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Entscheidung in Sachen Ruby

Es ist heiß in Mailand. Heiß und staubig. Wer kann, hält sich in klimatisierten Räumen auf, schließt die Fensterläden, lässt die Rollos herunter. Auch in den Räumen des Mailänder Justizpalastes brennen die Neonröhren während das Sonnenlicht ausgesperrt wird. In einem dieser Räume wird heute das Urteil im Ruby-Prozess gefällt.

Von Kirstin Hausen | 24.06.2013
    Das Medieninteresse an dem Prozess und seinem Ausgang ist groß. Vor allem international. Beobachter gehen von einem Schuldspruch für Berlusconi aus. Das kratzt zwar arg an seinem Prestige, aber andererseits ist der Ruf des früheren Regierungschefs gerade im Ausland sowieso schon ruiniert. Und praktische Konsequenzen hätte eine Verurteilung nicht sofort. Denn es ist die erste Instanz und Berlusconis Anwälte würden sicher Berufung einlegen. Piero Longo hat den Prozess bereits als verloren abgehakt.

    "Berlusconi in Mailand zu verteidigen, ist eine sehr schwierige Sache. Und deshalb ist der Ausgang eines Prozesses hier immer wieder äußerst überraschend."

    Die Mailänder Richter, allen voran die Staatsanwältin Ilda Boccassini, hätten, so die These der Verteidigung, Berlusconi aus politischen Gründen gerne im Gefängnis. Doch alle Bemühungen, Prozesse gegen ihren Mandanten aus Mailand in andere Städte zu verlegen, sind vom unabhängigen Richterrat abgeschmettert worden. So auch im Falle Ruby. Die Marokkanerin, inzwischen verheiratet mit einem fast 50-jährigen Unternehmer und Mutter eines kleinen Mädchens, hat abgestritten, mit Silvio Berlusconi Sex gehabt zu haben und unterstützt die Version, die Berlusconi selbst im Gericht zu Protokoll gegeben hat.

    "Mein Kontakt zu Karima El Mahroug, Spitzname Ruby, steht im Zusammenhang mit den Abenden, die bei mir zu Hause in Arcore stattgefunden haben und zu denen sie eingeladen war. Während dieser Abende habe ich gewöhnlich über Politik und Sport geredet, habe Witze erzählt und Lieder aus meinem Repertoire gesungen. Es kam vor, dass meine Gäste Sketche vorgeführt haben, die weder vulgär noch skandalös waren. Ich kann absolut ausschließen, dass es zu sexuellen Szenen gekommen ist."

    Der zweite Anklagepunkt betrifft nicht die Abende in Arcore, die als Bunga Bunga-Parties weltweit für Empörung, aber auch Erheiterung sorgten, sondern einen Abend auf dem Mailänder Polizeipräsidium. Und wieder geht es um Ruby. Sie war nach einem angeblichen Diebstahl festgenommen worden und hätte als Minderjährige laut Gesetz in die Obhut einer sozialen Einrichtung übergeben werden müssen. Stattdessen wird sie nach einem Anruf von Silvio Berlusconi wieder auf freien Fuß gesetzt. Staatsanwältin Ilda Boccassini wirft Berlusconi vor, sein Amt als Ministerpräsident missbraucht und Druck auf die Polizeikräfte ausgeübt zu haben. Berlusconi rechtfertigt sein Handeln so:

    "Ich war überzeugt von Rubys Verwandtschaft mit dem damaligen ägyptischen Präsidenten, sie hatte mir das in einem sehr entschiedenen Ton gesagt. Deshalb habe ich, als ich von ihrer Festnahme erfuhr, einen diplomatischen Unfall mit Mubarak befürchtet."

    Doch der Prozess, den Berlusconi am meisten fürchtet, läuft noch. Es geht um Steuerbetrug und Berlusconi ist bereits in zweiter Instanz zu vier Jahren Haft und fünf Jahren Amtsverbot verurteilt worden. Die dritte und letzte Instanz prüft nur noch auf Verfahrensfehler und sollten keine vorliegen, wird dieses Urteil rechtskräftig. Dann müsste Berlusconi sein derzeitiges Amt als Senator niederlegen, was für seine Partei schwerer wiegt als die Haftstrafe. Denn die würde er aufgrund seines Alters sowieso nicht absitzen müssen. Einige der von Berlusconi ins Parlament gehievten Parteikollegen sind so empört, dass sie drohen, im Falle einer definitiven Verurteilung ihres Chefs, der Regierungskoalition die Zustimmung zu entziehen. Doch dazu werde es nicht kommen, meint Roberto Speranza von der Demokratischen Partei.

    "Die Probleme einer einzelnen Person werden nicht über die Regierung entscheiden. Und Gerichtsurteile sollen nicht kommentiert, sondern akzeptiert werden."

    Ob das auch für den Prozess Ruby gilt, wird sich heute zeigen.