"Ich würde die 200 Millionen verlieren, das wäre mein komplettes Lebenswerk. Zum Essen und Trinken wird es immer noch langen. Ich komme aus der Landwirtschaft, ich kann bescheiden leben. Aber mein komplettes über 30 Jahre erarbeitetes Vermögen wäre verloren", sagt Willi Balz, dessen Unternehmen "Windreich" ums Überleben kämpft. Mit ihm zittern zahlreiche Kleinanleger, die an die Energiewende und an Balz' Vision von sauberem Strom durch Meeres-Windparks geglaubt haben. Windreich plant, baut und finanziert Windkraftanlagen auf hoher See. Über 120 Millionen Euro haben Anleger dem 53-Jährigen anvertraut und gleichzeitig auf satte Renditen gehofft. Viele sind heute zutiefst enttäuscht: "Wenn ein Unternehmen schlecht geführt ist und der Eigentümer etwas dubiose Geschäfte macht, dann brauch' man sich nicht wundern", sagt ein Anleger.
Mittlerweile hat sich auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart eingeschaltet und eine dicke Akte zu Windreich angelegt. Eine anonyme Anzeige hatte die Behörde auf den Plan gerufen. Seit dem Frühjahr vergangenen Jahres ist sie aktiv. Die Vorwürfe gegen den Firmengründer sowie Teile seines früheren Managements wiegen schwer. Die Staatsanwältin Claudia Krauth: "Das Ermittlungsverfahren gegen die fünf ehemaligen Verantwortlichen des Unternehmens wird neben dem Verdacht der Bilanzmanipulation auch wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs, der Marktpreismanipulation und des Kreditbetrugs geführt."
Falsche Bilanzen vorgelegt
So soll das Windreich-Management in den Jahren 2010 und 2011 in seiner Bilanz Umsätze und Forderungen in Millionenhöhe ausgewiesen haben, denen entweder keine entsprechenden Geschäfte zugrunde lagen oder aber Geschäfte mit einem deutlich niedrigeren Gegenwert. Seine Kritiker werfen Balz und seinen Managern deshalb unsaubere Methoden vor. Mit einem Großaufgebot an Polizei durchsuchte die Staatsanwaltschaft im März des vergangenen Jahres nicht nur den Firmensitz von Windreich in Wolfschlugen bei Stuttgart, sondern auch Privatwohnungen von Führungskräften. Die Ermittler nahmen kistenweise Beweismaterial mit. Bis dieses gesichtet ist, werden Monate wenn nicht sogar Jahre ins Land gehen. Durch die Arbeit der Ermittlungsbehörde lässt sich der Windparkbetreiber jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Zumindest nach außen gibt sich der passionierte Hobbypilot gelassen und weist alle Vorwürfe zurück: "Zum einen nehmen wir das absolut ernst und kooperieren voll umfänglich. Andererseits lassen wir uns vom Tagesgeschäft überhaupt nicht davon abhalten und schauen einfach, dass wir unsere Projekte trotz dieser Erschwernis umsetzen."
Ein Unternehmer im Visier der Staatsanwaltschaft; ein Unternehmer, der zahlreiche Kleinanleger enttäuscht; ein Unternehmer, dessen Firma Insolvenz anmelden musste und am seidenen Faden hängt. Wie konnte es soweit kommen? Anfang des neuen Jahrtausends klang der Plan genial. Willi Balz stieg - lange vor Angela Merkels Atomausstieg - in den Bau von Offshore-Windprojekten in der Nordsee ein. Er wurde zum ernsthaften Gegenspieler der großen deutschen Energiekonzerne. Und er hängte sie ab. Denn über die Jahre hinweg gelang es dem Schwaben, sich beim zuständigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bis zu 35 Prozent der ausgewiesenen Flächen für Windparks in der Nordsee zu sichern. Keiner hatte mehr als Willi Balz: "Die deutsche Nordsee ist weltweit mit Abstand das geeignetste Meer zur Stromerzeugung aus Windenergie. Hohe Windgeschwindigkeiten im Jahresdurchschnitt; zweitens aber keine Hurrikans, keine Extremereignisse und damit auch keine Probleme für die Technik. Die Wassertiefe beträgt mehr als 50 Meter, und damit ist es wirtschaftlich bebaubar."
Anleger investierten
2001 sicherte sich Balz die Fläche und reichte die Baugenehmigung für sein erstes Windparkprojekt "Global Tech 1" ein, die fünf Jahre später erteilt wurde. Seit September 2012 werden nun auf 40 Quadratkilometern Nordsee 80 Windräder errichtet, die ab dem kommenden Jahr über 400.000 Haushalte mit Ökostrom versorgen sollen. Bis es jedoch soweit war, brauchte es Geld, sehr viel Geld. Die Investitionen in Windparks können sich auf hunderte Millionen Euro summieren. Geld, das Willi Balz bei kleinen und großen Anlegern sammelte; der Schwabe holte unter anderem die Stadtwerke München und die Südhessische Energie AG an Bord. Anfangs fanden sich auch zahlreiche Investoren, denn Windparks galten gerade bei Großinvestoren lange als lukrativ. Der Windkraftexperte der Universität Stuttgart, Professor Po Wen Chang: "Große Investoren wie Goldman Sachs, die sind ja auch eingestiegen, und in Deutschland hat sich auch Allianz erklärt. Das heißt, die großen Investoren haben auf jeden Fall Interesse, die sehen dahinter auch ein wirtschaftliches Modell, die für sie attraktiv sind."
Auf die Rentabilität von Meereswindparks setzte auch Willi Balz. In der Branche gilt er heute noch als ein Vorreiter. In Hochzeiten beschäftige seine Firma über 100 Mitarbeiter. Jedes Jahr ein neuer Windpark, lautete sein ehrgeiziges Ziel - bis zur Insolvenz im Herbst 2013. Was ihn nicht davon abhält, sich großspurig als Windkraftpionier zu bezeichnen: "Ich hab als junger Mann in Kirchheim/Teck bei der Firma Schempp-Hirth, ein weltbekannter Segelflugzeugbauer, ein Praktikum absolviert. Und rein zufällig hatte Schempp-Hirth den Forschungsauftrag für diese riesige Drei-Megawatt-Forschungs-Windkraftanlage, für den Growian die Flügel zu bauen. Und nachdem ich diese Flügel in einer eindrucksvollen Dimension einmal erleben durfte, da hat es mich erfasst."
Diplomierter Wirtschaftsingenieur
Für das Geschäft bringt Balz die besten Voraussetzungen mit. Zuerst eine Lehre als Elektroniker, dann das Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Hochschule Esslingen. Und Geschäftssinn hat der Bauernsohn sowieso. Den Grundstock für sein späteres Millionenvermögen jedoch legte er nicht mit der Windkraft, sondern er war im Bau- und Immobilienbereich aktiv: "Wenn ich was mache, dann mache ich es gescheit. Und wenn ich wo antrete, dann will ich als erster über die Ziellinie gehen."
Willi Balz strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Er kann überzeugen und verkaufen, wirkt stark, selbstsicher und clever. Und so trieb der Schwabe auch seine Windkraftgeschäfte voran. Anfang 2010 wandelte er sein Unternehmen Windreich in eine Aktiengesellschaft um. Aufsichtsrat und Management besetzte er mit prominenten Namen: So zogen der frühere Chef der Fraunhofer-Gesellschaft, Hansjörg Bullinger, oder auch der Vorstandsvorsitzende des Maschinenbauers Festo, Eberhard Veit, in das Kontrollgremium ein. Auch Walter Döring, langjähriger Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg und ehemaliger FDP-Bundesparteivize, bekam bei Balz einen Posten. Wie die frühere Tagesthemen-Moderatorin Sabine Christiansen: "Die Energiewende steht ja auch jeden Tag auf Seite eins, insofern muss es einfach eine große Rolle spielen." Doch für Christiansen war es nur ein kurzes Gastspiel. Als plötzlich die Staatsanwaltschaft vor der Tür stand, verschwand sie nach wenigen Wochen als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende wieder von der Bildfläche.
Walter Döring hielt es immerhin drei Jahre beim Mittelständler aus, saß erst dem Aufsichtsrat vor, dann im Vorstand. Im Juni 2012 stieg er aus, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn, allerdings sieht sich der Ex-Minister zu Unrecht am Pranger. Dörings frühere Aufgabe bei Windreich glich der eines Außenministers. Als Balz' Stellvertreter machte der bestens vernetzte Ex-Politiker Werbung für das Unternehmen: "Wir sind erfreulicherweise mit der Windreich AG sehr innovativ. Wir machen Windparks in der deutschen Nordsee, das sind auch gleich anderthalb Milliarden Euro Volumen pro Windpark. Da tun sich die Banken nicht nur in Deutschland, sondern quer durch Europa sehr schwer. Und deswegen ist es außerordentlich notwendig und sehr hilfreich, dass wir hier mit der Stuttgarter Börse hier ein neues Segment haben, was uns mit Sicherheit helfen wird."
Stuttgarter Börse ermöglichte Anleihenplatzierung
Die Stuttgarter Börse. Sie spielt in der Windreich-Story eine wichtige Rolle. Das Unternehmen nutzte die dort eigens für Mittelständler neu geschaffene Möglichkeit, Anleihen zu platzieren. Die Rede ist vom sogenannten Segment Bond-M. Darüber beschaffte sich Windreich Millionen Euro. Den Anlegern wurden im Jahr 2010 Wertpapiere offeriert - mit Renditen von über sechs Prozent. In Zeiten niedriger Zinsen ein verlockendes Geschäft. Großinvestoren und Kleinsparer schlugen zu. Mancher Privatmann mit seinen ganzen Ersparnissen. Die Anleger vertrauten auf das Rendite-Versprechen und auf den Boom der erneuerbaren Energien.
Esslingen, Veranstaltungszentrum Neckarforum. Januar 2014. Gläubigerversammlung. Es kommen die Menschen, die Windreich und Will Balz Geld geliehen haben. Viel Geld. Es geht um insgesamt über 120 Millionen Euro. Auf den Gängen Großanleger, die einige Hunderttausende und Kleinanleger, die wenige tausend Euro investiert haben. Dabei schiebt nicht jeder der Anwesenden die Schuld an der finanziellen Schieflage alleine auf Willi Balz: "Ja Schuld ist auch ein bissel die Politik in meinen Augen. Weil die ganze Wende nicht so geht wie an für sich gedacht ist. Und solche Firmen wie Windreich oder Solarworld und solche, diese Firmen hatten ja an für sich mal Zukunft. Aber nachdem jetzt wieder alles abgedrosselt wird, muss man sagen, die Politik hat auch etwas Schuld", heißt es auf der Gläubigerversammlung. Das Hin und Her bei der 2011 nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima ausgerufenen Energiewende ärgert die Windreich-Anleger. Manch einer hat sein Geld bewusst in ein grünes Investment gesteckt. Andere lockte die hohe Verzinsung an. Viele bangen jetzt um ihr Geld und glauben nicht, dass sie es jemals wiedersehen werden. Gegen Willi Balz ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bilanzmanipulation und Insolvenzverschleppung. Mancher der Anwesenden ist ratlos: "Ich erwarte erst mal Auskunft darüber, wie der Stand der Dinge ist. Insbesondere auch über die Vorgeschichte. Nämlich das, was die Staatsanwaltschaft darüber im Sommer ermittelt hat, um möglicherweise zu überlegen, auch noch Strafanzeige zu stellen. Na ja, ansonsten in solchen Fällen bleibt ja eh nix übrig für uns Kleingläubiger, sowieso nicht."
Gläubiger fordern fast 370 Millionen Euro
Fast 370 Millionen Euro fordern die Gläubiger zurück. Darunter nicht nur private Sparer, sondern auch Banken. Eine davon hat Windreich ins Aus manövriert und Willi Balz als Vorstandschef entmachtet: Die Schweizer Privatbank Sarasin. Dort fürchtete man offenbar, ein an Windreich gewährtes Darlehen in Höhe von 70 Millionen Euro nie wieder zu sehen. Aus diesem Grund sollen die Schweizer - nach Balz' Darstellung - im vergangenen Herbst für Windreich Insolvenz beantragt haben. Angeblich soll die Bank zuvor selbst eine undurchsichtige Rolle gespielt haben: Einerseits war sie als Kreditgeber sehr genau über die Finanzen und damit über die finanziellen Schwierigkeiten von Windreich informiert. Andererseits empfahl sie ihren Kunden, bei dem schwäbischen Mittelständler zu investieren. Vorwürfe, die der Münchner Anlegeranwalt Klaus Rotter erhebt: "Wir werfen der Bank Sarasin vor, dass sie in vielerlei Hinsicht unsere Mandanten getäuscht hat. Insbesondere, dass sie die Windreich-Anleihe als solide und sicher dargestellt hat, obwohl diese keinesfalls solide waren. Ein weiterer Vorwurf ist, dass die Bank Sarasin selbst der Windreich AG ein Darlehen gewährt hatte in Höhe von 70 Millionen Euro und dadurch natürlich einen erheblichen Interessenskonflikt hatte, denn sie hatte ein Interesse daran, dass ihr Darlehen bedient wird und dann natürlich Interesse daran, dass die Kunden die Anleihe kaufen und dadurch der Windreich AG Gelder zukommen."
Die renommierte Münchner Rechtsanwaltskanzlei vertritt 15 Anleger, die sich von dem altehrwürdigen Schweizer Bankhaus getäuscht fühlen. Das Geldinstitut äußert sich dazu nicht. Der Anwalt bemüht sich um eine außergerichtliche Einigung. Kommt sie nicht zustande, wird er die Bank wohl verklagen. Dem Gros der Anleger nutzt das allerdings wenig. Bei ihnen herrscht aber das Gefühl vor, das rund um die Windreich-Pleite nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Und dass im Unternehmen viele Management-Fehler gemacht wurden. Insolvenzverwalter Holger Blümle etwa stellte in einem vertraulichen Bericht unter anderem fest: "Es fehlte für ein Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro eine funktionierende Buchhaltung, ein Controlling bzw. eine funktionierende zweite Führungsebene, der auch eigene Verantwortung zugestanden wurde." Im Klartext: Im Unternehmen herrschte immer wieder Chaos. Einmal setzte Unternehmensgründer Balz in einer Nacht- und Nebel-Aktion seinen Finanzvorstand vor die Tür und übernahm kurzerhand den Posten selbst. Neben seinem Amt als Vorstandschef. Ein anderes Mal kaufte er mit Karl-Gerhard Eick den Ex-Finanzvorstand bei der Deutschen Telekom als Berater ein. Doch auch dessen Gastspiel war nur von kurzer Dauer. Im Bericht des Insolvenzverwalters heißt es dazu: "Es gab in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen Wechsel im Top-Management, die sich nachhaltig schlecht auf die Kontinuität der Führung auswirkten."
Größter Projektentwickler in der Windbranche
Willi Balz fiel immer wieder negativ auf. Wegen seiner rauen Art und seines hemdsärmeligen Führungsstils. Einerseits führte er das Unternehmen wie ein unfehlbarer Patriarch. Andererseits hat ihn sein Gespür für ein lukratives Geschäft zu einem der größten Projektentwickler in der Windbranche gemacht. Balz konnte sich mit seiner Firma Windreich über Jahre durchsetzen, dabei ist es für die Produzenten Erneuerbarer Energien immer schwieriger geworden. Erst war da die Hoffnung auf ein attraktives Geschäft, dann stockte die vollmundig angekündigte Energiewende, und die Politik änderte die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren ständig. Zuständig für die Energiewende ist in der Großen Koalition der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Im Bundestag stellte der Bundeswirtschaftsminister die Eckpunkte zur Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes vor. Denn die Politik steht unter Druck. Die Strompreise gehen für Verbraucher und Unternehmen durch die Decke. Es bestehe Handlungsbedarf, so der Minister: "Das, was bei uns unter der Überschrift Energiewende debattiert wird, hat nach wie vor das Potenzial zu einem großen wirtschaftlichen, ökologischen und auch sozialen Erfolg. Aber es birgt eben auch das Risiko einer dramatischen Deindustrialisierung, wenn wir die Kosten für Wirtschaft und Industrie nicht deutlich verändern."
Nach den jüngsten Beschlüssen der schwarz-roten Bundesregierung soll es für Meereswindparks zwar weiterhin eine hohe Anfangsvergütung geben. Aber die Ausbauziele werden gekürzt. Die Eingriffe der Politik in die einst gefeierte Energiewende machen der Branche zu schaffen. Auch fallen einzelne Unternehmen immer wieder durch negative Schlagzeilen auf - das kratzt am Image. Zuletzt hat Prokon von sich reden gemacht - erneut ein Windkraftunternehmen in Schieflage, wieder sind Privatanleger betroffen. Im Fall Prokon ist tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die rund 75.000 Prokon-Anleger bringen sich in Stellung. Schließlich geht es um 1,4 Milliarden Euro, die sie in sogenannte Genussrechte investiert haben. Meldungen wie diese ziehen natürlich Kreise. Künftige Investoren werden sich auch bei Windreich zurückhalten, fürchtet Willi Balz: "Prokon hatte das Pech, dass die vier letzten On-Shore Jahre - und Prokon baut nur On-Shore-Windparks - dass die letzten Jahre katastrophal schlecht waren, teilweise minus 30 Prozent. Genau das war ja der Grund, warum ich mit Windreich vor vielen Jahren schon mit On-Shore aufgehört habe und auf die Nordsee rausgegangen bin, um von diesen Windverhältnissen, die gleichmäßig sind, zu profitieren. Insofern unterscheidet sich die Windreich genau an der Schwachstelle von Prokon glasklar."
