Denn die Geheimdienste könnten den Vorfall künftig benutzen, um den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschuss keine Informationen mehr zur Verfügung zu stellen. Das verhindere Aufklärung und sei nach dem NSA-Skandal bedauerlich, betonte von Notz. Rechts- und verfassungswidrige Taten der Geheimdienste müssten bekannt gemacht werden. Parlamentarische Kontrolle bedeute aber nicht, dass man alles öffentlich mache, so der Grünen-Politiker: "Das ist einfach ein Irrweg und eine naive Vorstellung, wenn man denkt, dass man so tolle Transparenz herstellen würde."
Über die mögliche Quelle des Datenlecks wollte von Notz nicht spekulieren. Die veröffentlichten Dokumente hätten eher eine niedrige Geheimhaltungsstufe gehabt. Deshalb kämen zum Beispiel neben Abgeordneten auch Ministerien in Betracht.
Das Interview in voller Länge:
Sarah Zerback: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet der NSA-Ausschuss, der untersuchen soll, in welchem Maße Geheimdienste, vor allem der amerikanische NSA, Datenspionage betrieben haben, wurde nun selbst ausspioniert. Rund 2.400 Dokumente hat die Enthüllungsplattform WikiLeaks ins Netz gestellt. Sie stammen vom Bundesnachrichtendienst oder vom Verfassungsschutz zum Beispiel und umfassen Korrespondenzen des Bundeskanzleramts oder von Parlamentariern. Man wolle die Arbeit des Gremiums transparenter machen, das größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt, so begründet es WikiLeaks. Konstantin von Notz sitzt für die Grünen in eben jenem NSA-Ausschuss. Herr von Notz, geheime Dokumente, die nach außen dringen – wer, vermuten Sie, ist da der Maulwurf?
Konstantin von Notz: Wir wissen nicht, woher das kommt. Man muss sehen, es handelt sich um sogenannte VSNFD-eingestufte Dokumente.
Zerback: Das müssen Sie erklären.
von Notz: Genau. Das ist eine niedrige Einstufung von Dokumenten. Trotzdem, es ist völlig klar, die sind nicht für die Veröffentlichung bestimmt, und insofern ist dieser Vorgang sehr ärgerlich und völlig nicht in Ordnung, und auch diese Argumentation, der Ausschuss würde zum größten Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen, stimmt nicht. Wir haben einen Öffentlichkeitsgrundsatz in einem Untersuchungsausschuss, und insofern ist ein großer Teil der Dinge, die wir tun, öffentlich. Es gibt dann aber auch geheime Teile, weil eben parlamentarische Kontrolle nicht gleichzusetzen ist, alles, was dort besprochen wird, ist auch gleich öffentlich.
Zerback: Lassen Sie uns das noch mal der Reihe nach sortieren. Wer könnte denn Ihrer Meinung nach ein Interesse daran haben, diese Dokumente zu veröffentlichen?
von Notz: Ich kann Ihnen das wirklich nicht sagen und will da auch nicht irgendwie ins Blaue hinein irgendjemanden beschuldigen oder vermuten. Aber wir sind sehr unglücklich über diese Veröffentlichung, weil eben dieses pauschale Dokumente-öffentlich-Machen hilft überhaupt nicht, ist unserer Meinung nach ein Irrweg, das so zu tun, und behindert die Arbeit unseres Ausschusses, weil natürlich die Geheimdienste das als Argument benutzen, uns zukünftig keine Informationen mehr zu geben und parlamentarische Kontrolle eben insgesamt zu bekämpfen, und daran kann eigentlich nach diesem NSA-/BND-Skandal niemand ein Interesse haben. Und deswegen, ich will mich wirklich nicht festlegen, woher das kommen könnte. Ich kann nur sagen, die Laufwerke, auf denen diese Dokumente liegen, auf die haben sehr viele Leute Zugriff. Die Abgeordnetenbüros, Mitarbeiter, das Sekretariat der Bundestagsverwaltung, aber eben auch die Ministerien, die beteiligt sind, und das sind sechs Stück.
"Dinge, die nicht so eins zu eins in die Öffentlichkeit gehören"
Zerback: Und da sind ja einige Vermutungen tatsächlich schon in der Welt. Nachdem zuerst gedacht wurde, eventuell könnten russische Hacker dahinterstecken, scheint es jetzt Hinweise darauf zu geben, dass der Leak aus dem Ausschuss selbst kommen könnte. Warum sollte ein Ausschussmitglied so etwas tun?
von Notz: Ich kann Ihnen über die Motivlage nichts sagen, weil ich schlicht nicht weiß, von wem das kommt. Aber ich kann Ihnen sagen, es hilft der Sache nicht. Und es sind Dokumente, aus denen wir, also diese VSNFD-eingestuften Dokumente sind Dokumente, aus denen wir in öffentlichen Sitzungen zitieren dürfen. Wir dürfen Vorhalte daraus machen, das vorlesen. Aber in denen stehen trotzdem Dinge drin – Namen von Mitarbeitern, es geht auch um Schriftverkehr zwischen dem Ausschusssekretariat und der Bundesregierung. Die Ministerien – da stehen überall Namen von Angestellten und Leuten, die in der Verwaltung arbeiten. Es sind einfach Dinge, die nicht so eins zu eins in die Öffentlichkeit gehören und die auch keinen Mehrwert haben, so einfach veröffentlicht zu werden.
