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"Enormer Zahlenwirrwarr entstanden"

Kostet die Sanierung des Kölner Opernquartiers mehr als ein Neubau - in Köln bricht erneut eine Diskussion los. Jörg Jung, Sprecher der Initiative "Mut zur Kultur", die eine Sanierungsvariante durchgesetzt hat, warnt vor allem davor, Zahlen falsch miteinander zu vergleichen.

Jörg Jung im Gespräch mit Michael Köhler |
    Michael Köhler: Zur Kulturpolitik. Die Sanierung des Kölner Schauspielhauses, sie könnte erheblich teuerer werden als bislang geplant. Die Sanierung des Opernquartiers aus Oper, Schauspiel, Opernterrassen würde mit 280 Millionen zu Buche schlagen. Folgt die Stadt den Plänen der Initiative "Mut zur Kultur", käme man auf eine Summe von 300 Millionen. Die eigenen Schätzungen der Initiative, wonach man mit 180 Millionen rechnete, seien unrealistisch. Der Neubau solle indes nur 295 Millionen kosten. So hieß es jedenfalls nach bekannt werden eines Gutachtens Mitte August. Heute Abend ist die nächste Runde am runden Tisch. Das Bürgerbegehren hatte sich gegen den Abbruch des Schauspiels ausgesprochen. Und die Stadt war dem Votum gefolgt. Es wird also saniert, das ist Stand der Dinge, aber ob in vollem Umfang, oder am Ende nur so ein bisschen, das ist noch offen.

    – Jörg Jung, Sprecher der Initiative "Mut zur Kultur", habe ich gefragt: Haben Sie falsch gerechnet?

    Jörg Jung: Nein. – Nun muss man erst mal sagen, dass da ein enormer Zahlenwirrwarr entstanden ist und dass es überhaupt nicht so ist, dass die Sanierung nur so viel weniger teuer ist. Also es ist ganz klar, dass wir bisher immer in der Debatte, seit sie von Anfang an da ist, immer nur auf die reinen Baukosten geschaut haben und alle anderen Kosten wie Interim bewusst außen vor gelassen haben, weil das einfach nur zu einer Verwirrung und zu einer Verunkenntlichung der reinen Baukosten führt, und wir müssen nun mal einfach jetzt vergleichen, was kostet das eine, was kostet das andere.
    Wenn wir dann die reinen Baukosten gucken, dann bleibt es dabei, dass die Machbarkeitsstudie, die von uns sehr unterstützt wird, 253 Millionen Euro für eine Sanierung des Opernareals errechnet hat. Dem stehen unsere 230 Millionen Euro gegenüber, die wir in der Ratssitzung vom April behauptet haben. Diese Zahl 253 Millionen Euro ist eine Zahl, die eine Schätzzahl ist, relativ genau schon geprüft, plus-minus 30 Prozent.
    Ich stehe nach wie vor dafür ein, dass wir die Kosten unter 230 Millionen Euro drücken können, wenn wir auf die einzelnen Bauelemente achten und genau schauen, wo Sparpotenziale drin sind. Man muss ganz einfach sagen: Die Machbarkeitsstudie im Moment geht vom Maximum aus, sie reißt alles raus, sie macht alles neu. Das ist die Frage, ob das nötig ist. Das wird im Detail geprüft werden. Und alle Beteiligten am runden Tisch appellieren deshalb auch, nun über die reinen Baukosten zu reden, denn nur da haben wir Vergleichbarkeit.

    Köhler: Haben Sie falsch gerechnet nach der Machbarkeitsstudie, weil es macht ja so ein bisschen den Eindruck, als wollten Sie nur irgendwie den Bestand erhalten und sanieren und am Ende viel Geld herausschmeißen, wenn man doch am Ende neu vielleicht günstiger bauen könnte?

