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England
Suizide an der Universität Bristol

An der englischen Elite-Universität in Bristol kam es in jüngster Zeit zu mehreren Suiziden. Viele Studierende sehen im Prüfungsstress eine Ursache dafür. Studierendenvertreter fordern, die Hilfsangebote für Studierende mit Problemen müssten ausgebaut werden.

Von Sandra Pfister |
    Ein Mensch sitzt auf einer Fensterbank und stützt seinen Kopf mit den Armen, im Gegenlicht sind nur seine Umrisse erkennbar.
    An der Universität Bristol gab es in jüngster Zeit viele Suizide (dpa / picture alliance / Thomas Eisenhuth)
    Tom, der seinen Nachnamen nicht nennen will, war mit James Thompson befreundet. Der Mathe-Student im zweiten Studienjahr nahm sich im Oktober 2017 mit 20 Jahren das Leben.
    "Ich kam vom Seminar zurück und wollte Fußball an der Playstation spielen. Dann hörte ich die Nachricht und war geschockt. Er war ein guter Freund, auf mich wirkte er in Ordnung."
    Allein jetzt im Mai 2018 – unmittelbar vor den Prüfungen - nahmen sich in Bristol binnen zwei Wochen drei Studierende das Leben. Ed Southgate, 20, auch Mathe-Student, schreibt für die Uni-Zeitung in Bristol. Er hat selbst Therapie-Stunden genommen, weil der Prüfungsstress ihm psychisch zugesetzt hat.
    "Wir sind geschockt und aufgebracht, wirklich aufgebracht. Ein Schlag nach dem anderen. Die Leute werden immer wütender. Ich selbst bekam Hilfe und hatte ein gutes Netzwerk. Diese Studierenden jetzt bekamen das offensichtlich nicht. Sie hatten niemanden zum Reden."
    Mehr Suizide als an anderen Hochschulen
    Sieben tote Männer, fünf tote Frauen in eineinhalb Jahren – zweieinhalb mal so viel wie an anderen britischen Universitäten, im Schnitt. Ein Grund könnte paradoxerweise das gute Ranking der Uni Bristol sein: Platz 19 landesweit. An der "University of the West of England" - der ehemaligen technische Hochschule in Bristol - mit etwas mehr Studierenden haben sich im gleichen Zeitraum zwei Studierende das Leben genommen. Ist der Druck an der Spitzenuni höher? Der Rektor der "University of the West of England", Steve West, spricht aber von einem Gesamtphänomen.
    "Jede Universität ist irgendwann mit einem Selbstmord konfrontiert. Ich möchte, dass wir alles tun, was wir können, um das Risiko, dass sich jemand das Leben nimmt, zu verringern. Ich will nicht den Eltern gegenübersitzen und sagen: ‚Es tut mir leid.‘ Und sie entgegnen: ‚Wie konnte das passieren?'"
    Studierende berichten von zwei Faktoren, die für alle britischen Universitäten gälten. Das dreijährige Studium mit Bachelor-Abschluss kostet umgerechnet mehr als 30. 000 Euro. Umso schlimmer, wer da vermeintlich versagt. Und zweitens: Viele stellten sich in den sozialen Medien als die Super-Performer dar, privat und im Studium. Rektor Steve West:
    "Wir haben es an den Universitäten mit 18 bis 21-jährigen zu tun, die eine gravierende Veränderung ihres Lebens erfahren. Sie ziehen zuhause aus und gehen an die Uni und dann von dort in die Berufstätigkeit. Diese Alterskohorte ist anfällig für psychische Probleme."
    Forderung: Mehr Hilfe für Studierende
    In Bristol hängen überall Hinweise auf Beratung und Telefonseelsorge – aber oft erschöpfen sich die Angebote in Kursen gegen Prüfungsstress, Meditation und Atemtechnik. Für Therapiegespräche sind nur meist nur zehn Minuten vorgesehen. Einer Statistik zufolge sind heute fünfmal so viele britische Studierende psychisch krank wie vor zehn Jahren.
    Izzy Lenga von der "National Union of Students" fordert, die Hilfe an den Unis müsse einfach besser werden.
    "Die Universitäten können mehr tun. Sie müssen psychotherapeutische Hilfsangebote finanzieren und ausreichend zur Verfügung stellen. Und sie müssen mehr präventive Angebote schaffen und nicht erst dann handeln, wenn es zu spät ist."