Zerback: Inhaltlich neu sind sie nicht, da verstehe ich Sie auch richtig, und da sind Sie ganz bei dem Vorsitzenden auch des NSA-Ausschusses, der ja gesagt hat, das Material war gar nicht so brisant. Aber hält sich dann der Schaden nicht in Grenzen?
von Notz: Der Schaden hält sich in Grenzen. Das würde ich schon sagen. Es ist trotzdem ein sehr misslicher Vorgang, weil uns natürlich vorgeworfen – Geheimdienste wollen ihre Dinge geheim halten, und sie wollen möglichst nicht parlamentarisch kontrolliert werden. Und deswegen sind solche Veröffentlichungen Munition für die, die versuchen, parlamentarische Aufklärung zu verhindern, und deswegen ist dieser Vorgang sehr ärgerlich. Die Akten, das muss man vielleicht noch sagen, weil das ein interessanter Punkt ist, gehen nur bis Januar 2015. Also wir haben auch die letzten eindreiviertel Jahre sehr viele Akten noch bekommen.
"Parlamentarische Kontrolle bedeutet nicht, dass man einfach alles öffentlich macht"
Zerback: Rechnen Sie da mit weiteren Enthüllungen?
von Notz: Das weiß ich nicht. Ich glaube es irgendwie vom Bauchgefühl nicht, aber ich weiß es nicht genau. Aber auf jeden Fall fehlen auch relevante Teile der Akten, die jetzt die letzten zwei Jahre gekommen sind. Insofern muss man da auch drauf gucken, warum das so ein veralteter Leak irgendwie ist. Aber wie gesagt, ich will mich nicht an Schüssen ins Blaue beteiligen, woher es nun genau kommen könnte.
Zerback: WikiLeaks hat ja jetzt argumentiert, dass durch diese Veröffentlichungen eben auch deutlich wird, mit welchen Hürden Sie bei Ihrer Arbeit konfrontiert sind. Das nun öffentlich zu machen, kann das nicht vielleicht sogar helfen?
von Notz: Ich glaube, unser Ausschuss wird ja sehr eng von vielen Kolleginnen und Kollegen von Ihnen journalistisch begleitet, und die Probleme, gegen die wir ankämpfen, über die wird sehr ausführlich berichtet. Und jeder, der Interesse daran hat und mal in eine Zeitung gucken will oder einen Radiobeitrag hört oder so, der weiß, dass die Bundesregierung und auch die Dienste versuchen, mit allen Mitteln viele Dinge sozusagen zu bläuen und geheim zu halten. Aber man muss einfach sehen, wir haben die letzten drei Jahre mit einer großen Hartnäckigkeit viele Dinge aufgeklärt und auch transparent gemacht. Und ich finde persönlich auch, dass alle Dinge, die rechts- und verfassungswidrig sind, die ein Dienst tut, die müssen auch öffentlich werden, das gehört in einem Rechtsstaat sozusagen – die gravierenden Fehler, die passieren, müssen öffentlich werden. Aber parlamentarische Kontrolle bedeutet nicht, dass man einfach alles öffentlich macht, unabhängig von allen Betroffenen, von allen Menschen, die auch geschützt werden müssen in diesen Dokumenten. Das ist einfach ein Irrweg und eine naive Vorstellung, wenn man denkt, dass man so tolle Transparenz herstellen würde, das ist nämlich überhaupt nicht so.
"Kommen ja nun nicht nur Abgeordnete, sondern auch Ministerien in Frage"
Zerback: Was muss denn dann passieren? Welche Sicherheitsmaßnahmen sollten da zusätzlich ergriffen werden, damit das eben nicht noch mal vorkommt?
von Notz: Solange ich nicht weiß, auf welchem Wege und von wem das in die Öffentlichkeit gekommen ist, kann ich Ihnen das gar nicht genau sagen. Es gibt da klare rechtliche Vorgaben, an die haben sich die Beteiligten zu halten. Natürlich, ein Parlament, aber auch eine Bundesregierung, eine Exekutive, und selbst die Geheimdienste selbst sind keine hermetisch abgeschlossenen Institutionen, aber Daten dürfen so nicht rausgehen, und ich glaube, man kann erst urteilen, wie man sich dagegen besser schützen kann, wenn man weiß, auf welchem Wege diese Unterlagen zu WikiLeaks gekommen sind.
Zerback: Und dass dieser Vorgang aber möglicherweise strafrechtliche Konsequenzen haben wird, das zeichnet sich ab. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat ja gestern eine entsprechende Ermächtigung da erteilt. Da ist die Frage, gegen wen denn, und welche Folgen könnte das haben Ihrer Meinung nach?
von Notz: Da bin ich auch mal gespannt, wie das laufen wird. Ich meine, wenn man sich die Laufwerkproblematik anguckt, dann kommen da ja nun tatsächlich zahlreiche Leute in Betracht. Und wenn es da jetzt um staatsanwaltliche Maßnahmen geht, dann – ich weiß es natürlich nicht, und die Justiz ist da völlig unabhängig in dem, was sie tut. Insofern müssen die das aus ihrer Sicht Nötige tun. Aber es kommen ja nun nicht nur Abgeordnete, sondern auch Ministerien in Frage, wo Probleme sein könnten. Und da bin ich mal gespannt, was da so in alle Richtungen die staatsanwaltlichen Maßnahmen sind, die hier nun offenbar erfolgen sollen.
Zerback: Da sind wir alle gespannt. Konstantin von Notz war das, Mitglied bei Bündnis90/Die Grünen und im NSA-Untersuchungsausschuss. Besten Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
von Notz: Ich danke Ihnen, einen schönen Tag!
Zerback: Wünsche ich Ihnen auch!
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