    Jung: Nein, da hätte man uns missverstanden. Wir haben von Anfang an gesagt, uns geht es um eine zukunftsweisende Sanierung der Bühnen. Es geht darum, vor allen Dingen die Bühnen für die nächsten 50 Jahre fit zu machen. Und das bedeutet, dass wir von Anfang an uns massiv gegen eine Notsanierung gestellt haben, sondern immer maximale Verbesserungen für den Bühnenbetrieb. Und das ist uns auch gelungen. Dieses Projekt, das jetzt gebaut wird, ist ein Projekt, das dem Repertoire-Betrieb eines modernen Theaters sehr viel mehr entspricht, als die Neubauvariante gewesen wäre. Wir haben sehr viel mehr Lagerfläche, wir können Kulissen in der Höhe von sechs Metern lagern und verschieben, es muss keine Demontage mehr gemacht werden, das finden sie kaum in einem Theater in Deutschland. Es sind darüber hinaus andere technische Standards wieder reingeholt worden wie Wärmerückgewinnung und so weiter. Das heißt, wir reden in der von uns allen befürworteten Variante 6 von einem sehr, sehr guten, zukunftsfähigen Theater, von einem deutlich, aus meiner Sicht, besseren Bau als der Neubauvariante. Das unterstützen übrigens viele in Politik und Verwaltung.

    Köhler: Herr Jung, wir leben in Zeiten, wo die kommunalen Kulturhaushalte und nicht nur die unter sogenanntem Vorbehalt stehen, es sind Nothaushalte. Ich lasse die Stichworte Mülheim, Gelsenkirchen, Oberhausen fallen. Theater sterben, Wuppertal wurde gerade abgewendet, in Bonn flackert immer wieder mal was auf mit dem Theater. In Zeiten solcher drängenden Fragen: Ist es nicht da auch ein bisschen unmäßig, so viel Geld für die Kunst auszugeben?

    Jung: Nein. Man muss genau sehen: Wo kommt das Geld her. Hier der Großteil der Kosten ist schlichtweg unterlassene Bauunterhaltung der letzten 50 Jahre.

    Köhler: Heute Abend ist nächste Runde des runden Tisches. Wo laufen eigentlich so die Fronten entlang? Worum wird noch gestritten? Die Stadt hatte sich ja dem Votum der Sanierung angeschlossen, dann kam die Machbarkeitsstudie. Was sind die nächsten Schritte und fürchten Sie nicht doch irgendwie, dass das am Ende trotz aller fruchtbaren Diskussionen auf Eis gelegt wird?

    Jung: Ich habe nicht die Befürchtung, weil im Grunde alle beteiligten Akteure am runden Tisch überhaupt kein Problem haben und wir sind mit dieser Machbarkeitsstudie zufrieden. Wir kämpfen darum, die auch durchzusetzen und sie auch zeitnah durchzusetzen. Es scheint aber, Kräfte zu geben, die ein Interesse daran haben, durch eine Verunsachlichung der Diskussion, durch Zahlenspiele, die nicht mehr vergleichbar sind, so viel Störung ins Getriebe zu bringen, und vielleicht die Hoffnung haben, dass das ganze Konzept aufbricht. Aber was soll der Sinn davon sein? Wenn es darum ginge, nur eine Notsanierung durchzusetzen, wäre das eine Verschwendung von Steuergeldern wie nichts sonst auf dieser Welt. Oder es geht darum, ein Gesicht zu wahren, oder sonst was, aber auf dieses niedrige Niveau von Rechtfertigung wollen wir uns gar nicht begeben. Wir haben eine Verantwortung den Bühnen gegenüber, wir haben eine Verantwortung dem Kulturgut dieses Ensembles gegenüber. Ich möchte noch mal daran erinnern: Hier geht es um ein nationales Baudenkmal, das gerettet wurde, das eben jetzt nicht abgerissen wird, und das ist Verpflichtung und Ansporn genug, jetzt wirklich keine weitere Zeit zu verlieren.

    Köhler: ..., sagt Jörg Jung, Sprecher der Initiative "Mut zur Kultur", zur Sanierung des Kölner Opernquartiers.