Lennart Pyritz: In der Summe hat er globale Folgen, unter anderem für das Klima: der Energieverbrauch jedes einzelnen Menschen. Das wirft die Frage auf, wodurch er beeinflussbar ist. Sparen wir zum Beispiel Energie, wenn wir in Echtzeit sehen, wieviel davon wir gerade verbrauchen? Und das unabhängig davon, ob wir davon einen finanziellen Vorteil haben? Genau diese Frage ist Gegenstand einer aktuellen Studie im Fachmagazin "Nature Energy". Vor der Sendung habe ich mit der Studienautorin Verena Tiefenbeck gesprochen, Wirtschafts-Informatikerin und Verhaltensökonomin an der ETH Zürich. Ich habe sie zuerst gefragt, was vor der Studie bereits zum Verhalten von Menschen bekannt war, die mit ihrem eigenen Energieverbrauch konfrontiert werden.
Verena Tiefenbeck: Also, das Ausgangsproblem ist ja, dass der Energieverbrauch im Alltag der meisten Menschen einfach nicht sehr präsent ist, und da gibt es auch sehr viele Studien schon dazu. Und klar, wir alle verbrauchen viel Energie, im Haushalt, beim Autofahren und so weiter, aber die meisten Menschen haben relativ wenig Ahnung, welche Geräte eigentlich den Großteil des Energieverbrauchs ausmachen, und entsprechend, in welchen Bereichen es sich wirklich lohnt, da auf den Energieverbrauch zu schauen. Es gab in den letzten Jahren jetzt eine ganze Reihe Studien mit Hilfe von intelligenten Stromzählern, die jetzt viel hochaufgelöstere Daten liefern können und bei denen man gedacht hat, dass sie mehr Transparenz für Konsumenten schaffen würden zu ihrem Energieverbrauch. In der Praxis haben aber die meisten Kampagnen, bei denen solche Daten von intelligenten Stromzählern dann visualisiert wurden, beim großflächigen Einsatz nur eine sehr geringe Energieeinsparung erzielt. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass digitale Feedbacktechnologien sehr wohl große und auch stabile Energieeinsparungen erzielen können, nämlich wenn der Verbrauch zu einer konkreten und energieintensiven Handlung angezeigt wird. Und vor allem, wenn man das nicht erst nach der Handlung tut, sondern bereits während der Handlung. Also, während des Duschens oder während des Autofahrens.
Pyritz: Sie haben jetzt in Ihrer aktuellen Studie das Duschverhalten von Menschen in Schweizer Hotels unter die Lupe genommen, von Menschen also, die keinen direkten, finanziellen Nutzen von diesem Energiesparen haben. Wie genau sind Sie dabei methodisch vorgegangen?
Tiefenbeck: Um herauszufinden, ob solche Feedbacks in Echtzeit auch bei, ja, normalen Menschen und nicht nur bei selbst selektierten Studienteilnehmern funktioniert, haben wir 265 Zimmer in sechs Schweizer Hotels mit intelligenten Duschanzeigen ausgestattet. In 60 Prozent der Zimmer konnten die Gäste während des Duschens ihren Energie- und Wasserverbrauchs auf einer Anzeige sehen, während in den restlichen 40 Prozent der Zimmer die Hotelgäste nur den Wasserverbrauch angezeigt bekamen. Das war dann unsere Kontrollgruppe, mit der wir die Einsparungen verglichen haben. Wir haben insgesamt Daten von über 19.000 Duschvorgängen gesammelt und das Besondere ist eben, dass es sich um ein sogenanntes natürliches Feldexperiment handelt. Das bedeutet, dass die Hotelgäste gar nicht davon wussten, dass sie Teil einer Studie sind. Sie haben diese Duschanzeige schlichtweg als Teil der Ausstattung ihrer Dusche in ihrem Zimmer vorgefunden.
Energiesparen auch ohne finanziellen Anreiz
Pyritz: Was waren die Ergebnisse, welchen Effekt hat das Echtzeitfeedback über den eigenen Energieverbrauch auf das Verhalten beim Duschen?
