Eine Klage Hamburgs gegen die Familienleistung war damit erfolgreich. Das Gericht erklärte die bundesgesetzlichen Regelungen, die einen Anspruch auf Betreuungsgeld begründen, für nichtig. Der bloße Wille zur bundesweiten Regelung könne niemals eine Forderung zur bundesgesetzlichen Regelung begründen, so der Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhoff.
In dem Gesetz war vorgesehen, dass Eltern 150 Euro monatlich bekommen, wenn sie ihr Kind zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat zu Hause erziehen, statt es in einer öffentlich geförderten Kita betreuen zu lassen. Laut dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei eine bundesweite Regelung zwar möglich, allerdings nur, wenn damit gleichwertige Lebensbedingungen geschaffen würden. Das Betreuungsgeld sei dazu nicht erforderlich, auch nicht als Alternative zur Kinderbetreuung durch Dritte.
Verzicht auf Kitas sei freiwillig
"Das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung steht allen Eltern offen. Nehmen Eltern es nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig, ohne dass dies eine verfassungsrechtliche Kompensationspflicht auslöst", heißt es in dem vom Ersten Senat des Verfassungsgerichts gefällten Urteil. Das Betreuungsgeld sei zudem auch kein unverzichtbarer Baustein in einer bundespolitischen Gesamtkonzeption zur Familien- und Kinderförderung sei. Die Frage, ob das Betreuungsgeld mit den Grundrechten vereinbar sei, bedürfe laut Gericht keiner Antwort, weil die Bestimmungen wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz nichtig sind. Die Abstimmung im Senat sei einstimmig ergangen. Das Betreuungsgeld war vor allem auf Drängen der CSU im Jahr 2013 eingeführt worden. Die SPD lehnte es zunächst ab, trug es in der großen Koalition aber mit.
Mit dem Urteil haben Eltern ab sofort keinen Anspruch mehr auf die Prämie. Die bisherigen Bezieher des Betreuungsgeldes können nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber auf eine Weiterzahlung hoffen. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte in Berlin an, sie werde nach einer Lösung suchen, "damit Familien, die das Betreuungsgeld bereits beziehen, es bis zum Ende bekommen". Über die weitere Umsetzung werde sie mit den Regierungsfraktionen am Mitte August beraten.
Hamburg feiert, CSU sucht Auswege
Der Kläger Hamburg hat die Entscheidung für das Aus des Betreuungsgelds begrüßt: Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) forderte den Bund auf, das nun freiwerdende Geld für die Verbesserung der Qualität in den Kitas zur Verfügung zu stellen. Justizsenator Till Steffen (Grüne) sagte nach der Urteilsverkündung, es könne nicht sein, dass ein solches Gesetz ohne Rücksicht auf die bundesstaatliche Kompetenzordnung nur deshalb beschlossen werde, weil einer der Koalitionspartner es so wolle. Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken sei die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren wiederholt hingewiesen worden. "Wer so unbelehrbar ist, muss sich über die Konsequenzen nicht wundern", sagte er in Anspielung auf die CSU.
Die will offenbar trotz des Gerichtsentscheids am Betreuungsgeld festhalten. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte in Berlin: "Um Eltern Wahlfreiheit zu ermöglichen, sollten wir gemeinsam in der Koalition nach Lösungen suchen, wie das Betreuungsgeld weiterhin gezahlt werden kann." Für die Landesebene kündigte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an, der Freistaat werde "in jedem Fall ein Bayerisches Betreuungsgeld" auf den Weg bringen. Die konkrete Ausgestaltung der Leistung werde umgehend vorbereitet. "Die Wahlfreiheit der Eltern ist Markenkern bayerischer Familienpolitik." Mehr als 73 Prozent der bayerischen Eltern mit ein- und zweijährigen Kindern nähmen bisher das Betreuungsgeld an.
Im laufenden Bundeshaushalt 2015 sind für das Betreuungsgeld 900 Million Euro veranschlagt. Nicht genutzte Gelder würden in den Haushalt zurückfließen. Im Etatentwurf für 2016 und die Jahre bis 2019 ist jeweils eine Milliarde Euro als Kosten für das Betreuungsgeld veranschlagt.
(vic/dk)