Mehr als 50 Milliarden Kubikmeter - so viel Lauge fällt in allen heutigen Entsalzungsanlagen jedes Jahr an, wenn man ihre flüssigen Abfälle zusammenzählt. Mit dieser Menge könnte man ganz Florida 30 Zentimeter hoch überfluten, sagt der britische Umweltwissenschaftler und Hydrologe Edward Jones von der Universität Wageningen in den Niederlanden. Um es noch anschaulicher zu machen: Florida ist ungefähr halb so groß wie Deutschland:
"Es gibt bisher nur wenige Studien über die Abfall-Laugen. Vor kurzem hieß es noch, ihre Menge sei genauso groß wie die des produzierten entsalzten Wassers. Unsere neuen Ergebnisse mögen für manche ein Schock sein, denn tatsächlich sind die Lauge-Mengen anderthalbmal größer! Das wurde bisher übersehen."
Abfalllauge landet meistens im Meer
Die große Mehrheit der Entsalzungsanlagen steht am Meer. Rund 80 Prozent von ihnen seien nicht weiter als zehn Kilometer von der Küste entfernt, heißt es in der neuen Studie. Die Abfall-Lauge, die sie produzieren, werde meistens unbehandelt ins Meer zurückgeleitet.
Für die Umwelt sei das problematisch, betont Manzoor Qadir von der Universität der Vereinten Nationen im kanadischen Hamilton. Der Biophysiker zählt ebenfalls zum Kreis der Studienautoren. Der Salzgehalt der Lauge sei oft mehr als doppelt so hoch wie der von Meerwasser:
"Im Bereich der Einleitungen wird das Meer also salziger. Gleichzeitig nimmt auch der Sauerstoffgehalt im Wasser ab, was für Meeresorganismen sicher nicht gut ist."
Edward Jones verweist auf ein weiteres Problem mit der Salzbrühe:
"Bei der Entsalzung kommen Chemikalien zum Einsatz, darunter auch Biozide. Viele von ihnen enthalten große Mengen Kupfer. Das landet dann in der Lauge - ein Stoff, der giftig für Meeresorganismen sein kann."
Gift für Meeresorganismen
Bisherige Studienergebnisse sind allerdings uneinheitlich: Manchmal beschränkten sich negative Effekte für die Meeresorganismen auf die direkte Umgebung der Einleitungsstelle, manchmal traten sie auch noch in größerer Entfernung auf. Am schädlichsten wirkt die Salzlauge sicher dort, wo das Meer ruhig und nicht gut durchmischt ist.
Es gibt verschiedene Technologien zur Entsalzung von Meerwasser. Die effizienteste ist die Reverse Osmose, ein Membran-Trennverfahren. Viel mehr Lauge fällt dagegen bei der Methode der thermischen Destillation an. Dabei wird das Meerwasser erhitzt, verdampft und anschließend wieder verflüssigt. Solche Anlagen stehen vor allem im Nahen Osten, wie Manzoor Qadir sagt:
"Vier Länder auf der Erde produzieren mehr als die Hälfte der ganzen Salzlauge: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar. Nimmt man die Länder Nordafrikas noch hinzu, sind es rund 70 Prozent. In diesen Regionen werden künftig noch viel mehr Entsalzungsanlagen gebaut werden. Dort stehen wir vor der größten Herausforderung."
Ein erster Schritt wäre schon mal, keine veralteten Destillationsanlagen mehr zu bauen, sondern nur noch auf Reverse Osmose zu setzen mit ihren viel geringeren Prozessrückständen. Saudi-Arabien mache das jetzt tatsächlich, sagt Edward Jones. Dort entstehe im Moment die weltgrößte Meerwasser-Entsalzungsanlage, und zwar mit Osmose-Technologie.
Lauge nutzen statt entsorgen
Nötig sei aber noch mehr. Denn auch solche Anlagen produzierten ja weiterhin Lauge, nur nicht so viel. Manzoor Qadir regt an, die brackige Brühe zu nutzen, statt sie ins Meer zu schütten. Zum Beispiel in Aquakulturen für die Aufzucht von Fischen, Garnelen und Algen:
"In den Trockenregionen der Erde ist die Entsalzung von Meerwasser wirklich unerlässlich. Andererseits müssen wir uns dringend um neue Wege zur Behandlung der Laugen kümmern."
Dafür sei allerdings noch Einiges an Forschung und Innovationen nötig. Natürlich ist das Ganze auch eine Kostenfrage. Die Betreiber der Entsalzungsanlagen leiten ihre Brühe schließlich auch deshalb ins Meer, weil das für sie die billigste Lösung ist.