Es war Jules Verne, der als erster eine Zukunft beschrieb, die ihre Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoff und Sauerstoff bezieht. Spätestens seit den 20er-Jahren griffen Forscher diese Idee auf und entwickelten Konzepte und Techniken dafür – doch so recht vom Fleck kamen sie nicht: Im Gegensatz zu Erdgas muss Wasserstoff erzeugt werden, und Wasserstoff braucht eine vollständig neue Infrastruktur. Beides macht die Idee einer Wasserstoffwirtschaft teuer, und so blieb sie auf dem Papier. Bis heute, denn jetzt gehen Forscher und Unternehmen in Ostdeutschland davon aus, dass sie den ersten Schritt in eine Wasserstoffversorgung gehen können.
"Die Rahmenbedingungen machen es möglich, und der Druck, so muss ich ganz ehrlich sagen, der Druck, der aus der Energiewende jetzt schon kommt."
Mit Druck meint Hartmut Krause vom Gastechnologischen Institut in Freiberg vor allem das Problem, erneuerbaren Strom irgendwo zu speichern, wenn Windräder und Photovoltaik mehr erzeugen, als verbraucht wird.
"Dieser Druck führt jetzt nun endlich dazu, dass man technisch und wirtschaftlich diesen Drive aufnehmen kann zu einer – ja, Wasserstoffwirtschaft."
Dafür sind die Voraussetzungen an Elbe und Saale so gut, dass sich die Probleme mit der Infrastruktur günstig lösen lassen.
"Es existiert in Mitteldeutschland eine 140 Kilometer lange Wasserstoffpipeline, die derzeit das mitteldeutsche Industriedreieck verbindet, also von Leuna, Merseburg bis nach Bitterfeld, und diese Infrastruktur kann genutzt werden, das heißt also, hier werden schon stündlich 100.000 Kubikmeter Wasserstoff verteilt."
Bisher wird Wasserstoff aus Erdgas und Erdöl gewonnen. Das ist nicht nachhaltig; die einzig nachhaltige Art ist, Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Doch dafür ist Energie nötig. Die muss besonders günstig sein, wenn der Wasserstoff mit Ölprodukten konkurrieren soll. Genau das bietet die Region um Leuna, so Hartmut Krause.
"Die Besonderheit in diesem Raum ist natürlich, dass wir sehr hohe Mengen an Strom, erneuerbaren Strom zur Verfügung haben, aus dem Nordostdeutschen Raum."
Die bestehende Leitung weiter verzweigen
Dank fehlender Stromleitungen, vor allem nach Bayern, ist abzusehen, dass dieser Strom nirgendwo hin kann – und damit für eine Elektrolyse günstig zur Verfügung steht. Das hat auch das Bundesforschungsministerium überzeugt. Nach gut zwei Jahren Vorarbeit steht seit Februar die Finanzierung der Wasserstoff-Initiative mit dem Titel Hypos. Ihre Mitglieder – dazu gehört auch Hartmut Krause, der für die Finanzen zuständig ist - wollen als erstes die bestehende Leitung weiter verzweigen.
"Die erste Erweiterung der Wasserstoffpipeline wird in diesem Jahr geplant, im nächsten Jahr umgesetzt, und im Jahr 2017 werden wir die ersten, neuen Wasserstofftechnologien an dieses neue Netzende heranbringen."
Dazu gehört dann zum Beispiel der Anschluss eines ganzen Dorfs an die Wasserstoffpipeline, die Installation neuer Heizungen, und Wasserstofftankstellen. Dazu gehört die Demonstration neu entwickelter Elektrolyseure, die mit erneuerbarem Strom Wasserstoff erzeugen und einspeisen, dazu gehört aber auch die Erforschung und Demonstration ganz neuer Techniken – wie etwa Anlagen, die aus dem Gas Grundstoffe für die Chemie erzeugen.
"In der Chemieindustrie werden wir also im Jahre 2016 voraussichtlich die erste Pilotanlage errichten zur Erzeugung von Grundstoffen für Parfums, Riechstoffe, Chanel No5 – ja."
Das wichtigste wird jedoch sein, einen bestehenden unterirdischen Erdgasspeicher umzurüsten und an die Wasserstoffpipeline anzuschließen. Damit regenerativ erzeugter Wasserstoff, der nicht sofort verbraucht werden kann, für später aufgehoben wird. Entlang der Pipeline soll so in den kommenden zehn Jahren eine Wasserstoff-Industrie entstehen und zu einem Vorbild werden für die anderen beiden Wasserstoffleitungen in Europa – im Rheinland und in den Benelux-Staaten.