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Enthüllungsjournalismus
Wie Qualitätsmedien von Wikileaks lernen können

Whistleblower können ihre Recherchen mittlerweile nur unter erschwerten Bedingungen Journalisten zuspielen, denn auch die Enthüllungsplattform Wikileaks verliert immer mehr Sympathien. Netzaktivisten regen nun eine Zusammenarbeit mit Verlagen und Rundfunkanstalten an.

Von Peter Welchering |
    ILLUSTRATION - Durch eine Lupe ist am Dienstag (30.11.2010) auf der Internet-Seite von Wilileaks das Wort «Secret» zu sehen. Am ersten Tag der Wikileaks-Veröffentlichung von US-Botschaftsdepeschen hat das Enthüllungsportal mehr als 200 Dokumente veröffentlicht, am zweiten Tag waren es 60. Foto: Oliver Berg dpa/lnw | Verwendung weltweit
    Wikileaks - Homepage (dpa)
    Mit der schwindenden Unterstützung von Enthüllungsplattformen wie Wikileaks wird es auch für Whistleblower immer schwieriger, Dokumente, die Fehlentwicklungen und Skandale belegen, Journalisten zuzuspielen. Hier sind Verlage und Rundfunkanstalten gefordert, meinen viele Netzaktivisten. Deren Meinung bringt die ehemalige Wikileaks-Unterstützerin und Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg, inzwischen netzpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, auf den Punkt:
    "Es braucht einfach andere Alternativen. Es gibt zunehmend Kooperationen auch mit klassischen Medien, die Whistleblower sich dann doch gezielt aussuchen, um dort Dinge zu leaken, ob das Panama-Papers sind oder andere. Ich glaube, dahin wird es eher gehen. Vielleicht gibt es eines Tages ein anderes Wikileaks, das dann anders heißt, das dann möglicherweise als neutrale Plattform auftritt."
    Veränderungen im Journalismus durch Wikileaks
    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte also zu einer interessanten Enthüllungsplattform für Whistleblower werden. Dafür müssen Funkhäuser nicht nur für eine geeignete Infrastruktur im Netz sorgen, sondern auch die durch Wikileaks mit verursachten journalistischen Veränderungen bei Recherche und Produktion von Beiträgen berücksichtigen. Dazu gehört vor allen Dingen die Aufarbeitung und Veröffentlichung "geleakter Dokumente", meint Kurt Jäger vom Chaos Computer Club Stuttgart:
    "Die Leak-Plattformen haben gezeigt, dass es möglich ist, diese Quellen zu veröffentlichen. Dass der herkömmliche journalistische Modus - wir berichten und alles, was wir an Meta Material haben, ist unser Schatz -, dass der infrage gestellt wurde. Aber jetzt stellen wir fest: Die Aufbereitung kostet Finanzierung, und die Finanzierungsmodalitäten zu erarbeiten, ist Teil der gesellschaftlichen Debatte über Journalismus, nicht über Leak-Plattformen, sondern über Journalismus."
    Auf Quellen verweisen
    Qualitätsmedien, insbesondere öffentlich-rechtliche Journalisten müssen von Wikileaks und Co. lernen. Diese Forderung wird insbesondere von den Hackern aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs immer wieder vorgetragen.
    Kurt Jäger: "Der wichtigste Beitrag, den Wikileaks gebracht hat, war, der journalistischen Zunft zu sagen, dass es wichtig ist, die ursprünglichen Quellen auch zu veröffentlichen und zu verlinken und als Kontext journalistischer Arbeit mitzuliefern."
    Honorare müssten neu verhandelt werden
    Das stellt neue Anforderungen an Journalisten. Sie sollen das Material offenlegen, auf dem ihre Berichte aufbauen – selbstverständlich unter Wahrung des Quellen- und Informationsschutzes. Der Leser, Hörer oder Zuschauer will zunehmend überprüfen können, auf welcher Grundlage ein Bericht entstanden ist und wie sorgfältig recherchiert wurde, meinen viele Netzaktivisten wie Kurt Jäger. Doch für diese neue Anforderung muss eine Finanzquelle gefunden werden.
    Kurt Jäger: "Das wäre super, hat aber aufgrund der Finanzierungsstruktur, der Journalismus heutzutage noch keine Perspektive. Dafür bekommt ein Journalist eine Journalistin für diese Aufbereitungsarbeit von denjenigen, die sie bezahlen können, nicht genug Geld, um das zu leisten."
    Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und ihre Finanzierung durch den Haushaltsbeitrag könnten das leisten. Sie müssten dazu aus den ihnen zugespielten Dokumenten alle sogenannten Metadaten entfernen, die einen Hinweis enthalten, woher ein Dokument stammt. Danach muss das gesamte Material daraufhin durchgeschaut werden, ob es Klarnamen von Personen enthält, die durch eine Veröffentlichung gefährdet werden könnten. Auch diese Namen müssen entfernt werden. In einem dritten Schritt sollen diese Quelldokumente dann online gestellt werden - parallel zur Veröffentlichung des eigentlichen journalistischen Beitrags. Das ist ein aufwändiger Prozess. Der Haushaltsbeitrag ist für Kurt Jäger und andere aus dem Chaos Computer Club eine mögliche Finanzierungsquelle. Anke Domscheit-Berg und ihr Fraktionskollegen im Deutschen Bundestag wollen diesen Gedanken stärker in die rundfunkpolitische Diskussion einbringen. Die Netzgemeinde möchte dafür eine möglichst große Mehrheit bei allen politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen schaffen.