Jürgen Liminski: Einmal musste der bayrische Löwe das Brüllen aufhören, jetzt beißt er zu, oder zumindest kündigte er es an, denn München macht Ernst mit seinen Drohungen gegen den Länderfinanzausgleich. Es geht nicht um das Prinzip, man will weiter solidarisch bleiben, sondern um die Höhe des Ausgleichs. Für CSU-Chef Seehofer ist es eine notwendige Korrektur am Maß der Gerechtigkeit, kurz vor den Wahlen. Immerhin zahlt Bayern mit mehr als 3,7 Milliarden Euro mehr als die Hälfte in den Ausgleichsfonds und als besonders ärgerlich empfindet man es in der Staatskanzlei, dass ausgerechnet Berlin mit drei Milliarden jahraus, jahrein von den Wirtschaftsleistungen der Bayern, Hessen und Baden-Württemberger profitiert. Aber auch andere Länder halten die Hand auf, und zu ihnen gehört auch der Stadtstaat Bremen. Meine Kollegin Christine Heuer hat gestern Abend die Finanzsenatorin von Bremen, Karoline Linnert von den Grünen, dazu befragt, und die erste Frage beginnt mit einem Zitat aus einem Zeitungskommentar, nämlich: "Berlin, Bremen und Co. finanzieren mit den Überweisungen aus München Leistungen für ihre Bürger, die sich die sparsamen Bayern selbst verkneifen. Ungefähr so muss das Paradies aussehen, das sich Griechen und Italiener in Europa erträumen." So, Frau Linnert, kommentiert der "Münchener Merkur" die Klage Bayerns gegen den Länderfinanzausgleich. Ist Bremen, so die Frage, jetzt das Spanien Deutschlands?
Karoline Linnert: Also der Unterschied zwischen Spanien und Bremen ist, dass Bremen ein hohes Bruttoinlandsprodukt hat, ein Bundesland ist, was massiv zum deutschen Reichtum, vor allen Dingen durch die Funktion der Häfen, beiträgt. Im Unterschied zu Griechenland haben wir auch eine funktionierende Steuerverwaltung und wir nehmen auch Steuern ein, die wir im Wesentlichen natürlich zur Finanzierung der Solidargemeinschaft an den Bund abführen. Und wir haben auch nicht getrickst und sonst was gemacht.
Christine Heuer: Und doch, Frau Linnert, ist Bremen seit 1970 Nehmerland und die Bayern zahlen den Großteil des Bedarfs für den Länderfinanzausgleich.
Linnert: Ja, Bayern zahlt seit ein paar Jahren ungefähr die Hälfte. Daran kann man sehen, wie reich die sind. Aber auch andere Länder, nämlich Baden-Württemberg und Hessen, zahlen ja einen Anteil in den Länderfinanzausgleich, dessen Gesamtvolumen im Übrigen in den letzten Jahren ständig gesunken ist. Es ist eine sonderbare Fixierung ausschließlich auf den Länderfinanzausgleich, die Bund-Länder-Beziehungen sind viel, viel komplizierter, es sind im Moment sieben Milliarden Euro, die da umverteilt werden, das ist nur ein Bruchteil dessen, was sozusagen an Geld so hin und her geht. Schon allein das ist ein völlig verkürzter Ansatz, sich das nur alleine vorzuknöpfen.
Heuer: Aber wenn Sie Hessen und Baden-Württemberg erwähnen, die klagen jetzt zwar nicht in Karlsruhe, aber sehr glücklich sind die über den Zustand auch nicht.
Linnert: Na ja, das hat sich im reichen Süden irgendwie eingebürgert, ich kenne das auch schon ein paar Jahre länger, dass man immer, wenn man im Wahlkampf ist, oder eigene Probleme hat, oder Haushaltsprobleme, dass man sich dann die im Haushalt aus deren Sicht natürlich große Summe für den Länderfinanzausgleich anguckt und dann eben großes Geschimpfe ausbricht. Eines kann man ganz allgemein sagen: Sowohl was die europäischen Fragen, die ja von Ihnen mit dem Vergleich mit Spanien angesprochen wurden, als auch was die deutschen Fragen betrifft, Entsolidarisierung wird uns am Ende alle fressen.
Heuer: Nun sagen die Bayern aber, die Ansprüche der Nehmerländer seien einfach zu hoch, oder in den Worten des bayrischen Finanzministers Markus Söder, "Wir sind solidarisch, aber blöd sind wir nicht". Sind die Nehmerländer zu anspruchsvoll?
