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Entscheidung der US-Notenbank Fed
Fahrenschon plädiert für Leitzinserhöhung

Erstmals seit neun Jahren könnte die US-Notenbank heute Abend entscheiden, den Leitzins wieder anzuheben. Angesichts der stabilen wirtschaftlichen Entwicklung der USA wäre es wünschenswert, dass die FED den ersten Schritt mache, sagte Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, im Deutschlandfunk. Danach könne Europa nachziehen.

Georg Fahrenschon im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands bei der Verleihung des Brandenburgischen Kunstpreises
    Georg Fahrenschon (Deutscher Sparkassen- und Giroverband) äußert sich zu FED-Leitzinserhöhung (dpa / picture alliance / Soeren Stache)
    Man dürfe eine Zinslandschaft nicht Knall auf Fall umstellen, sagte Georg Fahrenschon. Angesichts des starken Dollarraums sei jetzt aber ein günstiger Zeitpunkt für den Beginn einer Zinserhöhung in kleinen Schritten. Fahrenschon warnte, auf keinen Fall zu lange eine Politik des billigen Geldes zu betreiben. Die Rückkehr in eine normale Zinslandschaft sei wichtig. Entsprechende Rahmenbedingungen sieht der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands in den USA gegeben: Die Arbeitslosigkeit sinke und das Land sei wieder eine Lokomotive der Weltwirtschaft.
    Besonders das psychologische Signal für die Finanzmärkte sei entscheidend bei der Zinserhöhung, betonte Fahrenschon. Je länger man damit warte, umso mehr würden Zweifel wachsen, ob der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik jemals gelinge.
    Sollte die Fed heute eine Leitzinserhöhung verkünden, könnte die EZB entsprechend nachziehen. Europa würde davon durch wachsende Exporte profitieren, so Fahrenschon.
    Die Fed hatte die Zinsen Ende 2008 auf das Rekordtief von 0 bis 0,25 Prozent gesenkt, um die von der Finanzkrise gebeutelte Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Die US-Notenbank, die Federal Reserve, entscheidet heute über den Leitzins in den USA. Viele Beobachter verbuchen diese Sitzung heute in New York bereits als möglicherweise historisch, denn die Fed könnte eine Erhöhung der Zinsen beschließen und das wäre der erste Schritt dieser Art seit neun Jahren. Fast ein Jahrzehnt der Niedrigzins-Politik wäre dann beendet. Das hätte natürlich Auswirkungen weltweit, auch bei uns in Deutschland, auch beim ganz normalen Girokonto-Inhaber. - Am Telefon jetzt Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Schönen guten Morgen, Herr Fahrenschon.
    Georg Fahrenschon: Grüß Gott und guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Fahrenschon, wenn Sie sich was wünschen könnten, würden Sie das heute machen mit der Leitzinserhöhung bei der Fed?
    Fahrenschon: Ja gut, das ist ja keine Frage von persönlichen Wünschen, sondern am Ende entscheidet natürlich die wirtschaftliche Situation vor allen Dingen in den Vereinigten Staaten, im Kernland des Dollar-Raums, und es bleibt natürlich immer eine ganz schwierige Verantwortung für die Entscheidungsträger in einer Notenbank, wann der Zeitpunkt gekommen ist, der Politik des billigen Geldes langsam, aber sicher das Ende anzusagen und wieder den Weg zurückzufinden in normale Zinslandschaften. Für die wirtschaftliche Situation der Vereinigten Staaten würde ich sagen - die Arbeitslosigkeit wird in großen Schritten abgebaut, das Wachstum ist wirklich stabil und die Vereinigten Staaten sind momentan wieder so was wie die Lokomotive der Weltwirtschaft - ist der Punkt jetzt erreicht.
    "Die Risiken steigen"
    Armbrüster: Das heißt, Sie würden dafür plädieren. Was würde es denn heißen, wenn sich die Fed heute dagegen entscheidet und die Zinsen erst mal noch weiter niedrig lässt?
    Fahrenschon: Ich würde dafür plädieren, weil an dieser Stelle ja auch wichtig ist, dass man nicht mit einem Big Bang von quasi heute null Zins auf morgen vier Prozent Zins gehen darf, sondern das muss man ja in kleinen Schritten machen, damit sich auch alle darauf vorbereiten können. Direkt materiell ist es gar nicht eine Frage, ob diese Entscheidung jetzt heute oder im Herbst oder noch bis Ende des Jahres gefällt wird. Die fundamentale direkte Wirkung für die US-Realwirtschaft, also für das, für was die Notenbank ja die Verantwortung trägt, die ist eigentlich eher zweitrangig. Psychologisch vor allen Dingen Richtung den Finanzmärkten, glaube ich, macht es schon einen Unterschied, ob man jetzt einsteigt in eine schrittweise Zinserhöhung, oder ob man abermals verschiebt. Weil man muss sich klar sein: Die Zweifel werden wieder wachsen, ob wir überhaupt jemals den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes schaffen. Und die Risiken steigen! Das ist ja für mich das große Problem. Ich will einfach nur mal daran erinnern: Nach den Anschlägen auf das World Trade Center Anfang des Jahrtausends hat man auch zu lange gewartet und aus diesem Überangebot von billigem Zentralbankgeld ist dann die Finanzmarktkrise, die Subprime-Krise erwachsen. Das darf uns auf keinen Fall ein zweites Mal passieren.
