Englands EM-Auftritt
Was ist mit den Three Lions los?

Das "Mutterland des Fußballs" strauchelt, die Fans außer sich - nach einer Zitterpartie gegen die Slowakei steht England im EM-Viertelfinale. Warum sich das Team von Trainer Southgate so schwer tut, analysiert Sportjournalist Hendrik Buchheister.

Hendrik Buchheister im Gespräch mit Marina Schweizer | 01.07.2024
Englands Harry Kane (li.) feiert mit Jude Bellingham nach seinem zweiten Tor während des Achtelfinalspiels zwischen England und der Slowakei bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Gelsenkirchen, Deutschland, Sonntag, 30. Juni 2024.
Freude über den Einzug ins Viertelfinale: Harry Kane und Jude Bellingham schossen England zum 2:1-Erfolg gegen die Slowakei. (picture alliance / Associated Press/ Thanassis Stavrakis)
England steht im Viertelfinale - doch sportlich rund läuft es nicht beim Team um Kapitän Harry Kane. Die einst als heißer Kandidat auf den EM-Titel gefeierten Engländer bleiben bislang blass. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk analysiert Sportjournalist und England-Kenner Hendrik Buchheister, woran das liegen könnte. Buchheister lebt seit vielen Jahren auf der Insel.

Englands Presse spricht von "Angsthasenfußball"

Die Vorrunde haben die Engländer nur schwer überstanden. Kritiker sprachen von biederem Fußball. Taktische wirkte das Team von Trainer Gareth Southgate für viele Experten oft plan- und konzeptlos. Mit dieser Kritik muss das Team und vor allem Southgate seit Beginn der EM leben. Zu Recht findet Hendrik Buchheister. Die Presse sprach in der Vorrunde von Angsthasenfußball; die Fans warfen Bierbecher auf den Trainer und beschimpften ihn.

Kritik an Trainer Southgate

Die Kritik gegen Englands Nationaltrainer sei kein Phänomen der Boulevard-Presse, sondern stehe auf einer breiten Basis. "Die Kritik an ihm ist, dass er sehr langweiligen, defensiven, drögen Fußball spielen lässt. Aber wenn man den Kader mit diesen vielen tollen Offensivspieler sieht, hat man das Gefühl, es wäre so viel mehr möglich", sagt Hendrik Buchheister.
Englands Phil Foden (li.) kämpft mit dem Slowaken Juraj Kucka um den Ball während des Achtelfinalspiels zwischen England und der Slowakei bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Gelsenkirchen.
Über Phil Foden wird in England viel diskutiert. (picture alliance / Associated Press/ Thanassis Stavrakis)

Links oder Mitte: die Causa Phil Foden

Zudem werde Southgates Sturheit kritisiert, "dass er an seinen Ideen festhält, auch wenn sie offensichtlich nicht funktionieren". Buchheister nennt als Beispiel den Einsatz von Phil Foden. Der Mittelfeldspieler spielt bei der EM vor allem auf der linken Seite. Bei seinem Klub Manchester City kommt er hingegen mehr über die Mitte und das fordern viele Beobachter auch für das Nationalteam.

England kommt durch, Bellingham ist der Retter. Taktische Fragen bleiben offen.

The Athletic
"Southgate ist dann aber jemand, der sich da nicht reinreden lässt, sondern der wirklich ganz klar an seinen Vorstellungen festhält und man manchmal so ein bisschen das Gefühl hat, er tut es aus Prinzip, um nicht einzuknicken", sagt Buchheister.
Fußball: EM, England - Slowakei, Finalrunde, Achtelfinale, Arena auf Schalke, Englands Trainer Gareth Southgate vor dem Spiel.
Englands Nationaltrainer Gareth Southgate steht unter Druck. Seine Mannschaft tut sich bei der EM schwer und er gilt als stur. (picture alliance / dpa / Marcus Brandt)
Das könne man auch über Harry Kane und Jude Bellingham sagen, die im Spiel gegen die Slowakei bis zum Ende nicht zu sehen waren. Man habe auch in der Vergangenheit gesehen, dass Southgate übermäßig treu sei gegenüber seinen erfahrenen Spieler und sich scheue, sie vom Platz zu nehmen.