Linnert: Ich kann es nicht verstehen. Es gibt ein Gesetz, was den Länderfinanzausgleich mit Wirkung bis 2019 regelt. Diesem Gesetz haben alle zugestimmt, auch die Bayern, und da darf ich vielleicht noch mal Herrn Stoiber zitieren im Landtag am 26. Juni 2001. Da hat er gesagt, es war auch ein gutes Datum für Bayern und für ganz Deutschland, die Verhandlungen der Länder und des Bundes zum Länderfinanzausgleich zum Solidarpakt II in Berlin haben zu einem tragfähigen Ergebnis geführt, Bayern, aber auch alle Länder und der Bund können mit dem Ergebnis höchst zufrieden sein. Wir nehmen das wahr, was in dem Gesetz uns zusteht, und es ist ja so, dass der Grundgesetzgedanke, dass es in Deutschland im Wesentlichen gleiche Lebensbedingungen geben soll, nur erfüllt werden kann, wenn man auf welchem Weg auch immer – darüber kann man sicherlich neu reden, wenn der Finanzausgleich ausgelaufen ist – für einen Ausgleich, dafür sorgt, dass es einige Länder gibt, die sehr reich sind und mit sehr viel Steuereinnahmen gesegnet sind, und dann gibt es andere, bei denen ist das nicht der Fall.
Heuer: Sind Sie also zu Verhandlungen erst nach 2019 bereit?
Linnert: Nein, natürlich nicht. Wenn man einen neuen Finanzausgleich braucht – und das braucht man ja, weil der bestehende 2019 endet -, dann muss man deutlich früher in Gespräche gehen und dann werden auch die Probleme des Finanzausgleichs wie die Frage, was für eine Einnahmesituation stellt man eigentlich in den Stadtstaaten her, wie kommt es eigentlich, dass die ganze Kapitalertragssteuer im reichen Süden vereinnahmt wird, was optisch dazu führt, dass der Finanzausgleich aufgebläht wird, was ist eigentlich mit Hafenlasten, was ist eigentlich mit dem Ausgleich der Bildungsinvestitionen, wie läuft eigentlich die Umsatzsteuerverteilung, die auch Effekte hat, die dann optisch verzerren, all diese Fragen werden selbstverständlich auch vom Bundesland Bremen aufs Tapet gebracht.
Heuer: Die Bayern bringen andere Fragen aufs Tapet, unter anderem will München eine Obergrenze für die Leistungen im Länderfinanzausgleich festschreiben. Wären Sie damit einverstanden?
Linnert: Es gibt ja eine Obergrenze. Bayern leistet ja nicht unendlich, sondern das geltende Gesetz sieht ja vor, dass ein Ausgleich stattfindet, der den reichen Bundesländern deutlich mehr belässt, als die armen Länder dann bekommen. Damit ist eine Obergrenze definiert. Bayern findet den Unterschied nicht groß genug, weil wenn man reich ist, ist man auch besonders gierig und hat vielleicht auch besonders wenig Bewusstsein dafür, dass man nicht alleine auf der Welt ist. Bayern wird sich im Grunde selber schaden, weil die Klage wird ja erst mal Stillstand der Rechtspflege bedeuten. Solange das Bundesverfassungsgericht darüber nicht entschieden hat, wird es keinerlei weitere Verhandlungen geben können über die Frage, was passiert nach 2019. Das ist das Einzige, was man sich für diesen Wahlkampf–Gag da einhandelt.
Liminski: Karoline Linnert, grüne Finanzsenatorin von Bremen, im Gespräch mit Christine Heuer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Linnert: Ja, Bayern zahlt seit ein paar Jahren ungefähr die Hälfte. Daran kann man sehen, wie reich die sind. Aber auch andere Länder, nämlich Baden-Württemberg und Hessen, zahlen ja einen Anteil in den Länderfinanzausgleich, dessen Gesamtvolumen im Übrigen in den letzten Jahren ständig gesunken ist. Es ist eine sonderbare Fixierung ausschließlich auf den Länderfinanzausgleich, die Bund-Länder-Beziehungen sind viel, viel komplizierter, es sind im Moment sieben Milliarden Euro, die da umverteilt werden, das ist nur ein Bruchteil dessen, was sozusagen an Geld so hin und her geht. Schon allein das ist ein völlig verkürzter Ansatz, sich das nur alleine vorzuknöpfen.
Heuer: Aber wenn Sie Hessen und Baden-Württemberg erwähnen, die klagen jetzt zwar nicht in Karlsruhe, aber sehr glücklich sind die über den Zustand auch nicht.