Willi Balz: Mit Windreich werde es weiter gehen
Deshalb macht Willi Balz den Anlegern seines Ex-Unternehmens noch immer Hoffnung. Mit Windreich werde es nach seiner Einschätzung weitergehen, sobald die Insolvenz überwunden sei: "Die Energiewende wird ohne Off-Shore-Windparks nicht gelingen. Und es hat nun mal nirgends mehr Wind wie in der deutschen Nordsee, und da haben wir eben die meisten Flächen gesichert und haben einen vier- bis sechsjährigen Vorsprung vor allen großen Energiekonzernen mit der Projektvorbereitung."
Auch Experten teilen diese Einschätzung. Sie sagen, Willi Balz habe einiges richtig gemacht: Die Ausrichtung von Windreich auf den Off-Shore-Bereich, also auf Meeres-Windparks, und die starke Position, die er dem Unternehmen in diesem Bereich verschafft hat, seien gut. Immerhin sei es dem schwäbischen Unternehmer gelungen, einen Großteil der ausgewiesenen Flächen für Windparks in der Nordsee zu sichern. Das Problem liegt ihrer Ansicht woanders. Knackpunkt ist nämlich die Finanzierung: Die Investitionen in Windparks liegen bei hunderten Millionen von Euro - für einen Mittelständler oftmals ein Kraftakt. Der Insolvenzverwalter stellte fest: "Als Projektierer kämpfte Windreich insbesondere mit der langen Vorfinanzierung der Projekte, bis die Flächen erschlossen und die Genehmigungen erteilt sind. Insbesondere im Off-Shore-Bereich können die Projektlaufzeiten bis zu zehn Jahre betragen. In dieser Zeit war Windreich mit erheblichen Vorfinanzierungskosten in verschiedenster Art belastet."
Marktmacht wird bekämpft
Doch das alleine will Willi Balz nicht stehen lassen. Er macht noch einen ganz anderen Grund für seine Schwierigkeiten aus: "Wenn man im Bereich saubere Stromerzeugung eine gewisse Marktmacht versucht zu erreichen, wird man einfach systematisch demontiert in Deutschland." Willi Balz sieht sich nach der Windreich Pleite zu Unrecht am Pranger. Er gibt stattdessen den Medien und der Schweizer Bank Sarasin die Schuld. Der durch die Bank gestellte Insolvenzantrag entmachte den Unternehmensgründer im vergangenen Herbst. Der 53-Jährige jedoch gibt nicht auf, er will seine einstige Firma vor der Abwicklung retten und auf den Chefsessel zurück. Doch noch hat Insolvenzverwalter Holger Blümle das Sagen. Balz: "Ich werde mit Herrn Blümle konstruktiv zusammenarbeiten, er ist ein Insolvenzexperte, ich bin ein Windkraftexperte, und beides braucht es."
Für den schwäbischen Mittelständler geht es nicht nur um die Fortführung seines Lebenswerks. Es geht auch um sehr viel Geld. Der Großteil seines Vermögens, rund 200 Millionen Euro, steckt im Unternehmen. Dabei hängt die Zukunft von Windreich derzeit von einem einzigen Projekt ab: dem geplanten Windpark M-E-G 1 in der Nordsee. Dessen späterer Verkauf könnte 120 Millionen Euro in die Kasse der hochverschuldeten Firma spülen. Ob sich M-E-G 1 aber tatsächlich als Rettungsanker erweisen wird, steht noch in den Sternen. Schon in der Vergangenheit wurde dessen Verkauf häufig in Aussicht gestellt – erfolglos. Die Zitterpartie für alle an Windreich-Anleger geht also weiter.