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Energiewende könnte schneller kommen

Die Europäische Kommission würde in den Energieszenarien die Kosten der Atomkraft unterschätzen, aber die künftigen Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien überschätzen, so die vorgestellte Studie des DIW. Demnach müsse das Regelwerk der EU aktualisiert werden.

Von Dieter Nürnberger | 17.07.2013
    Der Vorwurf des DIW an die Adresse der Europäischen Kommission ist eindeutig: Systematisch würden in den Energieszenarien der Kommission die Kosten der Atomkraft unterschätzt, die künftigen Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien aber überschätzt.

    Hintergrund der heute vorgestellten DIW-Studie ist das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Klima- und Energiepolitik aus dem Jahr 2011. Hier werden mittel- und langfristige Szenarien für die Klima- und Energiepolitik der EU formuliert. Ein Rahmenwerk, so DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert, welches allerdings von den Zahlen veraltet ist. Falsche Annahmen beispielsweise über die Kosten der Atomenergie.

    "Die Atomenergie ist nicht preiswert. Insbesondere, weil wir festgestellt haben, dass sie in der Vergangenheit immer teurer wurde - durch neuere Bautechnologien, auch durch immer höhere Sicherheitsanforderungen. Und die Kosten der Atomenergie werden - wie man derzeit beispielsweise in England sieht - auch von den Verbrauchern getragen. Denn hier gibt eine Umlage für Atomkraft, genauso wie etwa in Deutschland für die erneuerbaren Energien. Insofern ist es ein Mythos anzunehmen, der Markt könnte dafür allein aufkommen."

    So würden auch die anfallenden und in Zukunft noch deutlich steigenden Kosten für die Endlagerung atomaren Abfalls oft vernachlässigt. Fehlen würden zum Beispiel auch Kostenschätzungen für den Rückbau der Anlagen, ganz zu schweigen von den finanziellen Folgen möglicher Unfälle, wie etwa in Fukushima. Weder in Europa, noch anderswo sei jemals ein Atomkraftwerk unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gebaut worden, erklärt der Forschungsdirektor des DIW, Christian von Hirschhausen.

    Ein umgekehrtes Bild zeige sich hingegen bei den erneuerbaren Energien. Produktivitätsfortschritte und Kostensenkungen in der Vergangenheit würden in den Szenarien der EU-Kommission vernachlässigt. DIW-Expertin Claudia Kemfert:

    "Ein Beispiel ist die Fotovoltaik-Industrie. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Kosten halbiert. Allerdings geht die Kommission immer noch von Kosten aus, die im Jahr 2050 über dem liegen sollen, was wir heute schon erreicht haben."

    Aus Sicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung muss das Regelwerk der EU nun schleunigst aktualisiert werden. Dies sei auch deswegen notwendig, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa, 2020 sollte ein Anteil von 20 Prozent erreicht werden, ambitionierter angegangen werden müsste. Derzeit beträgt der Anteil rund 13 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch.

    Claudia Kemfert fordert neue Weichenstellungen.

    "Aus unserer Sicht ist sehr problematisch, stark auf Atomenergie und die CO2-freie Kohle-Technologie zu setzen. Zum einen sind beide Technologien erstens teuer und zweitens, wie im Falle der CCS-Technologie auch nicht im Einsatz. Man muss somit hinterfragen, ob man die Ziele auf diesem Weg erreichen kann. Aus unserer Sicht ist es einfacher, dies mit erneuerbaren Energien zu erreichen."

    Die Autoren der Studie gehen sogar davon aus, dass sich die EU mittel- und langfristig höhere Ziele bei der Energiewende stecken könnte. Genauere Zielmarkten werden allerdings nicht genannt.