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Entschärfung des Handelsstreits
"Keine substanziellen Ergebnisse"

Bei dem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seien große Worte gefallen, "substanziell vereinbart worden ist aber noch nichts", kritisierte der Europaparlamentarier Bernd Lange (SPD) im Dlf. Zudem sei es falsch, vor der von den USA aufgebauten Drohkulisse zu verhandeln.

Bernd Lange im Gespräch mit Jasper Barenberg | 26.07.2018
    EU-Politiker Bernd Lange (SPD) sitzt vor einer EU-Flagge
    "Erst wenn wir auf dem gemeinsamen Boden der Regeln der WTO stehen, können wir auch über Handelsverträge verhandeln": Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament (imago / Agencia EFE)
    Jasper Barenberg: Zölle sind das größte! - Vor wenigen Tagen noch machte Donald Trump deutlich, wie er vorab den Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einschätzt, nämlich als den Besuch eines Bittstellers, eines Repräsentanten von Ländern, die die USA jahrelang unfair behandelt hätten und die jetzt kämen, um zu verhandeln. Dann kam alles ganz anders gestern. Trump gab sich versöhnlich, er schwärmte geradezu von einer neuen Ära in den Handelsbeziehungen. Und auch Jean-Claude Juncker ist rundherum zufrieden.
    Am Telefon ist der SPD-Politiker Bernd Lange, der Vorsitzende im Ausschuss für internationalen Handel im Europäischen Parlament. Schönen guten Morgen, Herr Lange!
    Bernd Lange: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    "Es kommt auf die Facts an"
    Barenberg: Ist jetzt alles wieder gut zwischen Trump und der EU?
    Lange: Nein, überhaupt nicht. Das einzig Positive an dem Ergebnis ist, dass wieder miteinander geredet wird. Da sind große Worte gefallen, aber magere substanzielle Ergebnisse, und jetzt müssen wir mal gucken, wie der Prozess weitergeht.
    Das größte Manko, was ich finde, ist, dass die Drohkulisse ja nicht abgebaut worden ist. Die Abschottungszölle auf Stahl und auf Aluminium sind da und die Abschottungszölle auf Autos sind nicht vom Tisch, sondern nur ausgesetzt, verzögert. Und das, glaube ich, ist ja eine Vorbedingung, dass man überhaupt verhandeln kann, dass diese Dinge, die im Rahmen der Welthandelsorganisation illegal sind, vom Tisch kommen.
    Barenberg: Jetzt nehmen wir kontrast zur Kenntnis, dass der Wirtschaftsminister, Peter Altmaier, geradezu jubelt: "Ein Durchbruch ist das!" Und mehr noch: "Das sind gute Nachrichten für Jobs, für Millionen von Jobs und für den Welthandel. Die beiden haben den Handelskrieg abgewendet." - Warum Ihre Skepsis?
    Lange: Wir haben ja über drei Jahre über TTIP verhandelt. Also mal eben zu sagen, wir reduzieren Zölle und ein paar andere Dinge, ist ja nicht so einfach. Ich bin mal gespannt, was diese Arbeitsgruppe und diese Delegation aus den USA dann im Koffer hat. Es kommt ja auf die Facts an. Substanziell vereinbart worden ist in der Hinsicht noch nichts und das muss man dann genau prüfen. Dieser Reflex, bilden wir mal eine Arbeitsgruppe, hat ja bei China und bei Nordkorea auch noch nicht zu substanziellen Erfolgen geführt. Das muss man mal wirklich messen, was da an Angeboten ist.
    Es geht ja nicht nur um Zölle; es geht um den Zugang zum Dienstleistungsmarkt, der in den USA völlig abgeschottet ist. Öffentliche Beschaffungen, die haben ja Buy America. Da sind so viele Dinge, die man diskutieren muss, die völlig offen sind. Insofern ja, wir haben jetzt einen kleinen Aufschub bei den Abschottungszöllen bei Autos, aber darüber hinaus sind noch keine substanziellen Ergebnisse da.
