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Entschärfung des Handelsstreits
"Das war ein großer Erfolg"

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat die Entschärfung des Handelsstreits zwischen den USA und der EU begrüßt. Statt sich das Leben wechselseitig schwer zu machen, gehe es nun darum, alle Zölle zwischen EU und USA abzuschaffen - so wie es schon mit dem Handelsabkommen TTIP vorgesehen war, sagte er im Dlf.

Peter Bofinger im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Peter Bofinger, Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweiser).
    Das Abkommen zwischen der EU und den USA sehe auch vor, gegen Länder wie China vorzugehen, das eine unfaire Handelspolitik betreibe. "Das halte ich für eine sehr gute Sache", sagt Peter Bofinger. (imago / IPON)
    Jasper Barenberg: In Brüssel dürfte man nicht mit diesem Erfolg gerechnet haben, dass es Jean-Claude Juncker für die Europäische Union tatsächlich gelingen würde, eine weitere Eskalation im Handelsstreit mit den USA zu verhindern und mehr noch sogar mit handfesten Vereinbarungen wieder zurückzukehren.
    Wie umgehen mit dem Handelskrieger Donald Trump? Der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat dazu schon vor einiger Zeit eine klare Position formuliert. Europa sollte zum einen auf die vereinbarten internationalen Handelsregeln pochen, also auf die Regeln vor allem der WTO. Die EU sollte zweitens weiter für die Vorzüge von Freihandel werben, und schließlich drittens den Konflikt nutzen, um im Handel mit den USA, aber auch mit anderen Staaten und Regionen die Zölle tatsächlich weiter zu senken. - Am Telefon ist jetzt Peter Bofinger, Mitglied in diesem Sachverständigenrat der Bundesregierung, also einer der sogenannten Wirtschaftsweisen, außerdem Volkswirt an der Universität Würzburg. Einen schönen guten Morgen, Herr Bofinger.
    Peter Bofinger: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    "Atmosphärisch ist da sehr viel passiert"
    Barenberg: Herr Bofinger, auch Sie hatten vor der Eskalation im Handelsstreit ausdrücklich vor einer solchen Entwicklung gewarnt mit fatalen Folgen für alle, die das hätte. Europa solle stattdessen dem US-Präsidenten Angebote machen. War der Besuch von Jean-Claude Juncker im Weißen Haus ein Erfolg?
    Bofinger: Ja. Ich würde sagen, das war ein großer Erfolg, von Herrn Juncker auch, denn ich meine, es ist ja nicht lange her, dass der amerikanische Präsident gesagt hat, Europa ist ein Feind der USA. Jetzt haben die beiden sich ein Küsschen gegeben und haben gesagt, sie wollen eine enge Freundschaft miteinander haben. Atmosphärisch ist ja da sehr viel passiert. Und das Ergebnis, denke ich, ist auch sehr erfreulich. Es geht genau in die Richtung, die wir uns ja auch vorgestellt haben, dass man jetzt nicht wechselseitig mit Zöllen versucht, sich das Leben schwer zu machen, sondern dass man den Ochsen sozusagen an den Hörnern packt und sagt, okay, Trump, wenn Du ein Problem mit Zöllen hast, dann schaffen wir die wechselseitig ab und gehen dahin, was ja eigentlich schon TTIP vorgesehen hatte, dass wir alle Zölle zwischen den USA und der EU abschaffen. Denn das ist eine Situation, von der eigentlich alle dann nur gewinnen können.
    Barenberg: Nun ist ja in diesen Tagen wieder viel von der Sprunghaftigkeit und von der Unberechenbarkeit insbesondere von Donald Trump die Rede. Sie haben einigermaßen Vertrauen, dass diese Kehrtwende, als die man diese Entwicklung ja bezeichnen kann, auch so bleibt?