Tiefenbeck: Hotelgäste, die während des Duschens ihren Energie- und Wasserverbrauch angezeigt bekommen haben, haben fast zwölf Prozent weniger Energie pro Dusche verbraucht als diejenigen Gäste, die nur die Wassertemperatur angezeigt bekamen. Das ist aus zwei Gründen bedeutsam, denn erstens bedeutet das, dass solche Echtzeitinformationen auch bei normalsterblichen Leuten im Alltag eine Energiesparwirkung hervorrufen und dass das nicht nur bei Leuten funktioniert, die sich freiwillig für so eine Studie melden oder die vielleicht allgemein auch mehr an Umweltthemen interessiert sind. Und zweitens haben die Hotelgäste auch keinerlei finanziellen Anreiz zum Energiesparen, weil schließlich bezahlt man ja einen fixen Preis für eine Übernachtung, egal, wie lange man duscht.
Pyritz: Wenn wir jetzt mal auf die dahinterliegende psychologische Interpretation schauen, warum verändern Menschen, warum verändern wir bei der Visualisierung unseres Energieverbrauchs überhaupt das Verhalten?
Tiefenbeck: Das ist aktuell eine sehr spannende Forschungsfrage. Zunächst stellt sich ja die Frage nach der Motivation, ob Leute primär aus finanziellen Gründen oder aus Umweltgründen sich bemühen, Energie zu sparen. Die Ergebnisse unserer Hotelstudie zeigen, dass Echtzeitfeedback selbst dann sehr wirksam ist, wenn die Menschen keinerlei finanziellen Anreiz zum Energiesparen haben. Das Interessante ist, dass wir das ja nicht nur mit einem speziellen Grüppchen, so von Wählern der Grünen durchgeführt haben, sondern dass es eben bei ganz normalen Schweizer Hotelgästen funktioniert, die ja primär in Businesshotels waren. Das bedeutet, dass solche Echtzeitinformationen zum Energieverbrauch tendenziell auch in der breiten Bevölkerung eine sehr große Sparwirkung hervorrufen können. Und die große Wirkung von Echtzeitfeedback ist vermutlich vor allem eine Frage der Aufmerksamkeit, denn vielen Menschen liegt die Umwelt zwar irgendwie schon am Herzen, aber die Auswirkungen unseres Handelns im Alltag auf die Umwelt sind meistens ja nicht sichtbar für uns und wir denken einfach nicht darüber nach. Wir sprechen dabei von Salienz-Bias. Und unsere Forschung zeigt, dass es viel wirksamer ist für Menschen, gezielt Feedback zu einigen wenigen energieintensiven Bereichen zu geben als einen Überblick zum Energieverbrauch ihres gesamten Haushalts.
Viele Anwendungsbereiche für Echtzeit-Feedback
Pyritz: Das würde mich jetzt zur nächsten Frage führen: Wie und in welchen Situationen ließe sich denn jetzt Ihrer Einschätzung nach dieser Effekt praktisch im Alltag anwenden, um sozusagen unser aller Energieverbrauch zu drosseln und so letztendlich auch solchen Dingen wie dem Klimawandel entgegenzuwirken?
Tiefenbeck: Theoretisch gäbe es da eine ganze Reihe von Anwendungsbereichen, aber ich denke, es ist wichtig, dass man Menschen nicht mit Informationen zu ihrem Energieverbrauch in allen möglichen Bereichen zuschüttet. Denn wer will denn schon den ganzen Tag ans Energiesparen denken? Stattdessen sollte man gezielt bei einigen wenigen wirklich relevanten Bereichen ansetzen und darauf dann gezielt die Aufmerksamkeit lenken. Das sind vor allem die Bereiche Heizung und Warmwasser im Haushalt oder auch der Bereich Mobilität. Und bereits heute haben ja viele Autos schon Anzeigen, die den aktuellen Benzinverbrauch visualisieren, aber da gibt es sicher auch noch viel Entwicklungsbedarf, wie man solche Anzeigen wirksamer gestaltet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.