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Entscheidung zu Olympischen Spielen
Athleten wollen mehr Mitspracherecht

Das Internationale Olympische Komitee hat ein Playbook herausgegeben, in dem steht, wie sich die Athleten bei den Spielen unter Pandemie-Bedingungen verhalten sollen. Viele Athletinnen und Athleten haben Fragen und Sorgen und fordern mehr Mitspracherecht. Das IOC blockt die Kritik ab.

Von Jessica Sturmberg |
210203 -- TOKYO, Feb. 3, 2021 -- Photo taken on Feb. 3, 2021 shows the first version Playbook publised by the Tokyo Organising Committee of the Olympic and Paralympic Games Tokyo 2020, the International Olympic Committee IOC and the International Paralympic Committee IPC in Tokyo, Japan. Tokyo 2020, IOC and IPC published the first version Playbook, a resource which outlines the personal responsibilities key stakeholders must take to play their role in ensuring safe and successful Olympic and Paralympic Games this summer, on Wednesday. The Playbook will be updated on several occasions ahead of the Games with details added for each subsequent edition. SPJAPAN-TOKYO-OLYMPIC-PLAYBOOKS-JOINT PRESSER DuxXiaoyi PUBLICATIONxNOTxINxCHN
Das "Playbook" des IOC zum Verhalten bei den Olympischen Spielen in Tokio. (IMAGO / Xinhua)
Die Entscheidung, sich nochmal ein weiteres Jahr ganz konzentriert auf die Olympischen Sommerspiele vorzubereiten, war für viele Athletinnen und Athleten im vergangenen Jahr keine leichte. Ein weiteres Jahr extreme Belastung, vielfach ohne das übliche Wettkampfgeschehen und unter Pandemiebedingungen, zehrt inzwischen bei vielen an den Nerven. Ruderer Richard Schmidt, der mit dem Deutschland-Achter bereits qualifiziert ist, beschreibt seine Gemütslage:
"Das ist auch hochemotional, da hänge ja nicht nur ich persönlich dran, da hängt meine Familie dran, da hängt noch die berufliche Entwicklung und Lockdown-Frust ist natürlich auch bei uns da. Dann ist natürlich jetzt das Wetter – wir trainieren ja in Dortmund – spielt jetzt auch nicht in unsere Karten, also wir haben jetzt minus zehn Grad, alles ist zugefroren, das heißt, wir sind nur noch drin und machen Indoor-Rudern – ist nicht schön im Moment."

Sorge der Teilnehmenden wächst

Sein Trainingslager im wärmeren Portugal wurde einen Tag vor Beginn abgesagt. Die Bedingungen sind alles andere als optimal. Weltweit gibt es Sorge, dass die Spiele am Ende doch abgesagt werden müssen. Sie wächst bei vielen und das ist Gift für die Motivation, sagt der ebenfalls qualifizierte Fechter und Präsident der unabhängigen Athletenvertretung Athleten Deutschland, Max Hartung:
"Die Situation ist auf der einen Seite ganz anders, weil wir jetzt alle ein Jahr lang gelernt haben mit diesem Virus umzugehen, mehr Wissen darüber, wie man sich schützt, wie man andere schützt. Es gibt Impfungen und trotz alldem fühlt sich die Situation irgendwie ganz ähnlich an wie noch vor einem Jahr."
Das Deckblatt des Playbook zeigt Grafiken mit Schiedsrichter-Figuren.
Ein „Playbook“ in der Pandemie
Noch ist nicht klar, ob die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden können. Trotzdem hat das IOC damit begonnen, erste Richtlinien herauszugeben, wie Spiele in einer Pandemie ablaufen könnten.
Das Playbook des IOC, quasi das Regel-Handbuch für die Teilnehmenden, beantwortet viele Fragen noch nicht. Auf den 33 Seiten stehen die allgemein gängigen Hygieneregeln und Handlungsanweisungen wie das verbindliche Herunterladen der japanischen Corona-Kontaktnachverfolgungs-App oder Testvorgaben.
Es ist nur der erste Aufschlag, laut IOC sollen in einer weiteren Aktualisierung im April detaillierte Informationen folgen, die endgültige Fassung im Juni stehen.

Unabhängige Athletenvertretungen unzufrieden

Trotzdem lässt es Vertreter von unabhängigen Athletenvertretungen bisher unzufrieden zurück. Sie würden gerne mit am Tisch sitzen, wenn es darum geht, ganz konkrete Fragen zu klären, wie den Umgang mit positiven Tests in einem Team. Wo müssen die Athleten dann die Quarantäne verbringen, haben sie eine Chance auf ein Einzelzimmer im Olympischen Dorf und wer trägt welche Kosten?
Jonathan Koch, Athletenvertreter im DOSB und auch Präsidiumsmitglied bei Athleten Deutschland, sagt dazu: "Das ist ja auch keine beneidenswerte Situation, die man da als Weltverband hat, um Entscheidungen zu treffen, aber es wäre einfach im Sinne auch der Werte, die das IOC vertritt, wenn man ein bisschen transparenter den Athleten, auch der Welt die Karten auf den Tisch legt."
Auch über mögliche Zwänge, unter denen das IOC steht, wenn beispielsweise abgewunken wird beim Vorschlag, die Wettkämpfe etwa auf vier Wochen auszudehnen, um so für eine Entzerrung und weniger Kontakte zu sorgen. "Da fühlt man sich so ein bisschen ferngehalten vom Tisch der Erwachsenen."
Zumindest werde jetzt mehr informiert als im vergangenen Jahr, es gab bereits einige Telefonkonferenzen mit Athletenvertretern, Jonathan Koch beschreibt wie diese abliefen: "Es wird erst was vorgestellt, das wirkt wie die Pressemitteilung, die später dann auch rauskommt und dann ist immer Zeit für Athletenvertreter, Fragen zu stellen, manchmal kommt man dran, manchmal kommt man nicht dran. Die Fragen werden dann immer so in Dreierblocks von den jeweiligen Experten mehr oder weniger zumindest beantwortet. Wenn es keine Antwort auf eine Frage gibt, dann bekommt man auf jeden Fall was zu hören, aber unter Umständen nicht das, was man eigentlich hören wollte."

