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"Ennio Morricone sagte: Legt los!"

Hannah Garner und David Amar bilden das Duo Miss 600. Die Sängerin hatte schon als 17-Jährige mit Soloauftritten auf Youtube auf sich aufmerksam gemacht. Ihr Debütalbum "Buying Time" war in England ein großer Erfolg, nun erscheint es auch in Deutschland.

Mit Christiane Rebmann |
    Christiane Rebmann: Miss Garner, Ihr Vater ist Brite, aber Sie haben auch einen deutschen Familienhintergrund.

    Hannah Garner: Meine Mama kommt aus Hamburg. Mein Vater war bei der Armee. Die beiden haben sich auf einer Kostümparty kennengelernt, sie war als Nonne verkleidet, er als Frau. Wir haben eine Zeit lang in Deutschland gelebt, als ich Klein war. Und ich habe noch Familie in Hamburg und Berlin. Ich besuche meine Verwandten dort ab und zu. Zu Hause sprechen wir Deutsch, aber nicht so oft, wie ich's gern hätte.

    Christiane Rebmann: Wann haben Sie mit der Musik angefangen?

    Hannah Garner: Ich habe von klein auf gesungen, aber ich hätte nie gedacht, dass das mal zu meinem Beruf werden könnte. Ich habe zwar immer davon geträumt. Aber meine Eltern sagten immer: "Du studierst besser." Aber dann hatte ich einfach auch viel Glück. Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, und ich habe mich jeder Herausforderung gestellt, die sich mir bot und das Beste daraus gemacht.

    Christiane Rebmann: Mit "im richtigen Moment am richtigen Ort" meinen Sie den Zeitpunkt, als Sie auf ihren jetzigen Bandpartner David Amar trafen?

    Hannah Garner: Ja, das war bei einer Open Mike Veranstaltung in einem Club in meiner Heimatstadt Derby. Da habe ich ganz allein gesungen. Und danach kam Dave auf mich zu und fragte mich: "Wie wär es, wenn wir zusammen ein paar Cover einstudieren?" Das haben wir dann getan. Und von da an haben wir dort jeden Abend gespielt. Ich war vorher als Backgroundsängerin in einer Band aufgetreten. Aber nie als Leadsängerin. Ich hätte das zwar gern getan. Aber ich war viel zu schüchtern. Als ich das erste Mal auf der Bühne sang, setzte ich mich auf einen Stuhl hinter einen der Musiker und versteckte mich dort. Und jetzt bin ich also die Leadsängerin bei Miss 600.

    Christiane Rebmann: Ihre ersten Erfolge haben Sie auch den Reaktionen im Internet zu verdanken. Parallel zu den ersten Sessions mit Dave Amar haben Sie immer wieder Videos von sich als Sängerin auf Youtube gestellt. Wie passt das dazu, dass Sie so schüchtern sind?

    Hannah Garner: Stimmt, das habe ich getan, und das hat mir Angst gemacht. Andererseits konnte ich mich ja quasi hinter meinem Computer verstecken. Auch wenn ich mich da draußen vor vielen Leuten präsentiert habe - es war erst mal nicht so Angst einflößend wie ein Auftritt vor einem Livepublikum. Ich konnte selbst kontrollieren, wann ich mich welchem Feedback aussetze. Insofern war das sehr nützlich für mich.

    Du gibst das Video raus, und normalerweise bekommst du ja nicht sofort eine Reaktion. Und wenn du Reaktionen bekommst, brauchst du die Kommentare ja nicht zu lesen.
    Ich habe es getan. Weil ich so schrecklich selbstkritisch bin. Zum Glück waren die meisten Reaktionen positiv. Und das hat mir dann das Selbstvertrauen gegeben, live vor Publikum zu spielen.

    Christiane Rebmann: Der Name Ihrer Band, Miss 600, klingt ja ziemlich geheimnisvoll. Ich dachte sofort an eine Figur aus einem Science-Fiction-Film. Stimmt es, dass sich ein Fan den Namen ausgedacht hat?

    Hannah Garner: Ja, ein weiblicher Fan, ihr Name war Miss 600. Das war der Name, unter dem sie uns geschrieben hat. Uns gefiel der Name. Schon weil er unklar lässt, ob das eine Band ist oder ein Solokünstler und was für Musik dahinter steht. Außerdem fanden wir es gut, dass ein Fan involviert ist. Die Frau war natürlich begeistert und gab sofort ihre Einwilligung.

    Christiane Rebmann: Sie waren dann gleich mit ihrer ersten Single "Twist" sehr erfolgreich, obwohl da noch keine große Plattenfirma hinter Ihnen stand.

    Hannah Garner: Das Radio hier in England hat uns sehr unterstützt, vor allem BBC 2 hat uns sehr geholfen. Das rechnen wir dem Sender hoch an, denn als wir "Twist" rausbrachten, kannte uns ja noch keiner. Die Leute bei BBC 2 mochten den Song so, dass sie ihn immer wieder gespielt haben.

