Seine Anhänger nennen ihn weiterhin "Präsident", obwohl die spanische Zentralregierung ihn abgesetzt hat: Carles Puigdemont. Er ist der Spitzenkandidat des Wahlbündnisses "Junts per Catalunya", "Zusammen für Katalonien". Doch klassischen Wahlkampf konnte Puigdemont nicht machen: Seit Wochen hält er sich in Brüssel auf - in Spanien liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor. Deshalb wird Puigdemont an diesem Abend per Videokonferenz in hunderte katalanische Orte auf Großbildleinwände geschaltet - wie hier im Zentrum von Barcelona.
"Ich gebe euch mein Versprechen: Wenn ich die Wahl gewinne und wieder in den Regierungspalast einziehe, ist der Verfassungsartikel 155 Geschichte."
Mit diesem Artikel hat die spanische Zentralregierung die katalanische Regionalregierung Ende Oktober entmachtet, nachdem diese eine Unabhängigkeitserklärung ins Parlament eingebracht hatte. Seitdem regiert Madrid in Barcelona - und das passt den Unabhängigkeitsbefürwortern überhaupt nicht. Puigdemont kündigt an, weiter für die Abspaltung seiner Region von Spanien zu kämpfen - verrät aber nicht, wie er das genau anstellen will.
"Wählt dieses Wahlbündnis am 21. Dezember. Dann wird es ab dem 22. arbeiten wie bisher. Zusammen gewinnen wir!" sagt Jordi Sanchez, der Kopf der Aktivistengruppe "Assemblea Nacional Catalana" und Puigdemonts Vize auf der Wahlliste von "Junts per Catalunya. Sanchez ist an diesem Abend per Telefon auf die Kundgebungen zugeschaltet - denn er sitzt in Untersuchungshaft. Er soll zu Massendemonstrationen aufgerufen haben, die Justiz wirft ihm "aufrührerisches Verhalten" vor.
Wahlkampfabschluss vor dem Gefängnis
Ebenfalls in U-Haft befindet sich der Spitzenkandidat der in Umfragen stärksten Unabhängigkeitspartei, der linken ERC, Oriol Junqueras. Er soll als stellvertretender Regierungschef Kataloniens den Unabhängigkeitsprozess aktiv vorangetrieben haben. Seine Partei hält den Wahlkampfabschluss deshalb vor dem Gefängnis nahe Madrid ab.
"Wir wollen keine Justiz, die Urteile verkündet, nur weil sie eine Person so gerne haben möchte", sagt Marta Rovira, Generalsekretärin der ERC. Sie wirft dem zuständigen Gericht vor, im Fall des Spitzenkandidaten nicht neutral entschieden zu haben - sondern auf politischen Wunsch hin.
Die in Umfragen stärkte Partei, die gegen die Unabhängigkeit Katalonien eintritt, ist die liberale Kraft Ciudadanos. Sie feiert ihre zentrale Abschlusskundgebung in Barcelona, wo hunderte Unterstützer die 36-jährige Spitzenkandidatin Inés Arrimadas anfeuern. Sie fordern ein sofortiges Ende des Unabhängigkeitsprojekts.
"Dieser Prozess kann noch deutlich mehr Schaden anrichten als bisher schon: Wenn weitere Firmen Katalonien verlassen und die Zahl der Touristen noch stärker zurückgeht."
Tatsächlich haben schon mehr als 3.000 Unternehmen ihren Steuersitz in andere spanische Regionen verletzt - aus Sorge vor den unkalkulierbaren Konsequenzen einer Unabhängigkeit.
Wer die Wahl gewinnt, ist alles andere als sicher: In Umfragen liefern sich die Unabhängigkeitsparteien und die spanientreuen Kräfte ein Kopf-an-Kopf-Rennen.