Auch US-Athletinnen und -Athleten wollen Antworten

Nicht nur deutsche Athletinnen und Athleten haben gerade viele Fragen, auch international ist das Bedürfnis nach Antworten groß, Bree Schaaf ist Athletensprecherin des US-Teams: "Wir verstehen, dass Covid unvorhersehbar ist und wir nicht wissen, wie die Lage im Sommer sein wird, die Athleten trainieren weiter unter dieser Unsicherheit und hoffen, dass Olympia und auch die Paralympics stattfinden werden. Wir sehen uns bestärkt darin, mit diesem ersten Entwurf des Playbooks, und erwarten mehr zu hören, wie die Sicherheits- und Gesundheitsbedenken der Athleten aufgegriffen werden."
US-Leichtathlet Christian Taylor bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2017 in London.
US-Leichtathlet Christian Taylor bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2017 in London. (picture alliance / Anton Denisov / Sputnik / dpa)
Der zweifache US-Olympiasieger im Dreisprung, Christian Taylor, der auch Sprecher der globalen Vertretung von Leichtathleten "The Athletics Association" ist, geht noch deutlich weiter und fordert im DLF die Einbindung der Aktiven, sie seien es schließlich, die sehr konkret wüssten, welche Rahmenbedingungen sie brauchen: "Es ist wichtig, ein solch unabhängiges Gremium, die unabhängige Stimme am Tisch zu haben, die die Erfahrungen aus der täglichen Praxis einbringt, was die Athleten gerade zu bewältigen haben.
Yoshiro Mori
Japanischer Olympiachef Mori vor Rücktritt
Die Olympischen Spiele in Tokio diesen Sommer stehen vor einem neuen Rückschlag. Der Chef des Organisationskomitees, Mori, soll nach übereinstimmenden Medienberichten schon bald zurücktreten.
Das IOC antwortet auf die Kritik mit dem Hinweis, dass sehr wohl und sehr viele Athletenvertreter eingebunden seien, vor allem die IOC-Athletenkommission. Aber auch die jeweiligen nationalen Athletensprecher seien vor der Veröffentlichung des Playbook informiert worden. Im Laufe dieses Monats soll es noch eine weitere Videokonferenz mit Feedback-Möglichkeit geben, sagt IOC-Sprecher Christian Klaue:
"Die IOC-Athletenkommission ist in die Entwicklung der Schlüsselprinzipien für die Playbooks von Beginn an und während des gesamten Prozesses eingebunden gewesen und hat sie voll unterstützt. Die Athletinnen und Athleten werden darüber hinaus regelmäßig durch ihre NOKs informiert und können über diesen Weg ebenfalls Rückmeldung geben. Grundsätzlich bleibt anzumerken, dass es keine Entscheidung im IOC ohne Einbeziehung der Athleten gibt. Nicht zuletzt ist IOC-Präsident Thomas Bach Olympiasieger und ehemaliger Athlet."

"Es wird nicht in die Hand gebissen, die einen füttert"

Allerdings seien diese Gremien eben nicht unabhängig, betont Christian Taylor: "Diese Gremien sind unter dem Dach der Organisation, das heißt, wenn es um schwierige Fragen und schwierige Gespräche geht, wird gezögert, denn es wird nicht die Hand gebissen, die einen füttert."
Es bleiben also noch viele Fragen und Zweifel, ganz besonders eine Passage im Playbook dürfte noch für viel Diskussion sorgen - die Formulierung, dass trotz aller Vorkehrungen nicht alle Risiken ausgeschaltet werden könnten und die Athleten an den Spielen auf eigenes Risiko teilnehmen.
Was das beispielsweise im Fall einer Erkrankung oder eine Falschtestung bedeutet, ist eine der vielen Fragen, die Athleten beschäftigt.
Ebenso wie die derzeit fragile Lage, Ruderer Richard Schmidt bewegt das gerade sehr: "Man wird eben ungeduldiger, vielleicht auch ein bisschen nervöser. Man will jetzt einfach Klarheit haben und vor allen Dingen gesund bleiben und dass es irgendwie losgeht und das alles so stattfinden kann, dass es noch in Ordnung ist."
Eine seiner großen Sorgen wäre, dieses ganze zusätzliche harte Jahr durchgemacht zu haben, um dann vielleicht mit einem Positivtest in Japan noch aus dem Wettbewerb genommen zu werden und möglicherweise sogar schwer zu erkranken.