    Vereinbarung bei Soja-Exporten "ist eine Luftnummer"
    Und dann noch so ein paar Kleinigkeiten: Wissen Sie, Herr Barenberg, das mit diesem Soja - Soja wird jetzt weniger nach China exportiert, weil die Chinesen auch Gegenmaßnahmen gegen die Abschottungszölle der USA erhoben hat. Da schlüpfen die Brasilianer jetzt rein, und die werden weniger nach Europa exportieren, und da schlüpfen jetzt die USA rein. Das bedeutet eigentlich nur eine Verschiebung.
    Barenberg: Aber das wird ja die Regierung in Paris sehr freuen, die sich immer um ihre Landwirtschaft sorgt, dass Jean-Claude Juncker jetzt zugesagt hat, dass man sehr viel mehr Soja importiert. Oder was meinen Sie, wie man das in Paris aufnimmt?
    Lange: Ich glaube, das ist sowieso noch eine zweite Diskussion, Herr Barenberg, wie eigentlich das Europäische Parlament, wie die Mitgliedsstaaten darauf reagieren. Aber mit dem Soja, das ist wirklich eine Luftnummer, weil sich da nur die Ströme verschieben und Brasilien die USA ersetzt und dann die USA ein bisschen mehr exportieren.
    Außerdem sind wir ja eine Marktwirtschaft, wo man einfach nicht nur sagen kann, jetzt nehmen wir mehr Soja aus den USA, sondern das reguliert ja offenbar Preis und Nachfrage. - Nein, das sind fromme Worte, die nicht durch Fakten unterlegt sind. Und wie gesagt: Da müssen wir jetzt mal gucken, wer da wirklich …
    Barenberg: Sie sagen, fromme Worte. Aber man muss doch festhalten an diesem Morgen: Konkrete Zugeständnisse hat Jean-Claude Juncker gemacht. Und welche Gegenleistung bekommt die EU dafür?
    Lange: Das habe ich ja angedeutet. Die Drohkulisse ist da. Insofern hat er substanziell da nichts erreicht, und das ist die einhellige Meinung des Europäischen Parlaments. Wir werden keine substanziellen Verhandlungen anfangen, wenn nicht diese illegalen Abschottungszölle auf Stahl weg sind und die Drohkulisse bei den Autos auch weg ist. Erst wenn wir auf dem gemeinsamen Boden der Regeln der WTO stehen, dann können wir auch über Handelsverträge verhandeln.
    Trump verliert Unterstützung der US-Industrie
    Barenberg: Sie bleiben bei der Marschrichtung, die vor allem Frankreich vorgegeben hat: Wir verhandeln nicht mit dem Gewehr an der Schläfe. Und was wir heute Morgen haben ist die Option, dass die Waffe gesenkt ist, aber Donald Trump sie jederzeit wieder in die Hand nehmen kann.
    Lange: Sie haben das richtig beschrieben. Genau die Drohkulisse bleibt bestehen. Was für eine absurde Situation: Man will da über Zollerleichterungen für alles Mögliche reden, aber die Autos explizit herauszunehmen, das kann nicht Gegenstand von seriösen Verhandlungen sein. Insofern bin ich da sehr reserviert, was da passieren wird.
    Man muss natürlich auch sehen, dass Herr Trump auch unter Druck steht in den Vereinigten Staaten. Er spielt zwar noch nach außen den harten Max, hat aber zunehmend weniger Support in der Industrie. Insofern muss er sich auch ein Stück weit bewegen und vielleicht ist das jetzt erst mal eine Möglichkeit, bis zu den Midterm Elections im November Raum zu gewinnen, weil das ist ja sein eigenes Interesse, die Politik in den USA zu beeinflussen.
    Barenberg: Wenn wir noch mal auf Jean-Claude Juncker schauen und den Erfolg, den er sich jetzt ans Revers heftet, würden Sie im Gegensatz dazu sagen, er ist Donald Trump, er ist den Vereinigten Staaten viel zu weit entgegengekommen?
    Lange: Das war kein Erfolg, was Herr Juncker dort erreicht hat, und ist auch nicht in Übereinstimmung mit dem, was das Europäische Parlament immer formuliert hat. Insofern ja, das ist ein zu sehr einseitiges Zugeständnis gegenüber Herrn Trump.
    "Die Drohkulisse muss weg!"
