Marta Margarit hat ein großes Versprechen: Eine Lösung für die Sorgen um die Versorgungssicherheit Europas beim Erdgas. Dafür müsse Europa den Energierohstoff aber auch über Spanien importieren, sagt die Sprecherin des Verbands der spanischen Gasunternehmen. Denn Spanien beziehe kein Gas aus Russland:
"Spaniens Gassystem ist hoch entwickelt. Wir könnten als Transitland Gas aus anderen Staaten in die EU liefern. Zumindest zwölf Prozent des Gasimports aus Russland. Dafür müsste allerdings das Midcat-Projekt fertiggestellt werden, eine dritte Pipeline von Spanien nach Frankreich. Der Bau ist auf spanischer Seite praktisch fertiggestellt. Frankreich hat allerdings noch nicht einmal begonnen."
Mit den hochmodernen Anlagen meint die Sprecherin der Gasunternehmen vor allem die sechs Hafenterminals, an denen verflüssigtes Erdgas angeliefert und ins Gasnetz eingespeist werden kann. Allerdings werden in Spanien viel weniger Gas und Strom verbraucht, als vor der Wirtschaftskrise:
"Die Nachfrage nach Gas ist in Spanien in den letzten Jahren gesunken. Das liegt vor allem an den Gaskraftwerken, die weniger Strom produzieren und somit auch weniger Gas verbrennen. Damit ist unser Gasnetz überdimensioniert. Es wäre also eine Win-Win-Situation. Spanien hat eine unausgelastete Infrastruktur, die Europa braucht. Es würde sonst Jahre dauern, sie zu errichten."
Kein europäisches Land habe so viel in solche Häfen investiert wie Spanien, sagt auch Gonzalo Escribano. Er ist energiepolitischer Experte des Elcano-Instituts, das die Regierung in geopolitischen Fragen berät. Das verflüssigte Erdgas komme aus Norwegen, Peru, Nigeria oder dem Persischen Golf. Allerdings warnt er auch vor zu hohen Erwartungen:
"Wenn sich Spanien hier als Lösung anbietet, ist das übertrieben. Im Augenblick bietet jedes Land an, was den eigenen Interessen am besten entspricht. Die Polen die Kohle und das durch Fracking gewonnene unkonventionelle Gas, die Griechen fordern mehr Zusammenarbeit mit Israel und die Franzosen mehr Atomenergie. Während in Wirklichkeit nur eine Summe aller Vorschläge das Problem der Abhängigkeit Europas von Russland lösen kann. Damit wäre die Marktstellung Russlands zumindest geschwächt."
Allerdings kommt die Hälfte des Gases im weitverzweigten spanischen Netz immer noch aus Algerien über Pipelines nach Spanien. Gerade in Nordeuropa fragt man sich, ob man sich damit wieder nicht in die Abhängigkeit von neuen, unzuverlässigen Lieferanten begibt. Schließlich terrorisiert das Al Kaida-Netzwerk auch die Menschen in der Sahara, wo die Förderstätten liegen. Doch in Spanien macht sich kaum jemand Sorgen um die Versorgungssicherheit:
"Algerien hat noch keinem seiner Kunden den Hahn zugedreht – was man von Russland nicht behaupten kann. Wenn die EU sich vom russischen Gas unabhängiger machen will, muss sie sich grundsätzlich stärker um den Süden kümmern. Aber es gibt keine richtige Einbindung Algeriens in das europäische Energiesystem."
Was sich ändern könnte, wenn Frankreich das spanische Gasnetz an sein eigenes anschlösse. Bislang verweigert sich die französische Energielobby dem Projekt. Frankreichs Energiekonzerne fürchteten Konkurrenz und sinkende Preise, meint Escribano. Denn schließlich wolle Spanien mit dem Projekt zu einem Gasverteiler nach US-Vorbild werden, mit einer eigenen Gas-Börse:
"Es käme Gas aus vielen unterschiedlichen Ländern, hier würde der Preis ausgehandelt. Davon hätte ganz Europa etwas, wir hätten einen transparenten Preis, der sehr wahrscheinlich deutlich unter dem Preis für russisches Gas liegen würde. Ich sage: Wahrscheinlich."