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Energiewende im Atomstaat
Frankreich hängt weiter an der Kernkraft

Frankreich setzt weiter auf Atomkraft, doch die Stromerzeugung aus Wind und Sonne wächst auch dort. Allerdings kommt die Energiewende nicht so schnell voran wie bisher geplant. Die Atomkraftwerke des Landes sollen deshalb erneuert werden und das Land setzt auch auf den Export von Reaktoren.

Von Manuel Waltz |
    Das französische Atomkraftwerk in Flamanville in der Normandie
    Atomkraft soll auch künftig in Frankreich die Stromerzeugung dominieren (AFP Charly Triballeau)
    Didier Anger steht an einer steilen Klippe an der Küste der Normandie. Er blickt nach Norden etwa ein Kilometer entfernt von ihm auf das Atomkraftwerk Flamanville. Drei große Schornsteine stechen heraus, der dritte gehört zu dem neuen Reaktor, dem Europäischen Druckwasserreaktor EPR, den der frühere französische Atomkonzern Areva gemeinsam mit Siemens Anfang der 2000er Jahre entwickelt hat.
    "Ich denke, dass der Staat alles tun wird, damit der Reaktor hier ans Netz geht, weil er so wichtig für die Wirtschaftsstrategie der Regierung."
    Didier Anger kämpft seit Jahren gegen die Atomindustrie hier in der Normandie, auch gegen diesen Neubau. Eigentlich soll er schon längst laufen, Stand jetzt: Es soll Ende 2019 soweit sein. Doch weder der Reaktorkessel noch der Deckel – die wichtigsten Sicherheitselemente des Reaktors – entsprechen den gesetzlichen Sicherheitsstandards.
    "Der Staat hat deshalb ein Dekret erlassen, das den Reaktorbetreiber Electricité de France - EdF - autorisiert, geltendes Recht zu missachten, das eigentlich für die atomare Sicherheit des Kessels sorgen soll."
    Akws sollen erneuert werden
    In einer Schmiede wurden über Jahrzehnte fehlerhafte Teile gebaut und in vielen Atomkraftwerken auf der Welt verbaut, darunter der Kessel und der Deckel in Flamanville. Seit 2017 ermitteln sowohl die französischen als auch die US-amerikanischen Behörden. Trotzdem darf EdF den neuen Reaktor betreiben. Denn der soll ein Exportschlager werden. Und er ist elementarer Teil der französischen Energiepolitik, das erklärt Valérie Faudon vom französischen Atomenergie-Verband SFEN.
    "Für uns ist es wichtig, dass wir das Wissen haben, wie man die französischen Kraftwerke erneuert. Das wird in den Jahren zwischen 2030 und 2050 geschehen, weil wir wissen, dass wir nicht alles mit den Erneuerbaren machen können. Und deshalb möchten wir das Know-How nutzen können, das wir in Flamanville gewinnen, um diese Erneuerung des Kraftwerkparks anzugehen."
    Die meisten französischen Atomkraftwerke stammen aus den 1980er-Jahren, sie liefern derzeit etwa 75 Prozent des Stroms. Und das weitgehend CO2-neutral. Um nicht mehr so abhängig zu sein, will Frankreichs Regierung den Anteil aber absenken. Wie genau und in welchen Zeiträumen, das sollte Umweltminister de Rugy eigentlich erklären, der Termin wurde aber erst einmal verschoben. In der Atomindustrie jedenfalls sieht man sich für mehr erneuerbaren Strom gewappnet.
    "Früher drosselten die Atomkraftwerke ihre Produktion vor allem in der Nacht, weil dann weniger Strom gebraucht wird. Heutzutage passen sie ihre Produktion zunehmend dem jeweiligen Angebot an Solar- und Windenergie an. Nicht nur in Frankreich auch bei den Nachbarn in Deutschland und in Spanien."
    Noch ist kein einziges Atomkraftwerk geschlossen worden
    Aber: Sollten kaum Kernkraftwerke abgeschaltet und deutlich mehr Erneuerbarer Strom produziert werden, dann hätte das nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Strompreise in Europa, erklärt Nicolas Berghmans, Wissenschaftler am Pariser Think-Tank IDDRI:
    "Haben wir gleich viel Atomstrom und wachsende Erneuerbare Energien, dann werden wir deutlich mehr exportieren und außerdem wird der Strompreis sinken. Je nach Ausmaß bringt das dann möglicherweise die Erneuerbaren Energien in Bedrängnis, sich zu refinanzieren."
    Bliebe die Produktion von Atomstrom auf dem jetzigen Niveau, dann müsste der Staat den Ausbau der Erneuerbaren massiv bezuschussen. Welchen Weg Frankreich einschlagen wird, weiß auch Nicolas Berghmans nicht. Nur eines weiß er:
    "Frankreich hat bisher noch kein einziges Atomkraftwerk geschlossen. Gerade erst werden die Vorgaben definiert, die die erste Stilllegung überhaupt, nämlich die von Fessenheim, regeln sollen."
    Das störanfällige Kraftwerk an der Grenze die Baden Württemberg sollte schon vor Jahren geschlossen werden, es ist aber noch immer an Netz. Didier Anger, den Antiatomaktivisten aus der Normandie, bestätigt das in seinen Zweifeln, dass wirklich bald Kraftwerke abgeschaltet werden. Für den Staat sei die Atombranche von enormer Bedeutung. An ihr hingen tausende Arbeitsplätze, konstatiert er. Und die beiden wichtigsten Konzerne, EdF und Orano, das Nachfolgeunternehmen von Areva, gehören auch noch größtenteils dem Staat.
    "Es ist eine Mischung aus privat und staatlich. Die Nuklearindustrie, das ist der Staat. Und der Staat, der setzt sich einfach durch."