Archiv

Energiewende
Experten fordern Fokus auf grünen Wasserstoff

Der Energieträger Wasserstoff soll künftig in vielen Bereichen zum Einsatz kommen. So sieht es die Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung vor. Doch der Sachverständigenrat für Umweltfragen rät in einer aktuellen Stellungnahme zu einer klaren Fokussierung auf nachhaltige Erzeugung.

Von Frank Grotelüschen |
Die Elektrolyse-Anlage im nach Unternehmensangaben größten netzgekoppelten Wasserstoff-Kraftwerk Europas in der Firma Apex Energy. Vom Herbst dieses Jahres an werde Apex grüne Energie für Industrie und Gewerbe, Wohnungsgesellschaften, für den öffentlichen Nahverkehr oder zur Zwischenspeicherung von Regelenergie liefern. Jährlich könne so ausschließlich regenerativen Energiequellen bis zu 300 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden.
Diese Elektrolyse-Anlage der Firma Apex Energy kann aus regenerativen Energiequellen bis zu 300 Tonnen Wasserstoff pro Jahr erzeugen. (dpa/Jens Büttner)
Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren Milliarden investieren, um den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur zu fördern. Als umweltfreundlicher Energieträger soll das brennbare Gas künftig fossile Brennstoffe wie Erdöl, Kohle und Erdgas ersetzen und als Grundstoff für die chemische Industrie dienen. Bei den Fragen, woher der Wasserstoff künftig kommen und in welchen Bereichen er am sinnvollsten eingesetzt werden soll, gehen die Vorstellungen aber auseinander. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät, setzt auf grünen Wasserstoff und hält wenig davon, damit Autos zu betanken und Wohnungen zu beheizen.

Welche Rolle spielt Wasserstoff für die Energiewende?

Das lässt sich nach Lektüre der 'Stellungnahme Wasserstoff' nur bedingt sagen. Die Experten kommen zwar zu dem Schluss: Wasserstoff wird ein wichtiger Baustein der Energiewende sein – sofern es sich um grünen Wasserstoff handelt, also hergestellt mit regenerativen Energien. Aber als diesen energetische Tausendsassa, wie er gerne dargestellt wird, will der Umweltrat Wasserstoff nicht sehen. Das Argument: Die Erzeugung von Wasserstoff ist vergleichsweise teuer und ineffizient. Es braucht also jede Menge Solarzellen und Windräder, um ihn in ausreichenden Mengen zu erzeugen. Und das sei, so der Umweltrat, nicht für jede Anwendung effizient. Grundsätzlich sollten wir in Zukunft insgesamt weniger Energie verbrauchen, raten die Experten, und wir sollten grünen Strom wenn möglich direkt verwenden. Auf Wasserstoff sollte man nur dort setzen, wo es keine besseren Alternativen gibt.

Wo konkret wird Wasserstoff in Zukunft wichtig sein?

Einige Bereiche der Industrie werden auf Wasserstoff setzen müssen. Als Beispiel nennt der Sachverständigenrat für Umweltfragen hier die Stahlindustrie. Die befeuert ihre Hochöfen ja heute mit mit Koks, also Kohle. Und da gibt es neue Methoden, bei denen man die Eisenerze auf direktem Wege mit Wasserstoff verarbeiten kann. Ein anderer Bereich ist die Luft- und die Schifffahrt. Da sieht es nicht so aus, als käme man mit Batterien und Elektromotoren besonders weit. Stattdessen läuft‘s wohl darauf hinaus, dass Schiffe und Flugzeuge entweder direkt mit Wasserstoff unterwegs sind oder mit synthetischen Treibstoffen, die aus grünem Wasserstoff gewonnen werden. Unklar ist noch, wie es mit dem Schwerlastverkehr aussieht, also mit Bussen und LKWs. Auch da könnte es mit Batterien schwierig werden. Wasserstoff dagegen kann man tanken wie Diesel und recht ordentliche Reichweiten erzielen.

Werden Autos künftig Wasserstoff tanken?

Nach Auffassung des Sachverständigenrates für Umweltfragen eher nicht. Und das bedeutet, dass man sich den Bau eines Tankstellennetzes für Wasserstoff für den Pkw-Bereich sparen sollte. Ähnliches gilt bei den Gebäudeheizungen. Auch hier gibt‘s laut den Experten mit den Wärmepumpen eine effizientere Alternative, um Strom direkt in Heizenergie zu verwandeln. Der ineffiziente Umweg über die Erzeugung von Wasserstoff ist deshalb im Wärmesektor nicht sinnvoll. Und der Umweltrat warnt deshalb, man solle aufpassen, dass man den Wasserstoff nicht durch Fördergelder und Steuernachlässe zu sehr gegenüber den Wärmepumpen bevorteilt.

Woher soll der grüne Wasserstoff künftig kommen?

Da gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Die eine ist, den Wasserstoff vor allem hier in Deutschland zu erzeugen. Dazu müsste man allerdings die erneuerbaren Energien viel stärker ausbauen als bislang geplant. Die andere Möglichkeit wäre, Wasserstoff billig etwa mit riesigen Solarfarmen in Nordafrika zu erzeugen und dann zu importieren.
Hier favorisiert der Sachverständigenrat für Umweltfragen eher die erste Variante, also die heimische Erzeugung, sieht aber auch die Notwendigkeit von Importen und fordert eine Art Gütesiegel, das garantiert, dass der Wasserstoff in anderen Ländern auch tatsächlich grün hergestellt wird. Eines aber lehnen die Experten entschieden ab: Die Nutzung von sogenanntem blauem Wasserstoff im großen Stil. So nennt man Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird und bei dem das freiwerdende CO2 eingesammelt und dauerhaft im Boden gespeichert wird. Das sei klimamäßig keine Alternative und deshalb ein Irrweg.

Welchen Einfluss haben Wissenschaftler auf die politischen Weichenstellungen?

Es gibt mittlerweile viele Studien und Stellungnahmen zu diesem Thema. Dieser Bericht des Umweltrats ist eine weitere und wird sicher nicht unbeachtet bleiben. Aber er untersucht das Thema Wasserstoff naturgemäß nicht aus sämtlichen Blickwinkeln, sondern schaut vor allem durch die umweltpolitische Brille, also vereinfacht gesagt: Wie sollte man mit Wasserstoff umgehen, damit Umwelt und Klima möglichst stark davon profitieren? Aber es gibt natürlich auch andere Kriterien und Argumente, etwa der gesellschaftlichen Akzeptanz und auch der Wirtschaftlichkeit. Bei der Frage, wie grüner Wasserstoff hergestellt wird, könnte künftig zum Beispiel einfach der Preis entscheidend sein – wer den Wasserstoff am günstigsten anbieten kann, der bekommt den Zuschlag. Da könnten schlicht dieselben Marktmechanismen greifen wie heute. In dieser Hinsicht gab’s an der Stellungnahme des Umweltrats auch schon Kritik, und zwar was den blauen Wasserstoff angeht. Hier meinen manche, dass der als Brückentechnologie für eine Übergangszeit schon eine Rolle spielen könnte – nämlich um überhaupt erstmal eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, solange noch nicht genug grüner Wasserstoff verfügbar ist.