    Christiane Rebmann: Sie haben eine große Fangemeinde in Polen, die Sie über das Internet erobert haben. Und sogar ein großer italienischer Filmmusikkomponist ist ein Anhänger von Ihnen.

    Hannah Garner: Für den Song "Is this love" haben wir ein Sample von Ennio Morricone verwendet. Wir mussten das von ihm genehmigen lassen und waren ziemlich gespannt, ob ihm unsere Version wohl gefällt. Aber er war begeistert und sagte: 'Legt los.'

    Christiane Rebmann: Berichten Sie in den Songs auf ihrem Debütalbum "Buying Time" von eigenen Erfahrungen? "Missing you" zum Beispiel klingt so.

    Hannah Garner: In "Missing you" geht es um eine Frau, die nicht zugeben will, dass ihr das Ende ihrer Beziehung zu Herzen geht. Sie macht sich vor, dass sie sowieso über den Mann hinweg ist und ihn nicht vermisst. Aber in Wirklichkeit fehlt er ihr, und das Ganze tut ihr schrecklich weh. Ich schreibe über Beziehungen, Erfahrungen, die ich gemacht habe, oder über das, was ich bei anderen Menschen beobachte. Manchmal schreibe ich auch einen Song mit positiver Stimmung, weil ich gern möchte, dass diese positive Stimmung auf mich abfärbt.

    Christiane Rebmann: Ihr Musik ist eine ziemlich wilde Mischung aus Jazz, Latin und Rock 'n' Roll. Die Basis ist also eigentlich eher altmodisch. Ihr Partner Dave ist 28, Sie sind erst 22. Woher kommt die Vorliebe für diese Art von Musik?

    Hannah Garner: Ich habe Jazz immer gemocht, Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Peggy Lee. Diese Platten hat mir mein Opa immer vorgespielt, als ich klein war. Und der erste Song, den ich mit ihm gesungen habe, war "Summertime". Ich habe also meine Liebe zum Jazz mit eingebracht und David seine Vorliebe für Rock und Latin. Er hat ja früher in einer Latinband gespielt. Ich denke, es ist gut, dass wir so unterschiedliche Stilrichtungen mögen. Das macht unsere Musik für viele Menschen attraktiv. Es gibt für jeden etwas auf dem Album, schnelle Songs, zu denen die Leute tanzen können, nachdenkliche Songs und dann dieses Gefühl, dass man etwas schon sehr gut kennt, durch diese alten Musikstile, an denen wir uns orientieren.

    Christiane Rebmann: Haben Sie manchmal das Gefühl, zum falschen Zeitpunkt zur Welt gekommen zu sein? Hätten Sie lieber in den 20er- oder 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts gelebt?

    Hannah Garner: Manchmal denke ich, ich würde gern in der Vergangenheit leben. Aber ich romantisiere die 20er- und 30er-Jahre sicher ein wenig zu sehr, wegen der Musik und der Kleider. Ich lebe auch sehr gern in der Jetztzeit. Ich bin süchtig nach meinem Handy, und ich käme auch nicht ohne Internet aus. Aber die 20er- und 30er-Jahre waren eine sehr romantische Zeit, wo die Männer noch Gentlemen waren. Ich mag auch romantische, altmodische Bücher. Ich hatte am College englische Literatur belegt. Und eines meiner Lieblingsbücher damals war "Jane Eyre". Es ist immer noch mein Favorit. Weil es gut geschrieben ist. Vor allem aber, weil ich mich sehr gut mit der Hauptfigur identifizieren konnte. Mit ihrer Unsicherheit und wie sie sie überwindet, wie sie immer selbstsicherer wird. Ich mag‘s nun mal, wenn jemand alle Hindernisse in seinem Leben aus dem Weg räumt und es ein Happy End gibt. Das bringt mich zum Heulen.

    Christiane Rebmann: Das klingt, als wären Sie sehr sentimental?

    Hannah Garner: Ich weine sehr leicht. Ich heule auch bei Fernsehwerbung. Wenn die Reklame kommt, sitzen meine Mutter und ich auf dem Sofa und heulen. Wir weinen vor Freude. Es gibt da diesen Spot, wo ein kleiner Junge mit seinem Vater raus aufs Feld geht, und er will unbedingt, dass sein Vater ihn lobt. Und sein Vater sagt: "Das hast du gut gemacht, mein Junge." Wenn diese Szene kommt, heulen wir. Dabei ist es nur Brotwerbung. Die beiden gehen nur raus aufs Feld und essen ein Sandwich. Ich finde es so rührend, dass der Vater und der Sohn über Brot zusammenkommen. Ich werde wohl mal einen Song darüber schreiben.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.