Mehr zur EM in Deutschland

Blamables EM-Aus knapp verhindert

Englands wankendes Team verhinderte mit dem 2:1-Sieg gerade noch das blamable EM-Aus im Achtelfinale gegen die Slowakei. Dabei sah es bis zur 95. Minuten ganz danach aus, als würden die Three Lions und nicht der Fußball nach Hause kommen. So fasste es das Boulevardblatt "The Sun" zusammen.

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"Bis zu dem fantastischen Ausgleichstor von Jude Bellingham in der Nachspielzeit hat die Mannschaft wieder einmal enttäuscht. Im Grunde kein Druck auf das gegnerische Tor erzeugt und wirklich alles danach aussah, als würde diese Mannschaft im Achtelfinale gegen die Slowakei ausscheiden", sagt Sportjournalist Buchheister.

"Englands Aus im Achtelfinale wäre verdient gewesen"

Angesichts der Leistungen in der Vorrunde und gegen die Slowakei wäre das verdient gewesen, findet der Sportjournalist, der sich seit Jahren mit dem englischen Fußball beschäftigt.

Das große Entkommen. Puh... wir sind durch! Comeback-König England sorgt für einen Rausch der Fans, als Jude Bellingham und Harry Kane gegen die Slowakei spät das Spiel drehen.

Daily Mail

Harry Kane: Können besser spielen

Der viel kritisierte Harry Kane sah die Leistung des Teams dagegen recht nüchtern, für ihn zählt das Weiterkommen: "Es sah wirklich schwer für uns aus", sagte Kane, der in der Verlängerung das 2:1-Siegtor erzielte: "Bei der EM musst du einen Weg finden zu gewinnen - das haben wir getan. Natürlich können wir besser spielen, aber das ist ein Geschäft, in dem die Resultate zählen. Wir können das jetzt genießen."
Englands Fußball-Star Harry Kane beim Achtelfinal-Spiel gegen die Slowakei
Englands Fußball-Star Harry Kane beim Achtelfinal-Spiel gegen die Slowakei (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Antonio Calanni)

Kritiker sind längst nicht verstummt

Im Viertelfinale treffen die Three Lions auf die Schweiz, die im Achtelfinale Europameister Italien nach Hause schickte. Die Kritik am Auftritt des englischen Teams sei damit aber längst nicht vom Tisch, glaubt Hendrik Buchheister. So ein Spiel, wie das Achtelfinale gegen die Slowakei mit den beiden fantastischen Toren am Ende, beruhige die Gemüter nur bis zum nächsten Spiel.

Southgates Retter. England erreicht das EM-Viertelfinale nach wunderbaren Toren von Harry Kane und Jude Bellingham – und die Fans können es nicht glauben.

Daily Mirror
"Die sehr kritische Sicht auf das Team und Trainer Gareth Southgate bleibt natürlich bestehen", sagt Buchheister. Dass in einem solchen Moment die Fans in Ekstase verfallen, sei auch klar: "Das Tor von Jude Bellingham, was von Harry Kane als eines der größten englischen Turnier-Tore bezeichnet wurde, womit er auch Recht hat - es ist ein ikonischer Moment. Wenn man das im Stadion miterlebt und die Mannschaft, die bis wenige Sekunden vorher blamabel ausgeschieden war, doch noch im Turnier bleibt, dass man da als Fan durchdreht, ist vollkommen nachvollziehbar."

Fans im Traumland, als Kane & Bellinghams England mit ihren Toren ins Viertelfinale schießen – nach einem frustrierenden Spiel.

The Sun