Jule Reimer: Wir hören von Leuten, die über die Grenze kommen, teilweise zu Fuß, von Leuten, die in langen Schlangen vor Registrierungsämtern stehen, kann man davon ausgehen, dass die zumindest ein Dach überm Kopf haben und zumindest Verpflegung haben?
Sarah Zerback: Ja, grundsätzlich ist das so, Menschen, die bei uns ankommen, bekommen einen Platz zum Schlafen und werden verpflegt, das bestätigen auch die Flüchtlingsinitiativen, dass das flächendeckend funktioniert. Die Flüchtlinge registrieren sich und bekommen dann Obdach – teilweise sogar vorher, weil sie an einem Tag nicht mehr drangekommen sind, um die Nacht zu überbrücken.
Aber dann gibt es natürlich auch die dramatischen Ausnahmen von dieser Regel, wie vor Kurzem in Berlin, als das zuständige Amt mit der Registrierung maßlos überfordert war und Flüchtlinge teilweise auf der Straße schlafen mussten, bei der Hitze vor einigen Wochen nicht genügend zu trinken, zu essen hatten. Da sind dann Ehrenamtliche eingesprungen, haben private Schlafplätze organisiert, Getränke gebracht – also hier hat das ehrenamtliche Engagement tatsächlich das staatliche Handeln ersetzt, aber dass das in dieser existenziellen Art nötig ist, ist bislang zum Glück die Ausnahme.
Wobei die Umstände, unter denen die Menschen schlafen, dann eben oft katastrophal sind: Sie schlafen in Zelten, überbelegten Turnhallen, da gibt es dann keine Privatsphäre, die Betten stehen teilweise auf den Fluren, auch das ist momentan Realität, wie wir wissen.
Viele Ehrenamtliche sind an Organisationen angebunden
Reimer: Was kann ich da als Bürgerin tun, um zu helfen, an den Notunterkünften, den Erstaufnahmeeinrichtungen?
Zerback: Also erst mal werden da viele Ehrenamtliche benötigt, die die Unterkünfte überhaupt bezugsfertig machen, also Turnhallen oder ehemalige Baumärkte, mit zusätzlichen Waschräumen ausstatten, mit Betten etc. Das machen allerdings oft Ehrenamtliche, die professionell angebunden sind, zum Beispiel an das THW, das DRK.
Und dann ist es wichtig, dass Freiwillige für die erste Kontaktaufnahme sorgen, ein Willkommen, das kann alles sein, von: Ich bringe den Menschen schon mal ein paar erste Worte Deutsch bei – dafür muss man dann auch kein Lehrer sein – über alltägliche Hilfen, Kinderbetreuung, medizinische Unterstützung oder: Ich gebe einen Trommelkurs, biete das an. Alles, was hilft, Langeweile zu lindern, das ist ja sehr belastend, wenn man auch noch den ganzen Tag herumsitzen muss, das sorgt für zusätzliche Spannungen.
Sachspenden sind natürlich auch in dieser ersten Unterkunft wichtig: Also gerade Kinderkleidung und Kleidung für Männer, möglichst nicht in XXXL, da meldet man sich dann vorher bei den Kleiderkammern, die haben den Überblick, was gerade gebraucht wird.
Und das gilt generell für alle Hilfsangebote: Man sollte dort nicht einfach unangemeldet vor der Tür stehen, sondern vorher anrufen. In vielen Orten gibt es ja sogar Ehrenamtliche, die als städtische Koordinatoren extra dafür zuständig sind.
Oder über die sozialen Medien: Die Bezirksregierung Köln koordiniert jetzt zum Beispiel via Twitter, was in den Notunterkünften gebraucht wird – da kann man sich informieren.
Hilfe muss koordiniert werden
Reimer: Was ist mit den Flüchtlingsheimen, wo kann ich mich da engagieren?
Zerback: Das ist im Prinzip ähnlich wie in den Notunterkünften, aber eben langfristiger, um die Menschen dann in das Alltagsleben zu integrieren:
Deutschkurse sind sehr wichtig. Genauso wie alles, was mit Sport zu tun hat, Kinderbetreuung ist ein großes Thema.