Linnert: Na ja, das hat sich im reichen Süden irgendwie eingebürgert, ich kenne das auch schon ein paar Jahre länger, dass man immer, wenn man im Wahlkampf ist, oder eigene Probleme hat, oder Haushaltsprobleme, dass man sich dann die im Haushalt aus deren Sicht natürlich große Summe für den Länderfinanzausgleich anguckt und dann eben großes Geschimpfe ausbricht. Eines kann man ganz allgemein sagen: Sowohl was die europäischen Fragen, die ja von Ihnen mit dem Vergleich mit Spanien angesprochen wurden, als auch was die deutschen Fragen betrifft, Entsolidarisierung wird uns am Ende alle fressen.
Heuer: Nun sagen die Bayern aber, die Ansprüche der Nehmerländer seien einfach zu hoch, oder in den Worten des bayrischen Finanzministers Markus Söder, "Wir sind solidarisch, aber blöd sind wir nicht". Sind die Nehmerländer zu anspruchsvoll?
Linnert: Ich kann es nicht verstehen. Es gibt ein Gesetz, was den Länderfinanzausgleich mit Wirkung bis 2019 regelt. Diesem Gesetz haben alle zugestimmt, auch die Bayern, und da darf ich vielleicht noch mal Herrn Stoiber zitieren im Landtag am 26. Juni 2001. Da hat er gesagt, es war auch ein gutes Datum für Bayern und für ganz Deutschland, die Verhandlungen der Länder und des Bundes zum Länderfinanzausgleich zum Solidarpakt II in Berlin haben zu einem tragfähigen Ergebnis geführt, Bayern, aber auch alle Länder und der Bund können mit dem Ergebnis höchst zufrieden sein. Wir nehmen das wahr, was in dem Gesetz uns zusteht, und es ist ja so, dass der Grundgesetzgedanke, dass es in Deutschland im Wesentlichen gleiche Lebensbedingungen geben soll, nur erfüllt werden kann, wenn man auf welchem Weg auch immer – darüber kann man sicherlich neu reden, wenn der Finanzausgleich ausgelaufen ist – für einen Ausgleich, dafür sorgt, dass es einige Länder gibt, die sehr reich sind und mit sehr viel Steuereinnahmen gesegnet sind, und dann gibt es andere, bei denen ist das nicht der Fall.
Heuer: Sind Sie also zu Verhandlungen erst nach 2019 bereit?
Linnert: Nein, natürlich nicht. Wenn man einen neuen Finanzausgleich braucht – und das braucht man ja, weil der bestehende 2019 endet -, dann muss man deutlich früher in Gespräche gehen und dann werden auch die Probleme des Finanzausgleichs wie die Frage, was für eine Einnahmesituation stellt man eigentlich in den Stadtstaaten her, wie kommt es eigentlich, dass die ganze Kapitalertragssteuer im reichen Süden vereinnahmt wird, was optisch dazu führt, dass der Finanzausgleich aufgebläht wird, was ist eigentlich mit Hafenlasten, was ist eigentlich mit dem Ausgleich der Bildungsinvestitionen, wie läuft eigentlich die Umsatzsteuerverteilung, die auch Effekte hat, die dann optisch verzerren, all diese Fragen werden selbstverständlich auch vom Bundesland Bremen aufs Tapet gebracht.
Heuer: Die Bayern bringen andere Fragen aufs Tapet, unter anderem will München eine Obergrenze für die Leistungen im Länderfinanzausgleich festschreiben. Wären Sie damit einverstanden?
Linnert: Es gibt ja eine Obergrenze. Bayern leistet ja nicht unendlich, sondern das geltende Gesetz sieht ja vor, dass ein Ausgleich stattfindet, der den reichen Bundesländern deutlich mehr belässt, als die armen Länder dann bekommen. Damit ist eine Obergrenze definiert. Bayern findet den Unterschied nicht groß genug, weil wenn man reich ist, ist man auch besonders gierig und hat vielleicht auch besonders wenig Bewusstsein dafür, dass man nicht alleine auf der Welt ist. Bayern wird sich im Grunde selber schaden, weil die Klage wird ja erst mal Stillstand der Rechtspflege bedeuten. Solange das Bundesverfassungsgericht darüber nicht entschieden hat, wird es keinerlei weitere Verhandlungen geben können über die Frage, was passiert nach 2019. Das ist das Einzige, was man sich für diesen Wahlkampf–Gag da einhandelt.
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