    Bofinger: Na gut, ich bin jetzt kein Psychologe. Und bei Herrn Trump ändert sich das ja sehr schnell. Er hat ja nun vor drei Tagen, wenn ich es richtig im Kopf habe, gesagt, Zölle sind das Allergrößte, und jetzt sagt er, wir wollen die Zölle abschaffen. Wie gesagt: Er hat ja auch vor ein paar Tagen gesagt, die EU ist ein Feind der Vereinigten Staaten. Jetzt machen wir eine Freundschaft mit ihm. Ich würde sagen, das kann man jetzt natürlich nicht prognostizieren. Aber ich denke, es ist doch ganz positiv, dass es Herrn Juncker jetzt gelungen ist, zunächst mal in die Richtung zu gehen, dass man kooperiert, dass man gemeinsam die Dinge voranbringt. Es sind ja auch ganz spannende Dinge in diesem Abkommen, dass man auch gegen Länder vorgehen will, die unfaire Handelspraktiken haben. Das ist ja ein Hinweis, dass die USA und die EU auch gegen China versuchen, gemeinsam vorzugehen, was ich auch für eine sehr gute Sache halte. Es ist sehr, sehr erfreulich zunächst mal. Ich glaube, wir sollten uns erst mal darüber freuen, dass es jetzt in diese Richtung geht. Ob das Bestand hat, das wird wahrscheinlich keiner mit Sicherheit sagen können.
    "Man muss die Kunst des Deals beherrschen"
    Barenberg: Wenn ich mir anschaue, was es an Informationen und Meldungen dazu heute Morgen gibt, dann fällt mir jedenfalls eines ins Auge, dass es auf der einen Seite keine festen Zusagen von Donald Trump gibt. Es gibt erst mal die Ankündigung, von den angedrohten Zöllen auf Autos abzusehen. Es gibt auf der anderen Seite aber konkrete Zusagen von Jean-Claude Juncker im Namen der EU, nämlich zum Beispiel mehr Flüssiggas zu importieren, zum Beispiel mehr Sojabohnen. Ist das nicht doch unterm Strich eher so, dass die EU sich hat über den Tisch ziehen lassen bei diesen Gesprächen?
    Bofinger: Nein, so würde ich das, glaube ich, nicht sehen, und ich denke, vielleicht muss man tatsächlich auch ein bisschen die Kunst des Deals beherrschen. Ich würde jetzt sagen, Sojabohnen und Flüssiggas würde ich jetzt eher unter die Kategorie der Peanuts rechnen. Von daher, wenn man es geschafft hat, auf diese Art und Weise den Herrn Trump zu diesem Deal zu bekommen, ist das, glaube ich, eine gute Sache. Worum es wirklich geht ist, dass man einen Richtungswechsel hinbekommt, und der Richtungswechsel muss sein, nicht immer mehr Zölle jetzt auf Jeans, Whisky und Harley-Davidson und dann noch auf andere Produkte, sondern in die Gegenrichtung zu gehen und zu sagen, lasst uns diese Zölle wechselseitig abschaffen. Denn er hat ja recht, Herr Trump, in der Beziehung, dass es nicht einen Grund dafür gibt, warum jetzt amerikanische Autos hier bei uns mit höheren Zöllen konfrontiert werden, als das umgekehrt für europäische Autos in den USA ist. Der Ansatz von Trump ist ja gar nicht so schlecht zu sagen, lasst uns diese Zölle vom Tisch kriegen, denn das ist etwas, was eigentlich unter Ökonomen unstrittig ist. Das ist etwas, von dem alle profitieren.
    Bofinger: Trump sieht die negativen Effekte von Strafzöllen
    Barenberg: Aber wie bewerten Sie dann, wenn ich es recht weiß, dass Donald Trump ja auch gesagt hat, gerade was die Autoindustrie angeht wird es zunächst einmal bei den Zöllen bleiben. Reden und verhandeln werden wir über Zölle auf möglichen anderen Gebieten.
    Bofinger: Das ist richtig. Aber er hat jetzt zunächst mal die Drohung vom Tisch genommen, die Zölle für Automobile tatsächlich dann einzusetzen. Wie gesagt, ich bin kein Trump-Psychologe, aber ich glaube, was wichtig ist, ist, dass Trump wahrscheinlich auch merkt, dass das ja keine so tolle Sache mit den Zöllen ist. Wenn er Zölle erhebt auf alle möglichen Produkte, dann werden diese Produkte ja auch für die amerikanischen Unternehmen und amerikanischen Verbraucher teurer. Ein Zoll ist ja zunächst mal aus der Sicht des Abnehmers dieses Produkts wie eine Mehrwertsteuer. Das heißt, er belastet natürlich auch damit seine Konsumenten, seine Unternehmen, und ich denke, das wird ihm jetzt wahrscheinlich auch zunehmend bewusst.