    Barenberg: Welche selbstbewusste Haltung sollte die EU jetzt in den Verhandlungen dann wenigstens einnehmen, wenn es nach Ihnen geht?
    Lange: Nicht nur nach mir, sondern nach dem Europäischen Parlament. Die Drohkulisse muss weg, Abschottungszölle auf Stahl und Aluminium müssen weg und die Drohung bei den Autos muss weg. Dann kann man in der Tat über bilaterale Vereinbarungen reden.
    Zum zweiten vielleicht ein ganz kleines positives Element der Diskussion: Ja, wir müssen auch über die Reform der WTO gemeinsam reden. Da haben in der Tat bisher die Vereinigten Staaten nicht mitgespielt. Wenn sie jetzt da eines Besseren belehrt worden sind, dass wir gemeinsam über Reformschritte des multilateralen Systems nachdenken, dann ist das vielleicht ein Weg, der ein bisschen Positives dieses Ergebnisses unterstreichen könnte, weil das haben sie ja bisher auch verneint. Sie haben ja dieses multilaterale System unterlaufen, und das kann es in der Tat ja nicht sein. Wir brauchen nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Geltung des Rechts, und wenn das ein bisschen jetzt die Schiene ist, auf der die USA stehen, dann hat sich vielleicht das doch gelohnt.
    Barenberg: Und da hat Donald Trump, würden Sie sagen, auch recht? Die Regeln im Rahmen der WTO, die sind ein Stück weit unfair bisher, und da lohnt es sich, drüber nachzudenken, das fairer zu gestalten?
    Lange: Unfair würde ich nicht sagen, aber auch veraltet. Was die Gerichtsbarkeit anbetrifft müssen wir sicherlich eine Transparenz haben. Aber es gibt auch neue Themen, die wir behandeln müssen, zum Beispiel den Schutz geistigen Eigentums, oder E-Commerce, den elektronischen Handel. Da muss was passieren. Aber wie gesagt, das müssen wir gemeinsam mit den Partnern machen. Multilateralismus, das muss das Prinzip sein, und keine bilateralen Deals.
    "Die USA haben sämtliche internationalen Regeln gebrochen"
    Barenberg: Sind Sie denn überzeugt, dass auch diese Kehrtwende glaubhaft ist von Donald Trump? Denn bisher haben wir alles von ihm gehört, nur nicht, dass er sich für Multilateralismus ausspricht und für ein Regelwerk, wie es die WTO vereinbart hat.
    Lange: Nein. Ehrlich gesagt, diesen Worten traue ich auch nicht viel. Die USA haben ja in den letzten Wochen und Monaten sämtliche internationalen Regeln durchbrochen, sei es das Pariser Klimaabkommen, Menschengerichtshof und so weiter, und versuchen immer nur, bilaterale Deals auszumachen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine substanzielle Kehrtwendung ist. Und wie die Tweets, die Herr Trump hier in einer Woche absetzt, mitunter um 180 Grad entgegengesetzt sind, da werde ich jetzt auch nicht glauben, dass von einem Saulus ein Paulus gewachsen ist. Wir werden die Politik von ihm genau beobachten müssen und stärker mit den anderen Partnern weltweit, mit Kanada und Japan gemeinsam an dem regelbasierten System arbeiten.
    Barenberg: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Lange, ist Ihre Interpretation, Donald Trump bleibt dabei, er setzt nicht auf Ausgleich, sondern auf Unterwerfung, wir sollten uns besser mit anderen Partnern zusammensetzen - bei Japan hat das ja gerade geklappt - und Regeln verabreden, aber uns nicht verkämpfen in Washington?
    Lange: In der Tat. Wir dürfen da nicht die weiße Fahne hissen, sondern als Europäische Union selbstbewusst den multilateralen Weg gehen mit Partnern, die das genauso sehen. Da gehören Japan, Kanada, Australien und andere dazu. Mal schauen, wie sich die Situation intern in den USA weiterentwickelt. Auf Trump setze ich nicht.
    Barenberg: Der SPD-Politiker Bernd Lange, im Ausschuss für internationalen Handel des Europäischen Parlaments ist er der Vorsitzende. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Lange: Gerne, Herr Barenberg. Alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.