Da wissen zum Beispiel die Flüchtlingsräte vor Ort Bescheid oder auch das Rote Kreuz, die Caritas. Und auf lokaler Ebene gibt es außerdem viele Initiativen, die tolle Ideen haben, wie man sich engagieren kann. Zum Beispiel wird da gemeinsam gekocht, gegessen, so was halt.
Nun sind die noch nicht alle vernetzt. Aber eine gute Übersicht über Aktionen in ganz Deutschland, bietet da zum Beispiel ProAsyl, die auf ihrer Internetseite eine Karte zusammengestellt haben, die wächst immer weiter, ist aber natürlich nicht vollständig. Denn tatsächlich ist es ja so, dass das Engagement enorm ist, und es jetzt vor allem darauf ankommt, die vielen Hilfen zu koordinieren, damit sie sich nicht an der einen Stelle ballen und es in einigen ländlichen Gegenden weiße Flecken gibt.
Unterbringung von Flüchtlingen sehr unterschiedlich geregelt
Reimer: Wenn ich eine Wohnung besitze und die vermieten möchte an Flüchtlinge?
Zerback: Der erste Ansprechpartner ist die zuständige Behörde am Wohnort, das ist meist das Sozialamt des Kreises oder der Stadt.
Da erfährt man dann erst mal, ob die Verwaltung überhaupt bereit ist, Flüchtlinge in Privatwohnungen unterzubringen, das ist Sache der Kommunen und sehr unterschiedlich geregelt.
Wenn das geht, dann wird geprüft, ob die Wohnung geeignet ist und ob die Miethöhe dem entspricht, was von der Behörde höchstens gezahlt wird, auch das ist ganz unterschiedlich geregelt.
Der Mietvertrag wird dann mit der Behörde abgeschlossen, die den Wohnraum den Flüchtlingen zuteilt. Das wird aber in der Regel nur mit größeren Häusern gemacht. Bei nur einer Wohnung zum Beispiel ist das für die Behörden zu viel Aufwand.
In dem Fall kann der Mietvertrag auch mit dem zukünftigen Mieter selbst abgeschlossen werden. Da kann die Behörde gegebenenfalls auch Informationen geben, wo ich potenzielle Mieter finden kann oder man wendet sich an die Flüchtlingsberatungsstellen vor Ort, um zu erfahren, wer Bedarf hat.
Rechtliche Voraussetzungen beachten
Reimer: Und was ist, wenn ich ein Zimmer zur Verfügung stellen möchte, zum Beispiel in einer WG?
Zerback: Klar, prinzipiell geht das, eben auch unter den gerade beschriebenen rechtlichen Voraussetzungen – also die rechtliche Situation des Flüchtlings, die Behörde müsste kooperieren.
Dann sollte man auch hier einen Mietvertrag abschließen und nicht mietfreies Wohnen anbieten und dafür irgendeine Gegenleistung erwarten. Das gibt es gerade bei einzelnen Zimmern immer wieder und führt dann zu einem unguten Abhängigkeitsverhältnis.
Und dann muss auch erst mal zusammen wohnen wollen. Wie bei jedem anderen Mitbewohner muss ich mich also fragen: Passt das? Flüchtlinge sind ja auch keine homogene Gruppe, da ist es ratsam, sich vorher kennenzulernen, um zu schauen, ob die Chemie stimmt.
Das geht über die Flüchtlingsinitiativen vor Ort und bundesweit gibt es mittlerweile auch Projekte, die geflüchtete Menschen und Menschen mit einem verfügbaren Zimmer zusammenbringen, wie zum Beispiel "Flüchtlinge Willkommen", ein gemeinnütziges Netzwerk aus Berlin: Die helfen bei der Vermittlung und geben gute Tipps wie das Zusammenleben organisiert werden kann und gut funktionieren kann.
Denn es ist ja niemandem geholfen, wenn das dann nur kurz hält, das ist ja auch belastend und frustrierend – für beide Seiten.