    Und wenn dann zusätzlich noch Drohungen kommen oder Gegenzölle kommen auf was weiß ich, Sojabohnen und Produkte, die die Amerikaner produzieren, dann ist es ja auch so, dass in den USA ein Unmut in dieser Richtung entsteht, und ich glaube, das wird ihm auch zunehmend bewusst, dass das nicht nur eine lustige Geschichte ist, wenn man jetzt mit Zöllen ausländische Produkte belegt.
    Barenberg: Wenn es jetzt in diesen Verhandlungen gelingen sollte, den Freihandel auszubauen und sich auf geringere oder möglicherweise gar keine Zölle in bestimmten Gebieten zu einigen, dann würden Sie sagen, eine solche Entwicklung wäre zu 100 Prozent positiv, da gäbe es dann keine Verlierer?
    Bofinger: Zunächst mal sind wir als Ökonomen davon überzeugt, dass es für die Weltwirtschaft gut ist, wenn man möglichst wenig Handelshemmnisse hat. Wir sind davon überzeugt, dass mehr Handel Gewinne für alle Beteiligten bringt. Natürlich gibt es Bereiche, wo es auch Verlierer gibt. Ich denke, wenn jetzt die EU alle Zölle abschaffen würde gegenüber den USA, wäre das sicher in einzelnen Bereichen, ich denke, vielleicht auch gerade in Frankreich, für die Landwirtschaft problematisch. Aber das wäre ja dann zu überlegen, wie man dann denjenigen, die besonders davon betroffen werden, helfen kann. Das wäre ja dann auch noch eine Möglichkeit.
    "Eine Zolleskalation würde vor allem den USA schaden"
    Und es wäre sicher besser, einzelnen eine Unterstützung zu geben, die von einer Zollsenkung besonders nachteilig beeinflusst werden, anstatt jetzt in diese Richtung zu gehen einer Zolleskalation, bei der es am Ende viele Verlierer gibt und sich alle schlechterstellen.
    Barenberg: Sie haben ja gesagt, Donald Trump hat möglicherweise auch die Einsicht bekommen, dass die eigenen Unternehmen, die eigenen Verbraucher leiden würden unter diesem Zollkrieg. Würden sie auf der anderen Seite auch sagen, die EU ist deswegen so stark und gut jetzt aus diesen Gesprächen gekommen, weil sie sich geschlossen gezeigt hat und weil sie mit dem Handelsabkommen mit Japan beispielsweise auch klargemacht hat, es gibt auch andere Bündnispartner in der Welt?
    Bofinger: Es ist ganz klar, wenn Herr Trump jetzt eine Zolleskalation betreiben würde, dass das natürlich am Ende vor allem auch den USA schaden wird, denn die Konsequenz eines Zollkrieges, der von den USA ausgeht, ist ja, dass die anderen Länder sich enger zusammenschließen - Sie haben dieses Abkommen mit Japan angesprochen -, dass mehr Integration im Rest der Welt stattfindet. Und am Ende sind dann die USA ein Außenseiter, der dann ökonomisch verliert, und ich denke, es wäre auch politisch für die USA sehr, sehr problematisch, wenn sie jetzt einen solchen Handelskrieg gegenüber dem Rest der Welt auslösen, denn China ist ja ein Land, das ganz stark danach strebt, politisch auch globale Führung zu übernehmen, und je schlechter sich Herr Trump verhält, umso mehr stärkt er China. Umso mehr treibt er geradezu die anderen Regionen der Welt zu China, das dann gegenüber den Vereinigten Staaten ganz klar an politischer Macht gewinnt.
    Barenberg: Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg, einer der sogenannten Wirtschaftsweisen, der die Bundesregierung berät. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Bofinger: Ja, gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.