeleuchtung, alles das sind Dinge, die jetzt künftig gefördert werden.
    "Raus aus der Umlage auf den Strompreis, hin zu der Umlage über Steuerfinanzierung"
    Barenberg: Ich frage mich bloß, ob das die Politik für die kleinen Leute ist, die der SPD vorschwebt, wenn es darum geht, die Kosten gerecht zu verteilen, und man jetzt der Kohleindustrie den Beitrag erspart.
    Saathoff: Ich glaube, dass wir den Fokus haben müssen, dass die Menschen in Deutschland den festen Willen haben, diese Energiewende, wie wir sie begonnen haben, auch umzusetzen, schon allein aus der Verantwortung der Kinder und der Enkelkinder gegenüber, und dass sie dazu bereit sind, das sehen wir ja schon an der jetzigen Umlage in dem Sinne. Wir kommen jetzt so ein bisschen raus aus der Umlage auf den Strompreis, hin zu der Umlage über Steuerfinanzierung, und ich glaube, das ist gerade die richtige Zeit, das auch zu machen. Nicht berechnet in diesen Berechnungen, dass es immer alles mehr kosten soll, ist ja, dass enorme Investitionsanreize auch geschaffen werden, die der Wirtschaft natürlich auch wieder gut tun und damit auch den Menschen, die wir vertreten wollen, nämlich die, die im Handwerk und im Mittelstand Arbeit haben.
    Barenberg: Hubertus Heil aus Ihrer Fraktion hat gestern hier im Deutschlandfunk eingeräumt, dass es jetzt natürlich teurer für die Bürger wird, und hat den Vorschlag ins Spiel gebracht, den wir aus der SPD ja schon öfter gehört haben, nämlich die Stromsteuern zu reduzieren. Nun hat die Union das bisher immer strikt abgelehnt. Unterstützen Sie diesen Vorstoß und haben Sie Anzeichen dafür, dass die Union jetzt anders damit umgeht als mit einer Ablehnung?
    Saathoff: Ich würde zunächst mal sagen, es ist eine glückliche Situation, dass wir miteinander im Gespräch sind, wie die Energiewende weiter gestaltet werden kann, und natürlich stehe ich mit Hubertus Heil in engem Kontakt dazu und unterstütze seinen Vorschlag und glaube, dass bei den vielen Themen, die wir auch noch im Detail zu regeln haben, dieses Thema auch noch eine Rolle spielen könnte.
    "Unsinn, dass wir vor der Kohlelobby eingeknickt sind"
    Barenberg: Zum Schluss, Herr Saathoff. Es werden jetzt mit der Klimaabgabe am Ende doch möglicherweise besonders, ich sage mal, schmutzige Braunkohlekraftwerke stillgelegt. Eine Frage ist ja, ob man dafür staatliche Subventionen zahlen muss, wenn die als Reserve gehalten werden. Die andere Frage ist: Ist das tatsächlich auch aus Ihrer Sicht der Einstieg in das Ende für die besonders alten, besonders schmutzigen Kohlekraftwerke?
    Saathoff: Ganz klar. Aus meiner Sicht ist das so zu bewerten. Die Braunkohlekraftwerke können ja nicht angeschaltet werden, wann es soll, sondern dann, wann es unbedingt noch systemrelevant im Netz ist, das heißt wirklich die Reserve darstellen, wie Sigmar Gabriel es sagt, der Gürtel zum Hosenträger. Dass sie aber trotzdem in der Kapazitätsreserve drin sind, ermöglicht uns auch dann für die vielen Beschäftigten in dieser Branche einen Strukturwandel zu generieren und diesen damit zu helfen, dass diese Umstellung der Energiewende für sie persönlich in ihrer eigenen Kasse und in ihrem eigenen Zuhause nicht so hart ankommt.
    Barenberg: Wir haben zu Beginn dieser Sendung gehört, dass Anton Hofreiter Ihnen vorwirft, der Bundesregierung insgesamt, vor der Kohlelobby eingeknickt zu sein. Für Sie ist es genau anders herum? Es ist schon ein wesentlicher Schritt voran?
    Saathoff: Ich halte das für Unsinn, dass wir vor der Kohlelobby eingeknickt sind. Wir haben einen Blick für die Menschen, die in dem Stromsektor insgesamt arbeiten, und wir haben überhaupt kein Interesse daran, dass wir ganze Landstriche entsiedeln und in andere Schwierigkeiten bringen, die dann auch wieder öffentliche Mittel kosten würden, sondern wir wollen verantwortungsvoll diese Energiewende mit den Bürgerinnen und Bürgern gestalten, und ich glaube, wir sind damit auf einem guten Weg.
    Barenberg: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johann Saathoff heute hier live im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch und für Ihre Zeit.
    Saathoff: Ich danke Ihnen, Herr Barenberg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.