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Enteignung von Kulturgütern in der DDR
"Es ging im Wesentlichen um Kunst und Antiquitäten"

Wenn in der DDR Kuturgüter enteignet worden seien, dann erfolgte der Zugriff auf die Privatsammlungen meist unter dem Vorwand von Steuerschulden, sagte Kunsthandel-Experte Ulf Bischof im DLF. Die Kunstgegenstände seien dann übernommen und weltweit verkauft worden.

Ulf Bischof im Gespräch mit Anja Reinhardt |
    Ein mit Holzmöbeln eingerichtetes Wohnzimmer.
    Es waren vor allen Dingen Möbel, kunstgewerbliche Objekte, natürlich Gemälde und auch Skulpturen, die in der DDR enteignet wurden.. (picture alliance / ZB / Patrick Pleul)
    Anja Reinhardt: Die Aufarbeitung und Forschung zum Thema NS-Raubkunst hat spät begonnen, dafür bekommt die Problematik in den letzten zehn bis 15 Jahren sehr viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Auch, weil die Medien verstärkt berichten und es immer wieder ungeklärte Fälle in der Provenienzforschung gibt. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste kümmert sich vorrangig um die Aufklärung von NS-Raubgut Fällen, aber auch um Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Was mit Kunstwerken nach 1945 in der DDR passierte, ist heute Thema einer Tagung in Berlin, organisiert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Einer der Vortragenden ist der Anwalt und Kunsthandel-Experte Ulf Bischof, der sich intensiv mit Raubkunst nach 1945 beschäftigt hat.
    Ulf Bischof, sie haben heute auf der Tagung über westliche Käufer in der DDR gesprochen – wie groß war denn der Kunsthandel zwischen dem Westen und dem Osten?
    Ulf Bischof: Das änderte sich im Laufe der Zeit. Es nahm zu und in den 80er-Jahren wurden jährlich etwa 30 bis 50 Millionen D-Mark an Kunstgegenständen exportiert.
    Reinhardt: Können Sie das einschätzen? Ist das viel, ist das wenig?
    Bischof: Die Zahl selbst sagt natürlich nicht so viel aus, auch weil die Preisgestaltung dann unterschiedlich war. Aber das ist schon nicht wenig, weil die Preise natürlich auch gestiegen sind. Man muss aber sicherlich, um das einschätzen zu können, sich dann das einzelne Objekt anschauen.
    Möbel, Gemälde und auch Skulpturen
    Reinhardt: Wenn wir von den einzelnen Objekten sprechen. Vielleicht können Sie uns auch mal erklären, um was für eine Kunst es da eigentlich geht. Bei NS-Raubkunst hat man sofort Bilder von van Gogh zum Beispiel im Kopf. Um welche Kunst geht es hier eigentlich?
    Bischof: Es ging im Wesentlichen um Kunst und Antiquitäten, also die Wohnungseinrichtungen samt bürgerlicher Sammlungen, wenn Sie so wollen. Es waren vor allen Dingen Möbel, das waren kunstgewerbliche Objekte, Gläser, Porzellane, Silber, Zinn, natürlich Gemälde und auch Skulpturen.
    Reinhardt: Die Nationalsozialisten legitimierten vor allem die Enteignung jüdischer Sammler mit ihrer Rassenpolitik. Wie wurde das denn in der DDR begründet?
    Bischof: Der Zugriff auf die Privatsammlungen erfolgte meist unter dem Vorwand von Steuerschulden. Man sagte den Leuten, ihr seid keine Sammler, ihr seid Händler, und hat dann sehr große Rechnungen aufgemacht an Steuerrückständen, die die Betroffenen, wie die Verantwortlichen auch wussten, nicht begleichen konnten, und hat dann statt Zahlung diese Kunstsammlungen übernommen.
    Reinhardt: Da hat man dann doch gemerkt, dass man in einer Diktatur lebt, oder?
    Bischof: Richtig. Es wurde immer unter dem Mantel der Rechtsstaatlichkeit organisiert. Aber im Grunde hat man in diesen Verfahren gegen das eigene Recht verstoßen.
    Tagung dient der Bestandsaufnahme
    Reinhardt: Die Tagung heute, die versteht sich ja eher als eine Art Bestandsaufnahme der Forschung. Es ging heute nicht um das Thema Provenienzforschung. Ist denn die Forschung dazu besonders schwierig und wenn ja warum?
    Bischof: Ich denke, das Problem war noch nicht so im Fokus auch der Museen. Man hat sich vor allen Dingen auf die NS-Raubkunst konzentriert und der Fokus kommt zunehmend erst auch auf dieses Thema und die Museen bemühen sich, jetzt auch die Zugänge vielleicht nach 45 näher anzuschauen, wobei die Museen gar nicht die großen Profiteure waren, sondern natürlich der Kunsthandel, die Abnehmer in Westeuropa.
    Reinhardt: Es ging ja ganz konkret um Devisenbeschaffung, oder?
    Bischof: Richtig. Es ging immer darum, diese Dinge möglichst gewinnbringend in die einzelnen Staaten zu verkaufen: die Bundesrepublik, die ganzen Benelux-Staaten, Belgien, Niederlande, auch Italien, Großbritannien und bis hin nach Übersee, USA, Australien, Japan.
    Es ging um Devisenbeschaffung
    Reinhardt: Ist denn die Tagung heute vielleicht auch eine Grundlage dafür, dass die Opfer von Schalck-Golodkowskis Devisen-Beschaffungsmaßnahmen möglicherweise auch entschädigt werden können in der Zukunft?
    Bischof: Ich denke, es geht erst mal darum, diese Vorgänge näher aufzuklären, auch das Thema in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, sodass sich dann auch bei der interessierten Kunstöffentlichkeit eine Haltung dazu bildet und man im Grunde weiß, dass diese Dinge schwierig sind, und man nicht unbesehen solche Objekte, die ja heute immer noch am Kunstmarkt auftauchen, erwerben kann.
    Reinhardt: Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, so was zu erkennen, zu erkennen, das ist ein Objekt, das im illegalen Kunsthandel zwischen Ost und West irgendwo verschollen ist?
    Bischof: Das kommt auch auf den Einzelfall an. Manchmal ist das bekannt, genauso wie bei der NS-Raubkunst kennt man dann Sammlungen oder sieht, dass das aus ostdeutscher Provenienz stammt und so weiter, und dann muss man sich natürlich die entsprechenden Fragen stellen, wobei es für die Frage dann der Restitution natürlich auch wesentlich darauf ankommt, wo diese Objekte auftauchen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.