"Volle Windeln erwünscht!", steht in blauen Buchstaben auf einem Schild an der Bürotür von Marco Burkhardt. Der Aufruf zaubert jedem, der den Verfahrenstechniker in Cottbus besucht, unwillkürlich ein Schmunzeln ins Gesicht. Eine leise Ahnung kommt auf, womit der Forscher sich an der Brandenburgischen Technischen Universität beschäftigt.
"Das ist unser Technikum, wo verschiedene Anlagen des Lehrstuhls getestet werden."
Am Arbeitsplatz von Marco Burkhardt – ein Bereich, der vom Rest der Halle getrennt ist - wird aus der Ahnung Gewissheit. Einige unbenutzte Inkontinenzwindeln liegen, fein säuberlich gestapelt, auf einer Werkbank. Gewöhnlich stehen hier säckeweise benutzte Windeln rum. Um diese zu verwerten, hat der Wissenschaftler in den vergangenen vier Jahren ein Behandlungsverfahren entwickelt.
"Da hatten wir mal ne Anfrage, wir haben hier diese Windeln beladen. Kann man da irgendwas machen, die Stoffe nutzen, Wertstoffe rausziehen quasi?",
sagt Marco Burkhardt. Die Wertstoffe, das sind zu 60 Prozent Cellulose und zu 18 Prozent Kunststoff. Hinzukommt das Superabsorbierende Polymer (SAP), äußerst saugfähige Kügelchen im Kern der Windel. Bevor sie zu Wertstoffen werden, müssen sie erst einmal voneinander getrennt werden. Das erreicht der Forscher, indem er die Windeln mit Wasser vermischt und unter ständigem Rühren für etwa eine Stunde behandelt. Bei über 200 Grad und einem Druck von um die 20 bar löst sich die Windel auf. Daher stammt auch der Name des Verfahrens: Thermodruckhydrolyse. Was dabei passiert, vergleicht Marco Burkhardt damit,
"...dass man irgendwie was kocht, ein Gemüse vielleicht. Und wenn man das sehr lange kocht und vielleicht noch ein Dampfkochtopf hat, irgendwann ist dann nur noch ne Flüssigkeit drin und das Gemüse einfach voll zersetzt."
Der Kochtopf des Forschers ist allerdings 1,25 Meter breit, 1,78 Meter hoch und fasst 30 Liter. Nach der Behandlung bleibt in der Versuchskammer ein Brei aus gespaltener Zellulose und Exkrementen übrig. Und ein hellblauer Kunststoffball von den Verschlüssen der Windel. Marco Burkhardt greift zu einem Ball, in etwa so groß wie die Metallkugel beim Kugelstoßen:
"Das hier ist der Kunststoff, das sind jetzt etwa 13 Windeln. Und so sieht diese Windel dann aus. Das ist so ein bisschen wie karamellisiert, sag ich mal. Riecht natürlich schon ein bisschen, eher so ein bisschen verbrannt. Aber weniger als vorher",
sagt der Forscher mit verschmitztem Lächeln. Die Behandlung der Windeln ist damit abgeschlossen. Sie ist nun bioverfügbar, wie Marco Burkhardt sagen würde. Heißt: Die karamellisierte Maische kann in einer Biogasanlage weiterverwertet werden. Dabei entsteht Methan, das wiederum zu Strom umgewandelt werden kann. Der Gärrest eignet sich noch als Dünger. Letztlich lässt sich durch das Verfahren im Vergleich zur bloßen Verbrennung also viel mehr Energie gewinnen. Gleichzeitig wird es dadurch natürlich wirtschaftlich. Ein Windelberg aus 100 Pflegeheimen sollte für eine kommerzielle Anlage genügen, hat Marko Burkhardt errechnet. Dabei einkalkuliert: ein kurzer Weg zur Biogasanlage, um auch Abwärme zu nutzen.
Das Verfahren wäre auch für Babywindeln nutzbar
"Jetzt besteht die Herausforderung das Verfahren in größerem Maßstab umzusetzen. Da haben wir auch schon zwei Partner, Zum einen unseren lokalen Abwasserentsorger und auch noch im europäischen Ausland hat sich da ein Interessent angemeldet."
Vielversprechend wäre der inzwischen patentierte Ansatz auch für Babywindeln. Sie fallen in größeren Mengen an und ihre Entsorgung kostet Städte und Gemeinden nur Geld.
"Wir denken, dass da kein Unterschied besteht. Wir haben nur den Fakt, dass die Beladung höher ist, man hat dann endlich mal volle Windeln."