Früher war im Energiesektor alles schön übersichtlich: Große Kraftwerke und wenige Versorger lieferten Strom und Wärme an die Verbraucher. Alle Energieströme waren gebündelt und flossen in eine Richtung. Das hat sich gründlich geändert. Die Versorgung ist dezentralisiert und schwankend, manche Verbraucher sind auch Erzeuger und geben Energie in die Netze zurück. Ob es gelingt, diese vielen Verbraucher und Erzeuger von Strom optimal zu koordinieren, zu terminieren und zu steuern, entscheidet mit darüber, ob die Energiewende gelingt. Dabei kommen ausgefeilte IT-Systeme ins Spiel, denn es können enorme Datenmengen anfallen:
"Wenn man sich vorstellt, dass wir für die Energiewende jeden Haushalt einbeziehen würden als Datenquelle, dann handelt es sich um Millionen von Haushalten, die Daten erheben. Und auch in einer hohen Zeitauflösung, die im Minutenbereich oder unter einer Minute liegt."
Berichtet Clemens Düpmeier, Projektleiter am Institut für Angewandte Informatik des Karlsruher Institut für Technologie, dem KIT. Er war für die Gesellschaft für Informatik Mitveranstalter der Tagung.
"Das heißt, schon über den Tag kommt von einer Stadt einer schier gigantischen Menge von Daten, die entsprechend erfasst werden muss, in zentralisierten Systemen gespeichert und anonymisiert werden muss, schon aus Datenschutzgründen. Dann müssen Analysen über diese Daten gemacht werden, was ist der aktuelle Bedarf an Energie in einem Haushalt und wie kann ich den aus lokal in der Umgebung dieses Haushalts erzeugten Quellen bedienen."
Diese Analyse von Informationen und ihre Zusammenführung sind aufwendig, denn die Daten kommen in vielen unterschiedlichen Formaten und aus vielen Quellen. Im Idealfall werden sie unter einem Dach verwaltet. Ein solches Dach entsteht derzeit am KIT unter dem Namen Energy Lab 2.0 als sogenanntem Rellabor. Damit betreten die Karlsruher Neuland:
"Das Problem, das wir dadurch lösen wollen, ist, dass es zwar bereits seit langem Forschung zu smarten Energietechnologien gibt, dass diese aber ein Stück entfernt sind von der konkreten Anwendung. Das Reallabor soll die Lücke schließen, sodass man von den universitären Konzepten dichter an die Realisierung rankommt, idealerweise so dicht, dass man die Dinge in die Praxis überführen kann."
Dazu kombinieren die Forscher in einem System reale Daten aus Anlagen und Simulationen in einer sogenannten Leitstelle. Ein wesentlicher Forschungsbereich ist dabei die Entwicklung von Werkzeugen auf Grundlage von Big-Data-Technologien, um die Masse der Daten zu bewältigen. Neben dieser Koordination von Energieströmen gibt es noch einen zweiten Bereich, in dem IT bei der Energiewende gefragt ist: Die Reduzierung des Energieverbrauchs durch effizienteren Energieeinsatz in Haushalten, aber auch in der Industrie.
Ein Beispiel, das dazu vorgestellt wurde, sind stromsparende Sensoren des Freiburger Unternehmens Smart Exergy. Sie senden nicht ständig Daten, sondern werden nur aufgeweckt, wenn die Informationen benötigt werden. Ein Einsatzfeld für diese Sensoren sind beispielsweise Smart-Home-Lösungen, bei denen Heizkörper per Funk aus der Ferne geregelt werden können. Die Ansprüche an Effizienzgewinne durch IT sind hoch, berichtet Marian Klobasa. Er leitet das Geschäftsfeld Energiemanagement und intelligente Netze am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.
"Die Erwartungen sind schon so, dass man nicht über einstellige Prozentzahlen an Effizienzsteigerungen spricht, sondern sich eher in zweistelligen Prozentraten Einsparungen vorstellt, also zehn bis 20 Prozent."
Unternehmen erfassen durch eine präzisere IT-unterstützte Modellierung der Produktion, wie Strom gespart werden kann, so Klobasa. Sie setzen Werkzeuge zum Energiemanagement ein, um den Energieverbrauch zu vermindern und die Kosten zu senken. Die Tools erfassen, wie und ob sich der Strombezug verringern oder verschieben lässt, ohne dass die Produktion darunter leidet:
"Was sich zukünftig sicher ergeben wird, ist, dass man eine Flexibilisierung des Stromverbrauchs auch in Managementtools integriert und auch eine stärkere Vernetzung mit anderen Akteuren versucht wird, umzusetzen, um die Anforderungen, die sich aus der Energiewende ergeben erfüllen zu können."