Bei der Energiewende geht es ganz wesentlich um die sogenannte Eigenversorgung, also die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit Strom um, der vor allem durch Solaranlagen erzeugt wird, um ihn selbst zu verbrauchen? Wenn sich also Mietshäuser, Tankstellen, Supermärkte, aber auch Autofabriken und Maschinenbauer ihren Strom selbst erzeugen durch Sonnenenergie. Soll auf diesen Strom auch die Ökostrom-Umlage von gut sechs Cent je Kilowattsunde bezahlt werden, mit der wir Privatverbraucher alle derzeit die Energiewende finanzieren? Sigmar Gabriel schreibt in einem vertraulichen Brief, der dem Deutschlandfunk vorliegt: Wer in Zukunft eine Anlage aufstellt, um seinen Strom selbst zu erzeugen, soll 50 Prozent der Ökostromumlage zahlen. Nur Einfamilienhäuser sollen für Eigenverbrauch keine Umlage zahlen. Umweltverbände, Verbraucherschützer und Opposition halten es für grundlegend falsch, selbst erzeugten Ökostrom mit der Ökostromumlage zu belegen. Denn eine dezentrale, klimafreundliche Stromerzeugung sei ja erwünscht. Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag:
"Wir fordern konkret, dass die Belegung von Eigenstromerzeugung mit EEG-Umlage nicht realisiert wird, dass das Konzept der Sonnensteuer abgeschafft wird."
"Geld für die Energiewende müsse man anders auftreiben"
Das lehnt Wirtschaftsminister Gabriel ausdrücklich ab. In seinem Brief schreibt Gabriel, der Eigenstrom müsse belastet werden, um "die Flucht aus der EEG-Umlage in die Eigenstromerzeugung zu bremsen." Zu Deutsch: Gabriel will verhindern, dass immer mehr Menschen, Betriebe und Hauseigentümer ihren Strom mit Sonnenkraft selbst erzeugen, um so die Ökostrom-Umlage zu sparen. Diese Umlage wird derzeit gebraucht, um die Energiewende zu bezahlen. Aber das Geld für die Energiewende müsse man anders auftreiben, sagt Holger Krawinkel, Energieexperte bei den Verbraucherzentralen. Denn zum einen sei selbst erzeugter dezentraler Ökostrom eine gute Sache. Aber dazu komme noch: Selbst wenn der selbst erzeugte Ökostrom mit der Ökostrom-Umlage belastet würde, würde das kaum Geld in die Kassen spülen. Gabriel selbst rechnet mit 10 Millionen Euro mehr pro Jahr. Die Energiewende kostet aber jedes Jahr mindestens 20 bis 30 Milliarden. Krawinkel fordert daher, nicht den Stromverbrauch zu belasten, sondern die Nutzung des Stromnetzes:
"Wenn der Eigenstromanteil sehr ansteigt, muss ich mir natürlich überlegen, wie ich die Gesamtfinanzierung des Stromsystems bewerkstellige. Da gibt es aber auch andere Wege. Zum Beispiel die eines Fonds, um eben die aufgelaufenen Kosten der Erneuerbaren anders zu finanzieren. Denn es geht ja gerade darum, die dezentralen Technologien auszunutzen und damit neues Wirtschaftswachstum zu generieren. Wir haben ausgerechnet: Alleine im privaten Haushaltsbereich mit Ein-Zwei-Familienhäusern besteht ein Investitionsvolumen von 150 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren, wenn dort auf Speicher und Solartechnik umgestellt wird. Wenn man sich das entgehen lässt, ist das keine vernünftige Wirtschaftspolitik."
Tatsächlich wolle Wirtschaftsminister Gabriel durch die Belastung von selbst erzeugtem Ökostrom das alte Energiesystem mit wenigen großen Stromversorgern erhalten, sagt Grünenpolitiker Oliver Krischer:
"Weil natürlich jede Kilowattstunde, die da irgendwo auf einem Hausdach erzeugt wird, ist wieder ein Stück Verlust des Marktanteils der alten großen Kohlekraftwerksbetreiber. Und am Ende geht es Gabriel nur darum, den Ausbau der Photovoltaik und der Kraftwärmekopplung abzuwürgen, zu verhindern, um damit das Geschäftsmodell von RWE und Co. zu retten."
Dafür spreche auch eine weitere Maßnahme, die Gabriel in seinem Brief ankündigt: Auch der Kohlebergbau zahlt bisher keine Ökostromabgabe auf seinen selbst erzeugten Strom. Für Kohlebergbau sollen bald auch 50 Prozent der Abgabe anfallen, schreibt Gabriel. Weiterhin völlig unbelastet von der Ökostromabgabe sollen jedoch Braunkohlekraftwerke bleiben. Braunkohlekraftwerke verbrauchen bis zu 10 Prozent ihres erzeugten Stroms selbst. Braunkohlekraftwerke sparen durch die Befreiung der Ökoumlage nach Berechnungen von BUND und Greenpeace jedes Jahr 630 Millionen Euro. Das führt nach einem Bericht des ZDF-Magazins "Frontal 21" dazu, dass Industrieunternehmen sich lieber ein altes Kohlekraftwerk mieten, statt sauberen Strom einzukaufen.