Michael Böddeker: Körperliche Arbeit kann bei starkem Übergewicht schwierig werden. So hatte auch ein Garten- und Kanalbaubetrieb argumentiert, der einem seiner Mitarbeiter kündigen wollte, denn, so der Betrieb, der Beschäftigte könne seine Arbeit nicht mehr vertragsgemäß leisten. Denn der wog früher immerhin einmal rund 200 Kilo. Gestern landete der Fall vor dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf. Es ging noch mal glimpflich aus für den Angestellten. Er und sein Unternehmen haben einen Vergleich vereinbart, und der lautet: Der Arbeiter muss sich bemühen, abzunehmen, und er muss die Firma regelmäßig über sein Gewicht informieren.
Über die Frage, wann das Körpergewicht im Berufsleben eine Rolle spielen kann, habe ich mit Guido Weiler gesprochen. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Hochschuldozent mit Sitz in Hennef bei Bonn.
Denkbar, dass ein hohes Körpergewicht ein Kündigungsgrund ist
Guido Weiler: Grundsätzlich ist es denkbar, dass ein hohes Körpergewicht ein Kündigungsgrund ist, unter der Maßgabe, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kann ich betriebsbedingt, verhaltensbedingt oder personenbedingt kündigen.
Ein Grund in der Person nehmen wir immer dann an, bei Krankheitsfällen, und das Übergewicht, die Adipositas, wird als Krankheit eingeschätzt. In der ersten Stufe wird geprüft, ob eine negative Gesundheitsprognose vorhanden ist.
Gerade diese negative Gesundheitsprognose hat in dem verhandelten Fall die Klägerseite dadurch zu entkräften versucht, dass der Mann ja auch schon im Verfahren etwas abgenommen hat. In der zweiten Stufe macht man sich dann Gedanken, ob eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Belange des Arbeitgebers zu erwarten ist oder jetzt ansteht.
Und dann steht immer die Frage im Raum, ob die Adipositas eine Behinderung ist, denn dann müsste man dem Arbeitgeber grundsätzlich erst mal ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement nahelegen, das heißt also, dass er gemeinsam mit dem Betroffenen versucht, eine Lösung zu finden. Und das haben die Parteien ja quasi ein bisschen schon vorweggenommen, indem sie sich darauf geeinigt haben, der Arbeitnehmer bemüht sich hier, sein Gewicht in den Griff zu kriegen, damit er die geschuldete Tätigkeit machen kann, und meldet das dem Arbeitgeber, und dann beobachtet man den Fortschritt.
"Es kommt maßgeblich auf den Beruf an"
Böddeker: In diesem Fall ging es um einen Beruf, bei dem auch körperliche Arbeit eine große Rolle spielt. Ist das ein Unterschied, ob es um einen Beruf geht, in dem man nur am Schreibtisch sitzt, oder ein Beruf, bei dem man fit sein muss, wie bei der Polizei zum Beispiel?
Weiler: Es kommt maßgeblich auf den Beruf an. Das heißt, jemand, der am Schreibtisch sitzt, wird nicht wie ein Polizeibeamter Verbrechern hinterherrennen müssen oder wie ein Bahnmitarbeiter, wenn der Zug kommt, aus den Gleisen klettern müssen. Indes ist gerade bei Beamten, Leute, die also auf Lebenszeit beim Arbeitgeber sein sollen, natürlich immer zu berücksichtigen, ob und inwieweit eine Prognose besteht, dass sie möglichst störungsfrei bis zur Pensionierung dem Arbeitgeber auch zur Verfügung stehen. Denn die Beamten erwerben ja Pensionsansprüche aufgrund ihrer Arbeit, die sie leisten.
Böddeker: Und gerade bei Beamten hört man ja auch immer wieder von Fällen, in denen zum Beispiel angehende Lehrer ganz dringend abnehmen müssen, weil eben bald ein Besuch beim Amtsarzt ansteht. Und dann hängt es womöglich vom Gewicht ab, ob man denn verbeamtet wird oder nicht. Wie sieht da die Regelung aus?
Weiler: Zunächst einmal gibt es eine Entscheidung aus 2014 des Europäischen Gerichtshofs, in dem sich der EUGH sich Gedanken gemacht hat, ob eine Adipositas überhaupt eine Behinderung ist. Wenn das im Einzelfall als Behinderung einzustufen wäre, dann gelten etwas andere Voraussetzungen, dann muss man nämlich auch über eine sogenannte Diskriminierung nachdenken nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Ansonsten hat das Bundesverwaltungsgericht sich in 2013 mal mit einem ähnlichen Fall beschäftigt.
Dort war eine Lehrerin eingestellt worden, und die hatte ein erhebliches Übergewicht, einen BMI von 37,5, und dort hat auch das Bundesarbeitsgericht gesagt, man müsse bei der Einstellung eben berücksichtigen, dass hier mit Herz-Kreislauf-, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats oder sogar Krebserkrankungen zu rechnen sei, dementsprechend das also durchaus zulässig sei, bei der Einstellung das als Anforderung zu stellen.
Böddeker: Das heißt, es gibt Einzelurteile, aber gibt es auch eine grundsätzliche Regelung dazu, oder ist das dann auch je nach Bundesland vielleicht noch mal unterschiedlich?
"Für Polizeibeamten gibt es Anforderungen beispielsweise auch beim BMI"
Weiler: Es kommt darauf an, ob es Landesbehörden sind – Schuldienst, Polizeidienst ist ja Landesrecht, und dort gibt es auch einen Katalog, also gerade bei Polizeibeamten gibt es verschiedene Anforderungen beispielsweise, die auch zum Teil sich beim BMI, also beim Body Mass Index sich unterscheiden.
Böddeker: Das heißt, da muss man sich dann noch mal erkundigen, wie das genau vor Ort geregelt ist.
Weiler: Genau. Das ist ohnehin zu empfehlen, denn spätestens im Vorstellungsgespräch kommt es ja sozusagen raus.
Böddeker: Ja, dann kann man es zumindest sehen. Aber darf das in diesem Fall eine Rolle spielen, wenn man sieht, derjenige ist übergewichtig, darf das dann auch in einem Bewerbungsgespräch eine Rolle spielen, ob jemand eingestellt wird oder nicht?
Weiler: Grundsätzlich darf es eine Rolle spielen, weil es ein Einstellungskriterium ist, ein zulässiges Einstellungskriterium bei der Verbeamtung. Wie gesagt, die Leute müssen bis an ihr Lebensende alimentiert werden durch den Staat, das ist ja der Deal bei Beamten.
Und ansonsten wird es nur dann kritisch, wenn im Einzelfall das als Behinderung anzusehen ist, also der Arbeitgeber und auch der Dienstherr im Beamtenrecht, wenn der sagt, ich nehme dich nicht, weil du zu dick bist, und derjenige, der dick ist, kann belegen, dass das eine Behinderung ist, dann könnte es kritisch werden im Hinblick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Böddeker: Und an wen müsste man sich dann wenden in so einem Fall, wenn man so eine Diskriminierung geltend machen möchte?
Weiler: Dann müsste man innerhalb der Fristen, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz setzt, seine Ablehnung eben angreifen oder zunächst einmal erfragen, warum ist man abgelehnt worden, und muss dann gegebenenfalls von dem Arbeitgeber Schadensersatz verlangen wegen der Diskriminierung. Das kann bis zu drei Monatsentgelte umfassen.
Böddeker: So weit Guido Weiler, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit ihm habe ich darüber gesprochen, wann Übergewicht ein Kündigungsgrund sein kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.