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Entspannung an der Tankstelle

Noch zu Jahresbeginn kannte der Ölpreis nur eine Richtung: steil nach oben. Doch wachsende Konjunktursorgen bringen auch die Rohstoffmärkte unter Druck.

Von Michael Braun | 04.06.2012
    Entspannung an der Tankstelle. Die Spritpreise sind im Mai kräftig gefallen. Ein Liter Super E 10 kostete im bundesweiten Durchschnitt 1,60 Euro. Das seien, so der Autoclub ADAC, 5,6 Cent weniger als im April gewesen. Diesel habe im Mai 4,7 Cent weniger gekostet, nämlich im Monatsdurchschnitt knapp 1,50 Euro je Liter. Heute sanken die Preise weiter: Diesel ist für gut 1,42 Euro zu haben, Super E 10 für knapp 1,57 Euro.

    Es liege vor allem am sinkenden Ölpreis, hatte der ADAC mitgeteilt.

    Der notiert in der Tat auf einem mehrmonatigen Tief. Öl der Nordsee-Sorte Brent wurde heute zu knapp 96 Dollar gehandelt. Solche Preise hatte der Markt zuletzt im Januar 2011 gesehen. Und amerikanisches Leichtöl der Sorte WTI fiel in der Spitze auf ein Acht-Monats-Tief von gut 81 Dollar. Der Preisrutsch hat mehrere Gründe, erklärt Karsten Fritsch, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank:

    "Zum einen haben wir es mit einer sehr negativen Marktstimmung zu tun. Das hängt zusammen mit enttäuschend ausgefallenen Konjunkturdaten aus den USA und China und der anhaltenden Schuldenkrise in der Eurozone. Dadurch haben wir eine massive Aufwertung des US-Dollar gesehen und einen deutlichen Rückgang der Aktienmärkte. Diese beiden Faktoren belasten die Ölpreise."

    Die steigende Arbeitslosenquote in Amerika hatte schockiert. Für Konjunkturängste sorgten zudem Hinweise drauf, dass sich auch die Wirtschaft in China abkühlt. Und die Staatsschuldenkrise in Europa schwächte den Euro, stärkte den Dollar und verteuerte damit das in Dollar gehandelte Öl, was die Nachfrage zurückdrängte. Dies in einer Situation, in der es Öl genug gab, vor allem aus Saudi-Arabien:

    "Die haben ihre Produktion massiv ausgeweitet in Erwartung oder Vorsorge vor möglichen Angebotsausfällen wegen der Iran-Krise."

    Zuletzt gaben Ölagenturen an, die Saudis hätten für eine Überproduktion von zuletzt etwa 1,5 Millionen Barrel pro Tag gesorgt – immerhin fast fünf Prozent der täglichen Ölproduktion in den OPEC-Staaten. Marktbeobachter gehen davon aus, dass der Preisdruck beim Öl noch einige Zeit anhält. Schließlich seien auch die Lager komfortabel gefüllt. Ob die Verbraucher in Deutschland und der Eurozone noch viel davon haben werden, gilt als fraglich: Der schwache Euro gleicht den fallenden Dollarpreis für Öl zum Teil aus. Außerdem könnte Saudi-Arabien bei weiter fallenden Dollarpreisen die Ölproduktion genauso schnell wieder drosseln, wie sie wegen der Iran-Krise erhöht worden sei.