    Armbrüster: Ist das denn nicht möglicherweise schon passiert?
    Fahrenschon: Ja gut, da gehen die Meinungen nun auseinander. Ich glaube, jetzt kommt es darauf an, dass die Notenbanker in den Vereinigten Staaten auch wirklich weiter ihren Kurs, wie man ja aus unterschiedlichen Äußerungen auch lesen kann, fortsetzen und dann auch umsetzen und vor allen Dingen keine großen Schritte machen, denn das würde tatsächlich zu auch durchaus Erschütterungen und Spannungen führen, sondern jetzt mit einem kleinen Schritt anfangen. Dann ist klar, hier wird die Umkehr quasi praktiziert. Lieber in Trippelschritten und deshalb frühzeitig anfangen.
    "Zeit der expansiven Geldpolitik" auch in Europa langsam beenden
    Armbrüster: Wenn sich die Fed nun tatsächlich dazu entschließt, ob nun heute oder in einem Monat oder in zwei Monaten, den Leitzins tatsächlich zu erhöhen, müsste dann nicht automatisch die Europäische Zentralbank, die EZB nachziehen?
    Fahrenschon: Ja gut, einen direkten Wechselzusammenhang gibt es nicht. Wir haben natürlich ein Zusammenspiel der Währungen. Eine Zinserhöhung in den USA stärkt tendenziell den Dollar, sie schwächt den Euro. Das ist ein positives Signal auch für das eine oder andere Land in Europa, weil natürlich die Exporte aus Europa heraus einen Anschub erhalten, und das gibt auf jeden Fall aus unserer Sicht auch Raum für die EZB, es der Fed nachzutun, denn auch für Europa gilt natürlich, billiges Geld kann manchmal helfen, aber es ist nicht der Normalzustand und man darf sich auf keinen Fall daran gewöhnen, weil die Überschuldung wird damit ja nicht abgebaut, sondern ihr wird eigentlich Vorschub geleistet.
    Armbrüster: Aber ist die Europäische Zentralbank da nicht in einem Dilemma, weil Mario Draghi ja gleichzeitig massiv Geld in die Märkte pumpt im Zuge der Euro-Schuldenkrise?
    Fahrenschon: Ich sehe das Dilemma nicht. Natürlich hat die Europäische Zentralbank quasi zwei zentrale Aufgaben. Sie muss sich über die Stabilität der Finanzmärkte im Klaren sein. Da hat ein billiges Geld vor allen Dingen in den Krisenländern auch durchaus einen Beitrag geleistet. Man hat sich auch Zeit gekauft, um Strukturmaßnahmen in den Ländern in allen Bereichen, Stichwort für Deutschland vorbildhaft, das was wir weit vor der Krise gemacht haben, Agenda 2010, zu kaufen. Jetzt kommt aber einfach der Punkt, wo die andere zentrale Aufgabe der Notenbank stärker in den Vordergrund tritt, und das ist am Ende auch die Vorsorge und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Mit einer weiteren stabiler Entwicklung aller Räume in Europa ist der Zeitpunkt gekommen, die Zinslandschaft wieder umzudrehen, und da spielt eine ganz, ganz große Rolle, dass man das eben nicht Knall auf Fall machen darf, sondern dass man das mit einzelnen Schritten vorbereiten muss. Insoweit gefällt es mir eigentlich ganz gut, wenn jetzt quasi im starken Dollar-Raum die Fed den ersten Schritt machen würde und wenn man danach auch in Europa daran denkt, dass die Zeit der expansiven Geldpolitik ihrem Ende zugeht.
    "Es gilt, früh anzufangen"
    Armbrüster: Herr Fahrenschon, wenn ich das vielleicht mal so auf den Punkt bringen könnte. Können wir Sie mit diesem Satz zitieren, dass Sie dafür plädieren, dass die EZB die Zinsen auch erhöht?
    Fahrenschon: Ich glaube, es steht immer im Mittelpunkt, dass die wirtschaftliche Lage sich deutlich verbessert hat. In so einer Situation muss man sich auch der zweiten Aufgabe wieder widmen, und Sondersituationen, ein Krisenmodus, der ist immer auch dadurch gekennzeichnet, dass es ein Ende gibt. Und bei der Zinslandschaft ist vordringlich darauf zu achten, dass man frühzeitig anfängt und in kleinen Schritten vorgeht, denn sonst gibt es durchaus negative Erschütterungen und die wollen wir möglichst verhindern. Deshalb gilt es, frühzeitig anzufangen.
    Armbrüster: Eine wichtige Entscheidung also, die da heute in New York getroffen wird, die möglicherweise auch Auswirkungen haben wird bei uns in Deutschland und in Europa. Die Fed entscheidet nämlich über eine mögliche Erhöhung des Leitzinses. Wir haben darüber gesprochen mit Georg Fahrenschon, dem Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Vielen Dank, Herr Fahrenschon, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Fahrenschon: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.