Man habe den Konflikt um den Rundfunkbeitrag gelöst, schreibt auf Twitter die Staatskanzlei in Magdeburg. Reiner Haselhoff (CDU) habe den Entwurf eines Gesetzes zum 1. Medienrechtsänderungsstaatsvertrags zurückgenommen. "Damit geht die Koalition gefestigt aus der Krise hervor und wird ihre Arbeit weiter fortsetzen", heißt es weiter.
"Heute ist ein guter Tag für Sachsen-Anhalt", freut sich CDU-Generalsekretär Sven Schulze, der auch Europaabgeordneter ist. Man habe eine Lösung gefunden, die vorausgesetzt hat, "dass wir alle gemeinsam einen Schritt aufeinander zugegangen sind", sagt Schulze – und adressiert Grüne und SPD.
Die Partner kritisieren, bleiben aber in der Koalition
Und wie sehen es die Koalitionspartner selbst? Die Grünen betonen zwar, es handle sich um die "alleinige Entscheidung" des Ministerpräsidenten und "unter normalen Umständen wäre dies der Moment, eine solche Koalition zu verlassen". Doch, so heißt es in einer Stellungnahme, angesichts der Pandemielage im Bundesland und einer "handlungsunfähigen CDU" halte man aus "staatspolitischer Verantwortung" an der Regierung fest.
Auf den Social-Media-Konten der SPD, dem zweiten Regierungspartner im Land, finden sich als erste Reaktion die Tweets ihrer beiden Bundesvorsitzenden weiter. In dem von Norbert Walter-Borjans heißt es, dass 15 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten anders entschieden hätten, der in Sachsen-Anhalt aber an der Fraktion des Ministerpräsidenten scheitere, "weil sie mit der AfD droht".
Haseloff selbst übernimmt Verantwortung
Von den Spitzen der Unionsparteien gibt es zu diesem Zeitpunkt noch keine Wortmeldung. Im Twitter-Profil von Generalsekretär Paul Ziemiak erinnert der angeheftete Tweet - also der, der immer ganz oben zu sehen ist - an die schwierige Situation für seine Partei in der Auseinandersetzung. Dort schrieb Ziemiak vor fast genau einem Jahr: "Die Zusammenarbeit mit der AfD wäre Verrat an christdemokratischen Werten."
Denn genau das hatten in den vergangenen Wochen viele der CDU vorgeworfen: in Sachsen-Anhalt indirekt mit der AfD zusammenzuarbeiten, die einen höheren Rundfunkbeitrag ebenfalls ablehnt.
Zu einer gemeinsamen Abstimmung im Landtag von CDU und AfD wird es nun nicht kommen. Mit der Entscheidung, seine eigene Unterschrift unter dem Staatsvertrag vom Juni wieder zurückzunehmen, übernimmt Haseloff selbst die Verantwortung für die Ablehnung seines Bundeslands.
Sender müssen wohl nun klagen
Damit der Medienrechtsänderungsstaatsvertrag mit der Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro ab Januar in Kraft treten kann, müssen alle Landtage bis Jahresende zustimmen. Fehlt - so wie nun - nur ein Landesparlament, ist die bundesweit vorgesehene Beitragserhöhung hinfällig.
Hubertus Gersdorf, Staats- und Verwaltungsrechtler an der Uni Leipzig, hält die Entscheidung aus Sachsen-Anhalt für "in hohem Maße problematisch". Es dürfe über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert werden, doch dürfe diese Debatte nicht mit der Frage des Rundfunkbeitrags verbunden werden, sagte Gersdorf im Deutschlandfunk. Das habe das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit so entschieden.
Nicht nur ARD, ZDF und Deutschlandradio, sondern auch andere Bundesländer könnten nun rechtlich gegen Sachsen-Anhalt vorgehen. Denn das Recht sehe eine Finanzierungsgarantie der Länder gegenüber dem Rundfunk vor, unterstreicht der Jurist: "Wenn ein Bundesland ausschert aus dieser Solidarität, kommen die anderen Bundesländer in die Bredouille." Sachsen-Anhalt verletze mit seiner Entscheidung das föderale Prinzip gegenüber den anderen Bundesländern. Die Erfolgsaussichten möglicher Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht schätzt Gersdorf sowohl für die Sender als auch die Länder als groß ein.
Einige Sender haben bereits angekündigt, vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen, darunter der Saarländische Rundfunk. Ohne neuen Staatsvertrag sei die Anstalt "existenziell bedroht", heißt es aus Saarbrücken.
Der sachsen-anhaltinische Medienpolitiker Rainer Robra, Leiter der Staatskanzlei in Magdeburg, hatte vergangene Woche im Deutschlandfunk ein grundsätzlich neues Verfahren gefordert, um künftig die Frage des Rundfunkbeitrags zu klären.
Kritik der Gewerkschaften
"Das ist ein politischer Offenbarungseid auf dem Rücken Tausender Journalistinnen und Journalisten in den Sendern", kommentierte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands Frank Überall die Entscheidung von Reiner Haseloff.
Der Ministerpräsident "beschädigt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus parteitaktischen Gründen und für den eigenen Machterhalt", kritisierte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke.