Die Energiewende in Deutschland hat die großen Versorger in arge Nöte gebracht. Finanzinvestoren drücken das ganz nüchtern aus, so wie Thomas Deser, Portfoliomanager der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment:
"Die Atomkraft in Deutschland ist ein Auslaufmodell, das ist politisch gewünscht. Und die Betreiber dieser Atomanlagen stellen sich darauf ein, müssen sich darauf einstellen. Das führt dazu, dass umfangreiche Abschreibungen stattfinden, sprich, der Gewinn geschmälert wird, weil die technische Laufzeit dieser Anlagen noch länger ist als das von der Politik gewünschte Ausstiegsdatum."
Die Konzerne geben unterschiedliche Antworten darauf. E.ON hatte schon Ende vergangenen Jahres angekündigt, sein Geschäft aufspalten zu wollen – in zwei Energiekonzerne, in dem einen sind die konventionellen Energien gebündelt, also auch die Kernkraft, im anderen das zukunftsträchtigere Restgeschäft, also Netze und Erneuerbaren Energien. Eon-Chef Johannes Teyssen beschrieb das heute morgen bei der Vorlage der Bilanz als:
"Eine konsequent unternehmerische Antwort auf die gravierenden Veränderungen der Energiemärkte, die erst begonnen haben und die in ihren Auswirkungen weit über das hinausgehen, was mit der politischen Chiffre Energiewende in Deutschland umschrieben wird."
Die Neuausrichtung aber kostet Geld: Eon verkündete heute Morgen einen Verlust von 3,2 Milliarden Euro. 5,4 Milliarden Euro werden abgeschrieben. Und ob das alles ist, stehe noch nicht fest, warnt Jürgen Meyer, Fondsmanager von SEB Asset Management:
"Welche Risiken in Eon noch zu sehen sind, sind ja hauptsächlich die heute noch gar nicht richtig abschätzbaren Kosten für den Rückbau und insbesondere die Endlagerung der Kernkraftwerke."
Viele konventionellen Kraftwerke werfen keine Gewinne ab
Diese Risiken lasten ebenso auf den anderen Versorgern. Der Essener Konkurrent RWE hatte schon im vergangenen Jahr hohe Abschreibungen vorgenommen, nach einem Milliardennettoverlust für 2013 schrieb der Konzern zwar 2014 wieder einen Nettogewinn von 1,7 Milliarden Euro. Aber die Zukunftsperspektiven schilderte RWE-Chef Peter Terium gestern recht düster:
"Inzwischen sind es 35 bis 45 Prozent unserer konventionellen Kraftwerke, die unter den gegebenen Marktbedingungen kein Geld mehr verdienen. Bei diesen Kraftwerken legen wir echtes Geld drauf."
Nicht einfacher wird die Lage der Konzerne dadurch, dass viele Anleger Atomkraft aus ihren Portfolien verbannen, erklärt Energieexperte Deser von Union Investment:
"Immer mehr Anleger möchten ihre Portfolien nach nachhaltigen Kriterien verwaltet wissen und schließen unter anderem Atomkraft aus. In anderen Portefeuilles ist es relevant, wie die Wertentwicklungserwartung für einzelne Unternehmen und deren Aktien ist. Und das bedeutet, wenn Atomkraft ein Wachstumsbereich ist, der Gewinne verspricht, wie das durchaus der Fall ist, ob man da nach Großbritannien schaut, Russland oder China, dann kann ein Technologielieferant im Bereich Atomkraft durchaus aus der Perspektive auch ein attraktives Investment sein."
Man kann die Atomenergie also noch nicht vollends abschreiben. Auch wenn der staatliche französische Atombaukonzern Areva mit einigen Projekten ins Trudeln gekommen ist, weil sie dreimal so viel kosten wie geplant und die Bauzeiten stark überschritten wurden. Das war Anlass für die Rating-Agentur Standard & Poors, Areva als sehr spekulativ, als "Junk" einzustufen. Konservativ anlegende Pensions- oder Rentenfonds etwa dürfen hier also nicht mehr investieren. Energieexperte Deser:
"Das bedeutet aber nicht, dass die Atomkraft als solche von gerade auch der französischen Regierung als Großaktionär von Areva ad acta gelegt werden wird. Man betrachtet gerade dort nach wie vor die Atomkraft als einen Exportschlager Frankreichs."